Ausstellung über Budapest in historischen Fotos im Ungarischen Kulturinstitut Stuttgart – 2018

Die Panoramen faszinieren 

– Architekturgeschichtliche Fotoausstellung „Budapest anno 1873–1918“ im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart – 

von Klaus J. Loderer

Zwei unglaubliche Panoramabilder standen im Zentrum einer Ausstellung historischer Fotos von Budapest, zusammengestellt von Tibor Vákár und András Hadik, die im Juni und Juli im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart zu sehen war. Mehrere Meter sind diese beiden Bilder breit und zeigen detailliert Budapest im späten 19. Jahrhundert. Ein Bild zeigt den Blick vom Gellertberg über die Donau nach Pest. Am linken Bildrand ist Ofen (Buda) zu sehen, darunter Tabán. Elisabeth- und Franz-Josephs-Brücke existieren noch nicht. Das andere Panoramabild ist von der Pester Seite aufgenommen. An der Kettenbrücke vorbei schaut man nach Ofen. Genau gegenüber ist das königliche Schloss. Links begrenzt der Gellert-Berg das Bild. Rechts geht der Blick weit ins Ofner Bergland. Der Pester Brückenkopf und die Akademie der Wissenschaften begrenzen das Bild rechts. Das königliche Schloss auf der Ofner Burg, heute oft als Burgpalast bezeichnet, ist noch ohne Kuppelbau vor der großen Erweiterung unter Alajos Hauszmann zu sehen. Vieles auf den Fotos ist heute anders. Einige der Großbauten des ganz späten 19. Jahrhunderts sind noch gar nicht errichtet. So fehlt auf dem Panorama von Pest noch die Kuppel der St. Stephans-Basilika. Nur die Türme sind zu sehen. Gut gemacht sind bei den Panoramabildern übrigens die Übergänge zwischen den Fotoplatten, die kaum auffallen.

Das königliche Hofopernhaus in Budapest (heute Staatsoper)

Auf anderen Bildern sieht man Gebäude, die längst abgerissen wurden, wie das Volkstheater (Népszínház). Budapest veränderte sich im späten 19. Jahrhundert und um 1900 schnell. Diese rasanten Veränderungen sind auch auf den Fotos zu erkennen. Als Blickfänger sind in der Ausstellung zahlreiche Fotos bekannter Gebäude ausgestellt. Da sieht man das Parlament, das Opernhaus und die St. Stephans-Basilika. So findet man den Westbahnhof, vor dem die alten Straßenbahnen auf dem Ring fahren. Auf einem Foto mit den Klothilden-Zwillingspalais sieht man im Hintergrund die Baustelle der Elisabethbrücke. Ein besonderes Vergnügen ist es, auf den detaillierten Fotos auf Entdeckungstour zu gehen. Ein Foto der Zentralmarkthalle ist natürlich schon durch das Gebäude interessant. Im Vordergrund ist aber auch sehr genau eine kleine Grünanlage mit einem Zierzaun zu erkennen. Und da stehen einige Leute zu einem Schwatz zusammen. Die Frauen sind durch ihre Kleidung leicht als Bäuerinnen vom Land zu identifizieren. Ein Foto mit dem Heldendenkmal im Hintergrund ist mit städtischen Menschen belebt. Man erkennt durch die Mode, dass es später entstanden ist. Dieser Zeitstufe entspricht wohl auch das Foto der Eisläufer auf dem See im Stadtwäldchen. Vor einem Foto des Justizpalasts (Kúria), dem heutigen Volkskundemuseum, wurden für den Fotografen drei Automobile aufgestellt. Im Freibadbereich des Széchenyi-Bads ist lebhaftes Badetreiben.

Panorama von Budapest: Blick vom Gellert hegy über die Donau auf Pest
Und noch einmal findet man den Blick vom Gellertberg auf die Donau. Der Blick entspricht einem Teilmotiv des Panoramabilds. Nun sind aber im Hintergrund die Kuppeln der St. Stephansbasilika und schemenhaft des Parlaments zu erkennen. Und im Vordergrund sieht man die riesenhaften Gerüste für den Bau der Elisabethbrücke. Ein Foto zeigt, was aus dem Schloss wurde. Da es nach dem Zweiten Weltkrieg stark verändert wiederaufgebaut wurde, sind manche Gebäudeteile nur schwierig zu erkennen. Das Foto zeigt die ungewöhnliche Rückseite mit dem erhaltenen Matthiasbrunnen und der inzwischen völlig anders aussehenden Kuppel. Überhaupt sah das Gebäude viel barocker aus. Natürlich ist auch das königliche Opernhaus an der Andrássy út auf mehreren Fotos zu finden. Das scheint auf den ersten Blick bis heute unverändert zu sein. Schaut man genauer, stellt man fest, dass die Figuren auf der Balustrade im Dachbereich heute anders sind.
Die Fotografen György Klösz und Mór Erdélyi

Die Fotografen Georg Klöss und Mór Erdélyi

Hauptsächlich zeigte die Ausstellung Fotos der beiden Budapester Fotografen Georg Klöss (György Klösz) und Mór Erdélyi, ergänzt durch einige Postkarten. Johann Justus Georg Klöss wurde 1844 in Darmstadt geboren. Er machte zunächst eine Apothekerlehre Lorsch. In Wien war er im Fotoatelier von Hermann Heid beschäftigt und leitete ab 1866 dessen Filiale in Pest. 1867 übernahm er diese und eröffnete 1872 ein neues Atelier. Bei der Wiener Weltausstellung war er unter den sechs Fotografen, die die Konzession hatten im Ausstellungsgelände zu fotografieren. In den 1870er-Jahren fotografierte er zahlreiche Motive von Budapest. Zur Millenniumsfeier 1896 fertigte er um die 700 Fotos von Budapest. Damals beschäftigte er um die vierzig Mitarbeiter. Er war einer der Gründer des Vereins der ungarischen Fotografen. Das Unternehmen übernahm 1905 sein Sohn Pál. Er starb 1913 in Wien.

Mór Erdélyi wurde 1866 in Neuhäusl (ungarisch Érsekújvár, slowakisch Nové Zámky) in Oberungarn (heute Slowakei) als Sohn von Jakob Grünwald und Maria Kurzweil geboren. Später nahm er den ungarischen Namen Erdélyi an. Ab 1884 arbeitete im Fotogeschäft von Ede Ellinger in Budapest. 1891 eröffnete er am Elisabethplatz (Erzébet tér) ein eigenes Fotoatelier. 1894 wurde ihm der Titel königlicher Hoffotograf verliehen. Er lichtete zahlreiche Mitglieder des Hofs in Budapest und Gödöllö ab. 1896 eröffnete er zweites Atelier an der Ecke Kossuth Lajos utca und Újvilág (heute Semmelweis) utca. 1900 erhielt er bei der Pariser Weltausstellung eine Goldmedaille. 1911 wurde er Präsident des Vereins der ungarischen Fotografen. 1926 besuchte er den Internationalen Fotografenkongress in Frankfurt. Er starb 1934.

8. Juni bis 20. Juli 2018 
Ungarisches Kulturinstitut Stuttgart


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