Buchbesprechung: Das Meraner Stadttheater

Ein Jugendstiltheater in den Alpen 

 – Ein Buch von Renate Abram über das Stadttheater von Meran – 

von Klaus J. Loderer 

Vor ein paar Tagen erwarb ich in der Touristeninformation in Meran ein Buch über das Stadttheater des Kurorts, das in der italienischen Namensfassung Teatro Puccini heißt. Auch wenn das Buch schon ein paar Jahre alt ist, liegt es immerhin noch zum Verkauf aus.

Das Stadttheater in Meran war das erste Theatergebäude, das der Architekt Martin Dülfer errichtete. Nach den zahlreichen Verlusten des Zweiten Weltkriegs ist es eines der wenigen Gebäude Dülfers, das noch steht. Von den Theatern ist jenes in Lübeck erhalten. Das Äußere des  Theaters in Duisburg ist einigermaßen erhalten, die Ruine des Theaters in Dortmund wurde abgebrochen. Und obwohl Italien ansonsten einen reichen Bestand an historischen Theatern besitzt, ist es für Südtirol eine Besonderheit.

Renate Abram rollt in dem Buch die Geschichte des Theaterspiels in Meran auf, die weiter zurück reicht als die Eröffnung des Theatergebäudes im November 1900. Dazu zählen das Rosengartentheater, die Gesellenvereinsbühne, die Volksschauspiele mit ihren Freilichtaufführungen und die Theateraufführungen im Kurhaus. Mit der Ausweitung des Kurbetriebs und der Zunahme der auswärtigen Gäste, erstarkte dann der Wunsch nach einem richtigen Theatergebäude. 1894 gründete man ein Theaterkomitee. Die Planungen zogen sich dann hin. Besonders die Standortfrage sorgte für Diskussionen in der Stadt. Die Entwürfe der zugezogenen Architekten sorgten für weitere Diskussionen. Die Bauausführung geschah zügig: vom 1. September 1899 bis zum 25. November 1900. Mit Goethes „Faust“ wurde das Theater am 1. Dezember 1900 eröffnet.

Renate Abram geht dann ausführlich auf den Theaterbetrieb der ersten Jahre ein. Erster Direktor war Karl von Maixdorff, der am Meininger Theater geprägt wurde. Zur Illustration findet man Plakate, Porträts, Skizzen aus dem Inszenierungsbuch, Kostümentwürfe usw. Das Stadttheater wurde mit eigenem Ensemble bespielt. In Gastspielen konnte man Alexander Girardi oder Adele Sandrock sehen. Operetten standen häufig auf dem Spielplan. Leo Aschers Operette „Hoheit tanzt Walzer“ (wir kennen diese Operette heute eher in Oscar Strauss’ Fassung „Ein Walzertraum“) lief erfolgreich. Bis zu 250 Vorstellungen brachte das Theater auf die Bühne, nach Renate Abram ein Rekord in der Donaumonarchie.

Im Ersten Weltkrieg ruhte das Theater. Danach war Spielbeginn erst einmal wieder in einer provisorischen Bühne im kleinen Kurhaussaal. Aus finanziellen Gründen stand sogar eine Fusion mit dem Theater in Bozen im Raum. Ab 1921konnte die Kurverwaltung das Stadttheater wieder betreiben. Wären an den historischen Fotos des Ensembles in der Saison 1925/26 die Bildunterschriften nicht deutsch und italienisch, man würde im Buch gar nicht bemerken, dass irgend etwas passiert sein muss. Es mag für Meraner selbstverständlich sein, dass Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg zu Italien kam, für auswärtige Leser wäre das zumindest eine Erwähnung wert. Ein Einfluss auf das Meraner Stadttheater ist im Buch nicht zu bemerken. Gab es nun Vorstellungen in italienischer Sprache? Auch der Faschismus scheint am Stadttheater spurlos vorübergegangen zu sein. Gab es Assimilierungsversuche? Man erfährt immerhin, dass das Theater 1937 in Teatro Puccini umbenannt wurde und dass Riccardo Zandonai seine Oper "Francesco da Rimini" dirigierte. Für die Nachkriegszeit erfahren wir, dass die Südtiroler Landesbühne das Theater bespielte und von der Landesregierung Subventionen erhielt. Auch hier wären ein paar Worte zur kulturellen Autonomie hilfreich gewesen. Immerhin erfahren wir dazu für die Neuorganisation des Theaters 1978, dass der Verwaltungsrat des Theaters paritätisch von Deutschen und Italienern besetzt wird.

In den 1970er-Jahren wurde das Theater renoviert. Auf die Architektur des Theaters und die Renovierung geht Architekt Willy Gutweniger in einem eigenen Aufsatz ein. Außerdem stellt Raimund Senoner die Biblitohek des Stadttheaters mit ihren historischen Beständen vor.

Den Schluss des Buches bildet ein Bildteil mit Fotos des Theaters. Diese auf schwarzen Grund zu drucken ist effektvoll. Allerdings hätte man sich doch ein paar Bilder mehr gewünscht. Die Details sind sehr schön. Doch wären weitere Raumeindrücke informativ gewesen. Und man hätte im historischen Teil auch ein paar historische Fotos des Baus abbilden können.


Renate Abram

Das Meraner Stadttheater

[Hrsg. Meraner Stadttheaterverein]
Meran 1989
123 S., zahlr. Ill.

Text deutsch

Bezug: Kurhaus Meran

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Filmbesprechung: „Frühling in Paris“ (Seize Printemps) von Suzanne Lindon