Buchbesprechung: Hofteatret i tiden 1767-2017 – Hoftheater und Theatermuseum in Kopenhagen

250 Jahre Hoftheater in Schloss Christiansborg 

– Ein Buch von Peter Christensen Teilmann geht im Theatermuseum im Hoftheater in Kopenhagen auf Spurensuche – 

von Klaus J. Loderer 

Eine Tafel erinnert am prunkvollen Pferdestall von Schloss Christiansborg in Kopenhagen an den Brand vom 26. Februar 1794, als das barocke Schloss in Schutt und Asche gelegt wurde. Nur das Stallgebäude mit dem Hoftheater, die Reithalle und die geschwungenen Flügel seitlich des Tors blieben stehen. Es war nicht der erste Brand und nicht der letzte. Nicht einmal hundert Jahre später wurde der klassizistische Neubau ein Raub der Flammen. Wieder blieb das Theater verschont. So ist das Schloss heute trotz vermeintlich barocker Formen ein Bau des frühen 20. Jahrhunderts. Aber im Seitenflügel hat sich nach wie vor ein Theater des 18. Jahrhunderts erhalten.

1733-1736 entstand unter König Christian VI. Schloss Christiansburg an der Stelle eines Vorgängerbaus, der auf eine mittelalterliche Burg zurückging. 1746 wurde der Bau durch weitere Flügel ergänzt, die eine großzügige Reitbahn umschlossen. Stallgebäude und Reithalle begrenzten diesen Hof seitlich. Über den Stallungen ließ König Christian VII. 1767 ein Hoftheater einrichten. Unter König Christian VIII. fand eine Modernisierung des Theaters statt. Dieser Zustand mit klassizistischen Logenbrüstungen und rotem Stoff ist noch heute sichtbar. 1881 wurde das Theater aus Brandschutzgründen geschlossen.

Ein Theatermuseum entstand in Kopenhagen 1912 durch einen privaten Kreis. 1922 zog es in das ehemalige Hoftheater, um diesem eine neue Nutzung zu geben. Museumsdirektor Peter Christensen Teilmann hat zum 250jährigen Jubiläum des Theaters ein Buch verfasst, in dem er Theater und Museum vorstellt. Ein Museumsführer ist das nicht, eher ein Erlebnisbuch zur Spurensuche im alten Theater. Als würde er im eigenen Museum auf Entdeckungsreise gehen, führt der Museumsdirektor in dem schön gemachten Buch durch die Sammlung.

Wir lernen das Hoftheater im Buch durch eine doppelseitige Rekonstruktionszeichnung kennen. Sie zeigt einen farbigen Längsschnitt durch das Theater im Erstzustand von 1767. Wir sehen ein Logentheater mit ionischen Säulen. Weiß und Gold von Brüstungen und Säulen kontrastiert mit der hellblauen Wand. Die königliche Loge im Proszenium ist mit roter Wandbespannung und roten Vorhängen hervorgehoben. Und dann sehen wir, wie daraus ein Rekonstruktionsmodell wird. Der Bühnenbildner Christian Tom-Petersen hat zum Jubiläum ein Modell im Maßstab 1:30 angefertigt, das im Vorraum der Mittelloge aufgestellt wurde. Im Buch sehen wir auf den nächsten Seiten das Werden des Modells, in dem man nicht nur den Zuschauerraum sondern auch ein Bühnenbild und die Bühnenmaschinerie betrachten kann.

Und dann werden wir durch ganz ungewöhnliche Details an das Hoftheaer herangeführt. Wir werden an den königlichen Leibarzt Graf Struensee erinnert, der nach einem Maskenball verhaftet und zusammen mit dem Theaterdirektor hingerichtet wurde. Wir sehen den Hinweis auf eine Ausstellung des Museums, unterlegt mit einem Notenblatt: „Graf Struense letzter Tanz mit der Königin Mathilda“. Wir können Zeitungsberichte über eine Modenschau im Hoftheater 1970 lesen. Und man zeigt uns den Besetzungszettel des Balletts „Armida“. Dann geht es mittels der Bilder in die historische Maschinerie der Bühne. Und dann sehen wir den Zuschauerraum heute. Das Bild ist von der Bühne aus aufgenommen. Ein Kostüm steht so auf der Bühne, als würde gerade die Primadonna singen. Wir schauen in Richtung Mittelloge. Aus dem Lageplan links erfahren wir, dass die Mittelloge von König Frederik VII. belegt wurde, während König Christian VIII. die linke Proszeniumsloge benutzte. Am 11. März 1842 wurde die Oper „Norma“ von Bellini aufgeführt. Und dann lernen wir einen ungewöhnlichen Raum kennen: eine Toilette, nicht eine Toilette, die königliche. Dieses Plumpsklo wurde 1842 unter der königlichen Loge eingebaut.

So werden wir nach und nach vom Autor durch das Theater geführt. Das geschieht nicht trocken, sondern mit einer bunten Bildkollage. Die Mittelloge darf nicht fehlen, die bemalte Decke der Bühne, der Aufgang für das Publikum ...

Alte Schwarz-Weiß-Fotos zeigen, wie das Museum früher eingerichtet war, die Wände dicht behangen mit unzähligen Bildern. Dann geht es durch die Sammlungsbestände. Der Autor fischt einige Spezialbestände heraus, wie die Sammlungen für Tonaufnahmen, Theaterplakate, Porzellanfiguren mit Theatermotiven, Porträts, Karikaturen, Büsten, Kostüme und Bühnenbildmodelle. Der Museumsdirektor zeigt uns aber auch, wie man dieses Museum auch beleben kann, z.B. mit einem festlichen Bankett und mit Kinderprogrammen. Und dann geht es noch um Patina, um historische Kritzeleien auf Wänden und Brüstungen, um abgeblätterte Farbe, um abgeblätterte Tapeten. Das Haus hat seine Geschichte und man kann ihre Schichten entdecken.


Peter Christensen Teilmann

Hofteatret i tiden
1767-2017
[Hoftheater in der Zeit]

Teatermuset i Hofteatret
København
1. Aufl. 2017
ISBN 978-87-92134-15-8
130 S., zahlr. Ill.

Text: dänisch

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