Filmkritik: „Das krumme Haus“ – ein Krimi nach einer Geschichte von Agatha Christie

Wer ermordete Aristide Leonides? 

– „Das krumme Haus“ nach einer Kriminalgeschichte von Agatha Christie – 

von Klaus J. Loderer

Eine Frau setzt einem Mann eine Spritze. Der Mann stirbt. Man sieht in der Kinowochenschau, dass es sich um einen reichen Mann griechischer Abstammung handelte, der mit Restaurants in London reich wurde. Nun ist er tot und seine Enkelin vermutet, dass er ermordet wurde. Sophia (Stefanie Martini) will den Privatdetektiv Charles Hayward (Max Irons) engagieren, doch der lehnt kurz angebunden ab. Man sieht in einer Rückblende, dass die beiden in Kairo ein Verhältnis hatten. Sie ist dann verschwunden und er ist immer noch sauer. Aber er fragt mal bei Scottland Yard nach, was es denn mit dem Tod von Aristide Leonides auf sich habe. Da er jetzt neugierig ist, fährt er doch zum Haus der Familie Leonides. Dieses „krumme Haus“ ist natürlich ein prachtvoll, wenn auch düsterer riesiger Landsitz. Und er wirkt noch düsterer durch die dramatische Filmmusik von Hugo de Chaire. Charles trifft dort sofort auf Sophias Tante Edith, die Maulwürfe schießt. Gespielt wird Edith de Haviland von der fantastischen Glenn Close, die hier mit verschmitzt trockenem Humor eine englische Adelige zeigt, steif und altmodisch  und doch sehr sympathisch. Das im Haus sonst lebende Horrorkabinett lernt Charles so nacheinander kennen. Bücherwurm Philip (Julian Sands), sein aufbrausender Bruder Roger (Christian McKay), die kühle Chemikerin Clemency (Amanda Abbington) und die Witwe Brenda (Christina Hendricks). Sophias Mutter Magda (Gilian Anderson) scheint geradezu der Addams-Family entstiegen. Ihr Schwesterchen Josephine (Honor Kneafsey) scheint von ihrem Baumhaus aus alles zu beobachten, den pubertierenden Bruder Eustace (John Heffernan) interessiert vor allem, ob Charles in Kairo Sophia beglückt hat.

„Das krumme Haus“: Glenn Close als Lady Edith de Haviland
Foto: 20th Century Fox
Man fühlt sich gleich an „Downton Abbey“ erinnert, wenn Detektiv Charles das Treppenhaus betritt. Wieder ein neugotisches Treppenhaus, um das ein riesiges Herrenhaus herumgebaut ist. Es mag auch daran liegen, dass Downton-Abbey-Erfinder Lord Julian Fellowes am Drehbuch mitgeschrieben hat. Eine Großfamilie unter einem Dach, ein alter Haustyrann mit einer jungen Ehefrau, verbotene Liebe mit dem Hauslehrer, Reichtum, zwielichtige Geschäfte, drohender Bankrott, ein nicht unterschriebenes Testament, ein zweites unterschriebenes Testament , mit Gift vertauschtes Insulin. Als Hintergrund ein altes Herrenhaus im Herbst mit üppigen Innenräumen, elegante Kleider. Das ist in den späten 1950er-Jahren angesiedelt. Da kann man fetzigen Rock ’n’ Roll unterbringen und schöne Autos. Für Autorfans unwiderstehlich wird das Auto sein, mit dem Detektiv Charles fährt, ein Bristol 405. Und man sieht einen unglaublich eleganten Rolls Royce Silver Wraith aus dem Jahr 1952.

Was die Ausstattung angeht, ist der Film gut gelungen. Das wunderbare Ambiente passt ebenso wie die schönen Kostüme von Colleen Kelsall. Was die Kriminalgeschichte angeht, gelingt es Regisseur Gilles Paquet-Brenner nicht immer, den Spannungsbogen wirklich zu halten. Der Film hat seine Längen, weil die Kamera immer wieder die Atmosphäre einfangen möchte, was man sehr genießt. Die Kamerafahrten durch das Treppenhaus und den Garten sind wundervoll. Das wäre für einen ruhigen Film in der Art eines englischen Konversationsstücks sehr passend. Allerdings möchte der Regisseur die Geschichte dann doch mit Action aufpäppeln. Und die beiden Interessen kollidieren.

Am Ende meinte man noch eine wilde Verfolgungsjagd in den Film packen zu müssen, um den Schluss besonders dramatisch darzustellen. Zu verraten, wie Geschichte und Film ausgehen, wäre gemein, also lasse ich das. Die Auflösung ist jedenfalls sehr überraschend. 

Für einen Krimi benötigt man noch eine spannende Geschichte. Da bedient man sich bei Agatha Christie und ihrer Erzählung „Crooked House“ (Das krumme Haus). 1949 war die Leserschaft durch das Ende ziemlich verstört. Diese Geschichte wurde tatsächlich bisher noch nicht verfilmt. Allerdings basiert die Filmhandlung nur so irgendwie auf Agatha Christies gleichnamiger Vorlage. Man hätte natürlich die Dialoge einfach übernehmen können, stattdessen wurde alles etwas anders. Und das ist eigentlich schade. Man merkt an vielen Stellen, dass es darum ging, die Geschichte effekthascherisch aufzumotzen. Da wird aus der Bedienung Brenda eine amerikanische Tänzerin aus Las Vegas. Das soll andeuten, dass Leonides in mafiöse Geschäfte verwickelt war. Sophia lässt Charles in Kairo sitzen, während sie sich in der Geschichte durch den Krieg trennen. Im Film wurde Charles’ Vater ermordet, in der Geschichte leitet er die Ermittlungen. In der Vorlage ist Charles noch nicht einmal Detektiv. Eine Verfilmung als ruhiges Kammerspiel hätte vielleicht doch besser zur Geschichte gepasst als der Versuch Action und Drama einzubauen. Auch zeitlich spielt der Film später. Die Erzählung wurde 1949 veröffentlicht und spielt unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. An vielen Stellen werden Probleme aus der späten Kriegs- und Nachkriegszeit erwähnt. Der Film spielt erst Ende der 1950er-Jahre. Das ermöglicht, eine Tanzszene mit Rock’n Roll unterbringen.

Die Szenen sind in unterschiedlichen Herrenhäusern in England gedreht worden. Von außen sieht man das Pseudo-Loire-Schloß Minley Manor in Hampshire. Das spektakuläre neugotische Treppenhaus ist in Tyntesfield in Somerset.Josephines hellblaues Kinderzimmer befindet sich in Hughenden Manor in Buckingham Shire. Eine Szene, in der man gut eine Situation aus der Originalgeschichte übernommen hat, ist die Einrichtung von Clemencys kahl-weißem Wohnzimmer, dessen moderne Möbel voon der ansonsten eher plüschigen Einrichtungen des restlichen Hauses absticht.

Das krumme Haus

Originaltitel: Crooked House
England 2017
Regie: Gilles Paquet-Brenner
Produzenten: James Spring, Sally Wood, Joe Abrams
Drehbuch: Julian Fellowes, Tim Rose Price, Gilles Paquet-Brenner
Darsteller: Glenn Close, Terence Stamp, Max Irons, Stefanie Martini, Julian Sands, Gillian Anderson, Christina Hendricks u.a.
Musik: Hugo de Chaire
Länge: ca. 115 Minuten

Kinostart in Deutschland: 29. November 2018
Verleih: Twentieth Century Fox



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