Verdis „Messa da Requiem“ szenisch – Staatsoper Hamburg – 2018

Durch das Raster ins Licht 

– Calixto Bieito inszeniert Verdis „Messa da Requiem“ an der Staatsoper Hamburg – 

von Klaus J. Loderer


Nett ist diese Musik nicht. Zwar von Verdi aber nicht so weich und fließend wie seine populären Arien. Nett ist die Musik im Monumentalwerk „Messa da Requiem“ wirklich nicht. Hart lässt Kevin John Edusei das Philharmonische Staatsorchester spielen. So brutal die Trommel wettert, so brutal benehmen sich die Menschen auf der Bühne. Insofern ist die „Messa da Requiem“ vordergründig das Idealstück für den Regisseur Calixto Bieito. Zwei Paare führt er uns vor, zwei Paare mit ihren Beziehungskisten oder mit ihrer Unfähigkeit, eine solche zu haben. Eine Frau zappelt verhaltensgestört herum (man leidet mit ihrem Mann), bis ihr Mann ihr eine wischt. Dann gibt es auch noch Kinder. Die sind dann plötzlich tot, was wohl als Familiendrama erscheinen soll. Dass alle irgendwie traumatisiert sind, ist eben die gerade übliche Modepsychose auf der Bühne. Die Kostüme von Anja Rabes sind belanglose aus der Mode gekommene Alltagskleidung der Gegenwart.

Dmytro Popov, Nadezhda Karyazina, Maria Bengtsson, Gábor Bretz und der Chor der Hamburgischen Staatsoper
Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Aber dem Regisseur gelingen starke Momente – und zwar mit dem Chor. Wie dieser sich ballt und bedrohlich die Frau bedrängt, das ist eindrücklich. Da hält man erschüttert den Atem an. Äußerst exakt ist die Arbeit Bieitos mit dem Chor. Der spielt mit und schafft die passenden Stimmungsbilder zur Musik. Daneben singt der Chor der Staatsoper Hamburg exakt und akzentuiert.

Das Bühnenbild schafft einige eindrucksvolle Bilder, besonders in Ergänzung mit der interessanten Lichtgestaltung von Franck Evin. Wenn die ganze Bühne einerseits geschlossen ist mit einem großen Raster, andererseits von hinten farbiges Licht durchscheint, wenn Gegenlicht durch mehrere Schichten dieses Rasters durchblitzt, dann sind das großartige Effekte. Phasen des Lebens? Phasen des Übergangs vom Leben zum Tod, in die Ewigkeit? Erst wenn die an überdimensionale Regale erinnernde Bühnenelemente verschoben werden und längsgestellt Gassen bilden, bemerkt man deren große Tiefe. Ein striktes Quadratraster hat Bühnenbildnerin Susanne Gschwender (die gerade in einer Art Hochregallagerphase zu sein scheint) für dieses Regal gewählt, durch das der Chor manchmal durchkrabbelt oder an dem sich die Frau im gelben Kleid einmal anhängt. Man fühlt sich an den Friedhof auf dem Montjuic oder an italienische Friedhöfe erinnert mit diesen endlosen und hohen Regalen, geschlossen mit Marmorplatten oder offen für einen Sarg bereit. Was nun wiederum zu einer Totenmesse wie dem Requiem für Manzoni gut passt. Am Ende neigt sich die Rückwand bis sie am Boden liegt. Menschen steigen hinein. Wie aus Grabkammern steigen sie dann heraus, ihre wehenden Arme wie gestische Hilferufe, wie die wilden Bewegungen auf Darstellungen des jüngsten Gerichts. Auch das passt gut zu einem Text, in dem die Menschen um Erlösung flehen.

Maria Bengtsson weist eine beachtliche Höhe auf und meistert ihre Rolle gut. Mezzosopran Nadezhda Karyazina leider mit starkem Vibrato. Tenor Dmytro Popov erfreut nicht wirklich in dieser Partie und scheint überfordert. Dagegen singt Bass Bábor Bretz unaufgeregt mit sicherem Fundament.

Besuchte Vorstellung: 27. März 2018
(6. Vorstellung seit der Premiere am 11. März 2018)
Hamburgisches Staatsoper

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