Buchbesprechung: Transformation – David Wards Buch über das Shakespeare-Theater in Stratford

Benötigt ein Theater einen Turm?

– Ein Buch von David Ward über den Umbau des Shakespeare-Theaters in Stratford-upon-Avon – 

von Klaus J. Loderer

Theateraufführungen von Shakespeare-Stücken finden in England inzwischen oft in einem architektonischen Rahmen statt, der auf dem Kontinent noch recht ungewöhnlich ist. Den Wandel der von den Künstlern gewünschten Theaterräume zeigt das Theater der Royal Shakespeare Company in Shakespeares Geburtsort Stratford-upon-Avon recht gut. Dort wurde bei einem groß angelegten Umbau kürzlich der sich in der Art des Bayreuther Festspielhauses zur Guckkastenbühne hin verjüngende Zuschauerraum (allerdings ein Rangtheater) aufgegeben und durch einen zentrierten Raum mit umlaufenden Rängen ersetzt. Der wird heute eher als adäquate Form für Shakespeare-Aufführungen angesehen und ist eine freie Adaption des Globe-Theaters. Dessen Nachbauten erfreuen sich ja inzwischen großer Bewunderung. Was man ab 1900 – nicht zuletzt durch die Theaterbauten Max Littmanns – als Idealform für ein Theater ansah, nennt man in der englischen Sprache Fan-Shaped.

Das 1932 eröffnete Theater in Stratford, entworfen von der Architektin Elisabeth Scott (der erste wichtige Bau einer Architektin in England), entstand nach dem Brand des alten neogotischen Theaters. Dieses 1879 eröffnete Shakespeare Memorial Theatre steht übrigens noch heute, es ist das Swan Theatre im Rücken des neuen Theaters. Sein Brand 1926 machte einen Neubau notwendig. An seinen Turm soll der nun entstandene neue Turm erinnern, der von den Einwohnern der Stadt allerdings bissig mit dem Spitznamen Krematoriumskamin belegt wurde, wie David Ward in seinem informativen Buch über den Umbau des Theaters erwähnt.

Mit dem Theater von 1932 war man übrigens von Anfang an unzufrieden. Neben Problemen der Akustik und der Sicht war der Bau wohl auch etwas umständlich angelegt. Viele Besucher fühlten sich zu sehr an ein Kino erinnert. In den 1970er-Jahren wurden an den Seitenwänden schmale Ränge eingebaut. 2001 kündigte die Royal Shakespeare Company an, dass der Architekt Erik van Egeraat das Theater umbauen werde. Diese Zusammenarbeit zerschlug sich allerdings. Es war dann das Büro Bennett, das den Umbau durchführte. Als Ersatzquartier entstand das Courtyard Theatre. Beim 2007 bis 2010 erfolgten Umbau legte der Denkmalschutz Wert darauf, dass die Art-Deco-Räume wie das Foyer erhalten bleiben. Auch die Fassade wurde wiederhergestellt. Die Raumform des alten Zuschauerraums blieb erhalten. In ihn wurde die runde Form des neuen Zuschauerraums eingestellt. Besonders die Fassade zum Fluss ist heute wesentlich klarer strukturiert als vor dem Umbau.

Detailliert findet man im Buch von David Ward den Ablauf des Umbaus. Doch geht es ihm weniger um die Protokollierung des Bauablaufs. Ihn interessiert mehr, wie es zu Entscheidungen kam. Besonders interessant sind deshalb die unendlichen Diskussionen drum herum, die er teilweise minutiös wiedergibt – oft gewürzt mit einem Schuss Ironie. So werden die Entscheidungen, die letztlich zum heutigen Bau geführt haben, deutlich.


David Ward

Transformation
Shakespeare’s New Theatre

RSC
Royal Shakespeare Company
RSC Enterprise
Stratford-upon-Avon
2011
ISBN 978-0-9568012-3
138 Seiten, zahlr. Ill.

Text: englisch

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