Wiederaufnahme der Ponnelle-Produktion von Rossinis „La Cenerentola“ – Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf – 2018

Wenn die Chorherren mit roten Rosen schwingen 

– Deutsche Oper am Rhein nimmt Jean-Pierre Ponnelles legendäre „La Cenerentola“ wieder auf – 

von Klaus J. Loderer

Wenn beim Auftritt des vermeintlichen Fürsten der heruntergekommene Baron Don Magnifico und seine Töchter zum Hofknicks bereit stehen, werden sie durch das Ausrollen des roten Teppichs immer weiter nach rechts und fast von der Bühne gedrängt. Clorinda und Tisbe flirten dann mit vollem Körpereinsatz im Takt der Musik mit dem Fürsten. Dem scheint es geradezu Spaß zu machen, die beiden zu erschrecken und in die Flucht zu schlagen. Die Chorherren stehen in roten Fräcken daneben und wippen mit roten Rosen. Jean-Pierre Ponnelle hat diese Szene mit Schritten, Gesten und Mimik in der köstlichsten Art und Weise genau auf die Musik inszeniert. Mit den von Ponnelle entworfenen Kostümen im Stil des frühen 19. Jahrhunderts und dem wie ein riesiges in Tusche gezeichnetes Architekturcapriccio als Bühnenbild entstand eine „Cenerentola“, die schon damals überaus erfolgreich war. Damals heißt in diesem Fall Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre. Mailand, San Francisco, New York, Paris und München seien als einige Aufführungsorte genannt. 1981 kam die Produktion als Film heraus. In Duisburg und Düsseldorf machte die Deutsche Oper am Rhein die Produktion 1974. In der neuen Spielzeit ist die legendäre Ponnelle-Cenerentola wieder zu sehen.

Maria Kataeva (Angelina) und der Herrenchor der Deutschen Oper am Rhein
Foto: Hans Jörg Michel

Das Alter sieht man der Produktion nicht an. Liebevoll neu einstudiert erlebt man „La Cenerentola“ in alter Frische. Natürlich stammt der Inszenierungsstil aus einer anderen Zeit. Wichtig ist hier das ästhetische Konzept und das ist stimmig. Ponnelle hat auch die Bühnenbilder entworfen. Im ersten Akt ist das eine Art barockes Puppenhaus mit Vergänglichkeitsallüren. In der Mitte sieht man ein zerfallenes Treppenhaus. Seitlich davon kann man in vier Kabinettchen schauen. Im linken macht Clorinda groteske Tanzübungen in der Krinoline. Rechts versucht sich Tisbe als Sängerin. Und oben hat Don Magnifico sein Zimmer. Ponnelle überzeichnet diese eitlen und eingebildeten Wesen trefflich. Menschlich ist hier nur Angelina – das Aschenputtel. Sie verliebt sich in den Diener des Fürsten. Dieser junge Mann im grünen Frack ist aber in Wirklichkeit der Fürst selbst, der sich in seinen Landen nach einer Braut umschaut, die Brautschaftsaspirantinnen aber unerkannt beobachten möchte. Zu gerne möchte Angelina auch zum Ball des Fürsten, aber der Vater behauptet, dass er nur zwei Töchter habe, die dritte sei gestorben. Bei Rossini ist es nicht die böse Stiefmutter sondern ein böser Stiefvater.

Auch den fürstlichen Palast hat Ponnelle als völlig übertriebene Fassade gezeichnet, die selbst sizilianischen Barock noch übertrifft. In der Mitte lässt sich ein Stück öffnen und gibt den Blick frei auf eine zentralperspektivische Bühne, die zuerst einen Gewölbekeller und später einen Saal zeigt. In herrlicher Übertreibung werfen sich Clorinda und Tisbe an das Fürstchen („Principino“) ran und versuchen sich gegenseitig auszustechen. Bis dann noch eine Bewerberin auftaucht. Magnifico-Clorinda-Tisbe sind platt über die Ähnlichkeit mit Angelina. Die ist es ja auch tatsächlich, hat ihr dorch Alidoro zum Fest des Fürsten verholfen. Bei Rossini gibt Angelina dem Fürsten einen Armreif. Er soll das passende Gegenstück finden. Dass es dazu kommt, muss Alidoro wieder nachhelfen. Dass die höfischen Herren im Gewitter mit ihren Schirmen kämpfen ist auch wieder so ein schönes Detail der Inszenierung.

Heidi Elisabeth Meier (Clorinda), Laimonas Pautienius (Dandini), Kimberley Boettger-Soller (Tisbe)
Foto: Hans Jörg Michel

Auch die von Ponnelle entworfenen Kostüme spielen eine wichtige Rolle. Während Fürst und Hofstaat im Stil des frühen 19. Jahrhunderts gekleidet sind, ist Don Magnifico ganz bewusst altertümlich ausgestattet mit Kniebundhose und Rokokoperücke. Seine Töchter strotzen vor übertriebener Geschmacklosigkeit mit Biedermeierkleidchen und können tollpatschig nicht mit den Krinolinen umgehen. Natürlich ist Angelina beim Auftritt im Schloss von überwältigender Grandezza.

Auch die musikalische Seite der Wiederaufnahme ist ein Glücksgriff. Umwerfend ist der Bariton Paolo Bordogna als Don Magnifico. Dazu gehört der exakte Gesang. Meisterlich beherrscht er die unglaublich schnellen, geradezu zungenbrecherischen Passagen. Daneben erleben wir eine urkomische Rollengestaltung mit einer fantastischen Mimik. Ihm steht in der anderen Baritonpartie Laimonas Pautienius als Dandini nicht nach. Beide sorgen ja maßgeblich für die Lacher in der Produktion. Caterina di Tonno und Kimberley Boettger-Soller geben sich so ungelenk und maßlos eitel wie möglich, um die Schwestern Clorinda und Tisbe darzustellen, bringen die Sache stimmlich aber exakt auf den Ton.

Drei Rollen sind in diesem burlesquen Stück aber doch eher ernsthaft. Stürmischen Beifall erhielt Adrian Sâmpetrean als Alidoro. Maria Kataeva singt Angelina mit warmem Mezzosopran. Eindrücklich gelingt ihr das schlichte Lied, das sie im Haus immer wieder singt. Mühelos meistert sie die Koloraturen in ihrer großen Arie im Finale. Für den Tenor Juan José de Léon ist der Fürst Don Ramiro eine der Stammrollen mit Auftritten zum Beispiel in Paris, Stuttgart, Basel, Limoges und Montréal. Er ist bekannt für die die Rolle erfordernden Spitzentöne. Die kommen an diesem Abend auch. Allerdings mischt sich ein unangenehmes Vibrato teilweise so stark darunter, dass die Klarheit leidet.

Antonino Fogliani ist zweifelsohne ein Rossini-Kenner. Seit 2011 ist er musikalischer Leiter des Rossini-Festivals in Wildbad. Er leitet die Düsseldorfer Symphoniker mit Leidenschaft, gönnt uns den Genuss der lautmalerischen Beschreibungen, begleitet die komischen Sachen beschwingt, gibt sich den lyrischen Stellen hin und bringt in den Verwirrungs-Finali in fantastischen Crescendi die Rossini-Musik-Maschine zum Hämmern und Stampfen und Schwirren. Den Herrenchor der Deutschen Oper am Rhein hat Patrick Franis Chestnut exakt einstudiert.

Schön, dass man die Produktion wieder einmal sehen kann. Am Ende großer Beifall. Das Publikum feiert die Wiederaufnahme als großes Ereignis. Unverständlich bleibt das vereinzelte Buh für Maria Kataeva.

Besuchte Vorstellung: Wiederaufnahme 3. November 2018
(Premiere 9. Januar 1974 Duisburg, 13. März 1974 Düsseldorf)
Opernhaus Düsseldorf

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