„Claude Monet, die Welt im Fluss“ – Ausstellung in der Albertina in Wien

Die letzten Jahre widmete er seinem Garten  

– Ausstellung „Claude Monet, die Welt im Fluss“ in der Albertina in Wien – 

von Klaus J. Loderer

Ein tiefblauer Teppich durchzieht neuerdings vom Innenhof aus die klassizistische Galerie. Er leitet die Besucher zu den Bildern des impressionistischen Malers Claude Monet und dominiert auch in der Ausstellung den Fußboden. Es war der Untertitel der Ausstellung, „Die Welt im Fluss“, der als Inspiration diente. Es mag einer der vielen Flüsse sein, die Monet im Laufe seines Lebens malte, die Seine, die Creuse oder die Themse, das Meer oder das Wasser im Seerosenteich seines Gartens in Giverny sein.

Der berühmte Garten in Giverny stellt mit zwei Räumen den Schlusspunkt der Ausstellung dar. Während des Ersten Weltkriegs hat der inzwischen arrivierte und wohlhabende Monet immer wieder seinen Garten gemalt. Immerhin besitzt die Albertina in der Sammlung Batliner sogar eines der berühmten Seerosenbilder. Weitere hat man für die Ausstellung als Leihgaben erhalten, darunter eines aus der Sammlung Beyeler und eines aus dem Musée Marmottan Monet in Paris. Dieses Museum besitzt das Spätwerk Monets und hat die Ausstellung großzügig bestückt. Nun sind die üppigen Seerosenbilder berühmt.

Die letzten Bilder Monets: Bilder des Gartens in Giverny
Foto: Klaus J. Loderer

Weniger bekannt sind die Bilder, die Monet nach 1920 geschaffen hat. Und diese bieten eine Überraschung. Wieder und wieder hat Monet den Rosengang und die japanische Brücke in seinem Garten gemalt. Das ist nun nicht weiter erstaunlich sondern entspricht einer Arbeitsweise, die er schon früher gepflegt hat, nämlich einen Bildausschnitt vom selben Standpunkt zu unterschiedlichen Tageszeiten und bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen zu malen, um die wechselnden Lichtverhältnisse einzufangen. Berühmt sind die Bilder der Kathedrale von Rouen, von denen zwei in der Ausstellung zu sehen sind. In der Albertina findet man auch noch mehrere Bilder aus den Serien zum Fluss Creuse und zum Parlament in London. Es ist nicht das Arbeiten in Serien, das bei den spätesten Bildern überrascht, es ist die für Monet so  düstere Farbstimmung. Hat er früher in fröhlichen Farben das Erblühen der Landschaft gemalt, ist es nun eine farbliche Herbstimmung. Er ist inzwischen über achtzig Jahre alt und durch den Grauen Star fast blind. Trotzdem malt er. Fast abstrakt sehen diese Bilder aus. Nur mehr erahnen kann man die Bildmotive. Der alte Monet erreicht so eine damals erstaunlich avantgardistischer Modernität – und das mit Bildern, die von ihm nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren und lange Zeit auch im Schatten des typischen Monet-Stils völlig unbeachtet blieben. Es ist nicht der liebliche Stil der früheren Jahre sondern eine wilde Farbgebung, die Monet kurz seinem Tod 1926 pflegte. 

Die Ausstellung mit etwa hundert Bildern von Monet beginnt mit zwei Bildern des Malerkollegen Auguste Renoir. Dieser porträtierte 1873 Claude Monet mit Hut und Pfeife, die Zeitung lesend. Im selben Jahr malte er auch Camille Monet, die Monet 1870 geheiratet hatte, nachdem schon 1867 der Sohn Jean geboren worden war. Seit 1871 lebte man in Argenteuil, zurückgekehrt aus England, wohin Monet gegangen war, um einer Einberufung während des deutsch-französischen Kriegs zu entgehen. Von einer künstlerischen Anerkennung war der Dreißigjährige immer noch weit entfernt. Immerhin sorgte die Erbschaften des 1871 verstorbenen Vaters und einer Tante für einige Zeit für eine gewisse wirtschaftliche Basis. Es bahnte sich auch die Bekanntschaft mit dem Galeristen Paul Durand-Ruel an. Und es fand 1874 eine erste Ausstellung mit Bildern von Monet und anderer Freilichtmaler aus seinem Freundeskreis statt, die zum Spottnamen „Impressionisten“ führte. Das Bild, dessen Name „Impression soleil levant“ das Vorbild für den späteren Stilbegriff wurde, stammte übrigens sogar von Monet.

Claude Monet: Boulevard des Capucines, 1873
(Staatliches Museum für bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau)

In der Ausstellung lernen wir den damaligen Stil von Monet durch sein Bild „Boulevard des Capucines“ von 1873 kennen, ein Bild das normalerweise im Puschkin-Museum in Moskau hängt. Sechs Jahre früher entstand das Bild „Quai du Louvre“, das man zum Vergleich daneben gehängt hat. Hier malte Monet recht detailliert das Panorama der Häuser mit der Kuppel des Pantheons, die Seine mit den Bäumen und die Menschen auf der Straße in ihrer unterschiedlichen Kleidung, mit verschieden Posen und Tätigkeiten. Nicht so auf dem Bild des Boulevards, in dem der Lichteffekt der verschatteten und der von der Sonne angestrahlten Straßenseite dominiert. Die Details der Häuser und Bäume gehen mit dem flüchtigen Malstil völlig unter. Zu einer undifferenzierten Masse verschwimmen die Fußgänger, man ahnt die mit wenigen Strichen gerade so angedeuteten Droschken auf der Straße. Gerade so erkennt man die typischen Pariser Hausfassaden. Beiden Bilder gemeinsam ist der Blick von oben auf die Straße, im einen Bild aus einem der Fenster des Louvre im anderen von einem Fenster eines Bürgerhauses. Für den Boulevard wählte Monet eine Schrägansicht mit einem Fluchtpunkt am rechten Bildrand. Es ist schön, dass man diese beiden Bilder nebeneinander platziert hat.

Natürlich fühlt man sich bei Monets Bild „Der Landesteg“ von 1871 an Manets „Frühstück im Grünen“ von 1863 erinnert. Zahlreiche Bilder zeigen die Seine bei Argenteuil, die Ufer und die Brücken. Er malte auf einem Boot, das auf einem Bild auch zu sehen ist. Der Gang durch die Ausstellung zeigt vor allem, wie gekonnt Monet die unterschiedlichen Licht- und Farbstimmungen einfing. Welch leuchtende Farben verwandte er bei einem Bild von 1875, auf dem die stickende Camille und ein Kind, beide blau gekleidet, im Garten sitzen. Ungebrochen sind die roten Blüten im Hintergrund. Die sommerliche Gluthitze meint man im „Pfad durch die Mohnblumen auf der Insel Saint-Martin zu spüren. Eine feine Frühlingsstimmung zeigt der blühende Obstgarten in Vétheuil, wo Monet auch einige Zeit lebte. Doch Monet war auch der Meister düster winterlicher Stimmungen. Die Ausstellung zeigt, dass Monet auch im Winter eifrig gemalt hat. Für diese Bilder verwandte er eine völlig andere Farbpalette und er traf damit genau die fast lichtlosen Tage im Dezember. Sind diese Bilder vor allem von grauen und bläulichen Tönen dominiert, kontrastiert er dies bei der Darstellung eins Zugs mit den warm golden leuchtenden Scheinwerfern der Lokomotive.
Die Ausstellung zeigt auch einen Querschnitt durch Monets Maltätigkeit auf seinen Reisen in den 1880er-Jahren. Wir sehen die Sonnenuntergänge vor den Felsformationen mit dem Felsentor Porte d’Aval in Étretat. Ganz andere Farben verwandte er an der Côte d’Azur. Dem azurblauen Meer stellte er warme Töne des Landes gegenüber und er verwandte verstärkt Bleiweiß, um die Farben aufzuhellen. 1883 mietete er ein Presshaus in Giverny, 70 Kilometer von Paris entfernt. Er lebte dort mit Alice Hoschedé zusammen, die er 1892 heiratete. Seine erste Frau Camille war 1879 gestorben. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg des inzwischen Fünfzigjährigen, der sich durch den Verkauf der Bilder endlich einstellte, konnte er das Haus 1890 erwerben und in der Folge ausbauen und erweitern.

Das Parlament, Spiegelungen auf der Themse, 1904
(Musée Marmottan Monet, Paris)

Wir sehen in der Ausstellung eine ganze Reihe von Bildern, die 1889 am Zusammenfluss der Quellflüsse der Creuse entstanden. Erstmals entstand eine Serie von Bildern, bei denen er nicht einen Ort von verschiedenen Standpunkten zeigte, sondern von einem Standpunkt Bilder zu unterschiedlichen Tageszeiten malte. 1894 entstanden die beiden Bilder der Kathedrale von Rouen, von denen wir zwei sehen können. Bei den Bildern des Parlaments in London interessierte ihn die Architektur gar nicht. Wir erkennen das Gebäude nur durch die markante dunkle Silhouette, die sich vom Himmel abzeichnet. Eher interessierte Monet das Flirren des Wassers der Themse oder die Spiegelungen des Gebäudes im fließenden Wasser. Fast völlig verschwimmt das Parlament im Nebel auf dem Bild mit den Möwen. Auch im Bild der Charing Cross Bridge ist das Brückenbauwerk durch den Nebel kaum zu erahnen. Den über die Brücke fahrenden Zug erkennen wir nur durch die weißen Rauchwolken.

Wie Claude Monet im Laufe seines Lebens immer wieder die Malweise variierte und veränderte, zeigt die Ausstellung in der Albertina recht deutlich. Er ist eben nicht der immer gleich malende „Impressionist“. Während sein Galerist von ihm einen akkuraten „Impressionismus“ wie in den 1870er-Jahren wollte, wurde Monet immer skizzenhafter. Das bewusst Unfertige reizte ihn mehr als das völlig ausgeführte Gemälde. Nochmals wechselte er im Alter die Malweise. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll zum Abschluss die fast expressionistisch wirkenden Bilder aus seinem Garten.

21. September 2018 bis 6. Januar 2019
Albertina Wien

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