Opernkritik: Giuseppe Verdis „La forza del destino“ – Staatstheater Augsburg gastiert im Stadttheater Fürth – 2018

Südamerikanischer Drogenkrieg im rosa Mädchenschlafzimmer 

– Staatstheater Augsburg gastiert mit Giuseppe Verdis „La forza del destino“ (Die Macht des Schicksals) im Stadttheater Fürth – 

von Klaus J. Loderer

Das dramatisch aufwühlende musikalische Hauptmotiv, mit dem Verdi schon die Ouvertüre von „La forza del destina“ beginnen lässt und das sich dann durch die gesamte Oper zieht, nutzt Regisseur André Bücker in seiner Inszenierung für das Staatstheater Augsburg, dem er als Intendant vorsteht, zur Untermalung eines Albtraums, den die wild sich im Bett herumwerfende Leonora hat. Ihr von Bühnenbildner Jan Steigert entworfenes rosafarbenes Riesenschlafzimmer ist ein prächtig-kitschig-neureiches Ambiente mit gut sortierter Hausbar wie in einer südamerikanischen Soap Opera. Der Vater ist denn auch kein Marchese sondern eher ein Pate, der seine Interessen mit einer mit Maschinengewehren bewaffneten Privatarmee schützt. Dass Prinzesschen Leonoara davon träumt, diesem goldenen Gefängnis mithilfe von Alvaro zu entfliehen, wundert nicht. Woher der Wohlstand kommt, zeigt sich in der nächsten Szene, nämlich aus der Drogenproduktion. In einer schrillen und grellbunten Szenerie erlebt man hier Koksproduktion und Vertrieb. In Plüschhunde werden Drogen verpackt. Die Guerilla-Truppe verweist auch gleich auf das Kriegsmotiv der Oper, in diesem Fall ein kolumbianischer Drogenkrieg. Diese hat Kostümbildnerin Suse Tobisch mit farbenfrohen Kostümen ausgestattet.

„La forza del destino“: Sally du Randt (Leonora), Opernchor des Staatstheaters Augsburg
Foto: Jan-Pieter Fuhr

Die Verlegung der Geschichte nach Südamerika hat ihren Reiz. Regisseur Bücker kann so den Grund deutlich machen, warum im Libretto Alvaro für den Marchese als Schwiegersohn völlig indiskutabel ist, nämlich wegen seiner Abstammung von den Inkas. Und das bekommt in Südamerika noch eine größere Logik.

Die Inszenierung bleibt konsequent in Leonoras Schlafzimmer. Zwei Porträts im Hintergrund zeigen die toten Eltern, rechts die betende Mutter, links der erschossene Vater. Der große Kleiderschrank im Hintergrund birgt mysteriöse Dinge. Die Mönche des Klosters kommen aus ihm heraus. Der Schrank erweist sich aber auch als Schrein einer mysteriösen Religion mit allerlei Woodoozauber und Totenköpfen, eine mysteriöse der Indios, die im Umfeld Alvaros immer wieder auftauchen. Dass die Figuren, die in Leonoras Traum auftauchen, nicht unbedingt durch die Tür kommen müssen, leuchtet auch ein, so tritt der Chor durch Schlitze in Stoffbahnen in den Wänden ein und verschwindet auch wieder so. Das ermöglicht überraschend schnelle Auftritte. Ihre Traumbilder im Laufe der Inszenierung immer mysteriöser werdenden Figuren sind auf die immer wieder vorgeschobenen transparenten Vorhänge projeziert (Videos Robert Zorn). Und auch der Tod, ein Frauenskelett in buntem Trachtenkleid spaziert immer wieder über die Bühne. Dann spielt noch ein Metallaktenkoffer eine wichtige Rolle, den der Marchese zu Beginn im Kleiderschrank Leonoras versteckt.

„La forza del destino“: Tobias Pfülb, (Fra Melitone), Opernchor des Staatstheaters Augsburg
Foto: Jan-Pieter Fuhr

Die Konzentration auf Leonoras Schlafzimmer vermeidet die kaum nachvollziehbaren geographischen Wechsel, zufälligen Treffen und die großen zeitlichen Sprünge der Oper und konzentriert die Handlung. Wie wenig Trost die katholische Kirche bieten kann, zeigt sich mit scheinheiligen und doch machtgierigen Mönchen. Immer mehr kommt das Volk herunter, zieht es am Anfang als wilde Guerilla in den Krieg, bettelt es am Ende zerlumpt bei den Mönchen. Mit Pistolen fuchtelnd rennen Alvaro und Carlo hinaus. Mit Pistolen fuchtelnd stürmen sie in der nächsten Szene wieder herein. Alvaro erschießt Carlo im Hintergrund. Noch einmal rafft sich Don Carlo auf und will seine Schwester erstechen. Doch bricht er im Tode zusammen, ohne zugestoßen zu haben. Alvaro erschießt sich, weil er nun wirklich zum Mörder wurde. Und Leonara? Gemütlich kugelt sie sich in ihrem Riesenbett zusammen und schläft weiter. Sie hat im Plüschhund, den sie am Anfang bekommen hat, Schlaftabletten entdeckt, eingeworfen und träumt nun vielleicht besser.

Noch eine weitere Überraschung – abgesehen vom Überleben Leonoras – bietet das Finale, nämlich eine musikalisch. Man spielt den selten zu hörenden Schluss der St. Petersburger Fassung. In dieser kommen die Mönche hinzu und beenden mit ihrem Schlusschor die Oper.

Eine gute Sängerbesetzung ist an diesem Abend zu hören. Sally du Randt ist eine bewundernswerte Haussopranistin, die sich am Staatstheater Augsburg quer durch die Produktionen singt. Eine leichte Rauheit in den Höhen verleiht ihrer Stimme ebenso Charakter wie dramatische Tiefe. Die südafrikanische Sängerin hat Stil. Die noblen Verdi-Sopranpartien füllt sie gut aus. Zurab Zurabishvili hat als Don Alvaro zu einer schönen Gesangslinie gefunden. Die Höhe ist für den Tenor nie ein Problem gewesen. Früher neigte er manchmal zu einem gewissen metallischen Ton. Nun ist er gereift. Alvaro singt er flüssig und souverän. Alejandro Marco-Buhrmester ist ein forscher Don Carlo. Eine sehr gute Leistung bietet Tobias Pfülb, der in der ersten Szene den Marchese singt und dann auf Fra Melitone umsteigt. Gelegentliche Huster deuten an, dass er erkältet ist. Doch meistert er die schwierige und ausgedehnte Rolle gut, die für einen Bass zudehm sehr hoch liegt. Zu den starken Kräften des Staatstheaters Augsburg gehört Stanislav Sergeev, ein Neuzugang in der letzten Saison. Der junge, in der russischen Stadt Oktyabrsk geborene und am Konservatorium von St. Petersburg ausgebildete Sänger singt den Padre Guardiano mit warmem und wohlklingedem Bass. In einer kleinen Rolle ist Thaisen Rusch zu sehen. Der junge, in Colombo auf Sri Lanka geborene, Tenor singt mit schöner Höhe den Mastro Trabuco. Natalya Boeva bleibt als Preziosilla leider etwas blass. In einer stummen Rolle ist Jasmin Strakosch als Tod zu erleben. Lancelot Fuhry (die Premiere leitete Generalmusikdirektor Domonkos Héja) dirigiert die gut aufgestellten Augsburger Philharmoniker mit Elan. Der Opernchor des Staatstheaters Augsburgs, für die Wiederaufnahme gut neu einstudiert von Carl Philipp Fromherz, meistert die großen Chorszenen der Oper mit Spielfreude.

Besuchte Vorstellung: 30. Oktober 2018
(Gastspiel des Staatstheaters Augsburg, Premiere 24. März 2018)
Stadttheater Fürth

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