Premierenkritik Verdi-Festival: Verdis Oper „Le trouvère“ (Il trovatore) – Teatro Farnese Parma – 2018

Verdi und der Boxkampf 

– Robert Wilson inszeniert Giuseppe Verdis „Le trouvère“ beim Verdi-Festival im historischen Teatro Farnese in Parma in ästhetisierter Bildsprache – 

von Klaus J. Loderer

Es ist schon ein riesiger Raum, das Teatro Farnese in Parma. Überhaupt ist alles in diesem Palazzo della Pilotta riesig: die Eingangshalle, die unendlich lange Treppe, die obere Vorhalle mit dem Baldachin über dem Triumphbogen, der ins Theater führt, und eben der Zuschauerraum, der an eine antik-römische Rennbahn erinnert. Mächtig ist die Schaufront mit dem fast klein wirkenden Bühnenportral. Am Abend wirkt der Raum im Halbdunkel noch größer. Bestuhlt ist allerdings nur der ebene Bereich. Die amphitheatralisch ansteigenden Sitzstufen bleiben ungenutzt. Das ist dann mit den Sichtverhältnissen so eine Sache. Und auch die Akustik ist recht hallig. Aber der optische Eindruck ist erst einmal überwältigend.

„Le trouvère“ in Parma: Nino Surguladze (Azucena), Giuseppe Gipali (Manrique), Chor und Statisten
Foto: Lucie Jansch

Mit den warmen Farbtönen des Holzes des Zuschauerraums kontrastiert die bläulich-kühle Härte des bereits beim Einlass des Publikums offenen Bühnenbildes. Drei Wände bilden einen Raum. Der Fußboden steigt steil an. Ein Mann sitzt auf einem Stuhl. Er erinnert an den alten Giuseppe Verdi. Das soll er auch tatsächlich sein. Regisseur Robert Wilson hat in seiner Inszenierung von Verdis „Troubadour“ ein paar biographische Elemente aus dem Leben Verdis angedeutet, etwa die Frau am Brunnen mit den beiden Mädchen. Letztlich bleibt das aber schemenhaft.

Man spielt in Parma übrigens nicht die sonst in Italien übliche italienische Fassung von „Il trovatore“. Für das Verdi-Festival wurde die französische Fassung „Le trouvère“ einstudiert. In Paris erfolgte 1857, vier Jahre nach der italienischen Uraufführung von „Il trovatore“ in Rom, die Erstaufführung einer französischen Fassung.

„Le trouvère“ in Parma: Giuseppe Gipali (Manrique) und Roberta Mantegna (Léonore)
Foto: Lucie Jansch

Wie immer bei Robert Wilson, von dem die szenische Gesamtkonzeption stammt, basiert die Inszenierung auf einer eher statischen, sehr ästhetisierten Bildsprache. Wie Puppen stehen die Personen symmetrisch arrangiert oder gehen steif. Die Bewegungen scheinen von altägyptischen Reliefs adaptiert. Die von Wilson entworfenen schwarzen Kostüme sind stark stilisiert. Die Gesichter der Solisten sind weiß und maskenhaft geschminkt. Der Chor ist oft nur als schwarze Silhouette vor dem helleren Hintergrund wahrzunehmen. An den markanten Hüten sind die Soldaten Lunas und Manriques zu unterscheiden. Die Projektion einer Straßenszene und eines wolkigen Himmels unterstützen in einigen Szenen den Bühneneffekt (Videos Tomek Jeziorski). Eigentlich ist die Bühne ein hermetisch abgeschlossener Raum. Es tun sich aber gelegentlich Öffnungen in den Wänden auf. Sie gehen auf und wieder zu und erschließen unterschiedliche Zu- und Abgangsmöglichkeiten. Am Ende schiebt sich gar die Rückwand nach vorn und verkleinert den Raum. Eine kleine Bank entsteht, auf der sich Azucena lagern kann.

Eine Szene kontrastiert in ihrer Lebendigkeit mit der gesamten restlichen Inszenierung. Da man die französische Fassung des Troubadours spielt, kommt natürlich ein Ballett vor. Und während dieser beschwingten Ballettmusik geht es auch auf der Bühne munter zu. Herr Verdi, der gerade wieder auf seinem Stühlchen auf der Bühne sitzt, scheint sich mit Freunde an seine Musik zu erinnern und beginnt im Takt mit den Beinen zu wippen. Dann wird rechterhand ein Bein sichtbar. Ein Boxer springt auf die Bühne und rennt schattenboxend um die Bühne. Immer in den Ecken wechelt er die Richtung, hüpft kurz hoch und rennt weiter. Dann kommt der nächste Boxer. So geht das endlos weiter. Nach einiger Zeit finden sich im Zentrum genügend Boxer zusammen und tummeln sich in wildem Geboxe. Mit den Boxern kommt übrigens auch das einzige farbige Motiv der Inszenierung auf die Bühne: die Boxer tragen knallrote Boxhandschuhe. Irgendwann boxt sogar die Kinderfrau mit, die an anderer Stelle mit Kinderwagen zu sehen ist. Diese anfänglich schon lustige Ballettparodie zieht sich allerdings 25 Minuten lang hin.

Musikalisch ist der Riesenraum nicht ganz unproblematisch. Wie in einem Dom hallt es, was die Feinheiten der Musik an mancher Stelle untergehen lässt. Gut im Raum behauptet sich Roberta Mantegna als Léonore. Mit bezaubernder Sopranstimme singt sie die Rolle. Perfekt in der Höhe und mit weicher Eleganz. Große Emotion legt sie im letzten Akt in ihre Stimme. Die georgische Mezzosopranistin Nino Surguladze beindruckt als Azucena mit feuriger Tiefe.

Der albanische Tenor Giuseppe Gipali (eigentlich Josif Gjipali) hat eine schöne Stimme, aber er kämpft als Manrique mit dem riesigen Raum, und er kommt letztendlich nicht so richtig gegen die Akustik an. Da sind die tiefen Männerstimmen besser besetzt. Stimmgewaltig, mit klarer Gesangsführung und mit großer Dramatik ist Franco Vassallo als Graf Luna. Der Bariton wird im Staatstheater Karlsruhe bald in „Roberto Devereux“ zu hören sein. Sehr schön gestaltet der Bass Marco Spotti als Fernand die Erzählung der Hintergrundsgeschichte am Anfang der Oper. Auch die kleineren Rollen sind mit Luca Casalin (Ruiz und Bote), Tonia Langella (Inès) und Nicolò Donini (ein alter Zigeuner) gut besetzt.

Daneben ist das Orchester des Teatro Comunale in Bologna zu hören, das die Produktion im Januar 2019 übernehmen wird. Dirigent Roberto Abbado, Neffe von Claudio Abbado, schöpft die Raffinessen der Partitur aus und führt das Orchester schwungvoll durch den Abend. Sehr exakt der von Andrea Faidutti einstudierte Chor des Teatro Comunale in Bologna.

Besuchte Vorstellung: Premiere 29. September 2018
Teatro Farnese im Palazzo della Pilotta in Parma
(Koproduktion mit dem Teatro Comunale in Bologna)

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