Opernkritik: Monteverdis „Die Krönung der Poppea“ – Nationaltheater Mannheim – 2018

Vergiftete Seelen 

Monteverdis „Die Krönung der Poppea“ im Nationaltheater Mannheim 

von Matthias Woehl

Es ist schon erstaunlich, dass „Die Krönung der Poppea“ gerne so harmlos, fast belustigend dargestellt wird. Wenn man sich mit Kaiser Nero oder auch Poppea beschäftigt, dann wird einem ganz übel, denn das waren nun alles andere als reizende Zeitgenossen. Zudem finde ich immer wieder faszinierend, wie allgemeingültig die Beziehungsgeflechte der Personen von Librettist  Giovanni Francesco Busenello angelegt sind und immer noch auf die heutige Zeit, immerhin fast 400 Jahre später, übertragbar sind. Machtgeilheit, Gier, Mord, Geld, Verführung aus niederen Beweggründen. Wie auch heutzutage wird aus vielen Gründen „angeblich“ geliebt, nur nicht aus Liebe. 

„Krönung der Poppea“ am Nationaltheater Mannheim: Bartosz Urbanowicz, Magnus Staveland, Alphabet-Chor und Il gusto barocco
Copyright: Christian Kleiner

Regisseur Lorenzo Fioroni hat sich offensichtlich mit den historischen Figuren, als auch mit der Zeit, in der sie lebten, auseinandergesetzt. Er hält das Stück für zeitlos und somit ist die Zeit, in der seine Inszenierung spielt, nicht wirklich auszumachen. Seine „Krönung der Poppea“ wird in einer nach Unwettern überfluteten Stadt gegeben. Wasser ist auf der von Paul Zoller eingerichteten Bühne, Nebel wabert umher, es regnet in einer Szene und die Ausleuchtung wird von Franck Evin düster effektvoll gestaltet. Das ist ideal für die niederträchtigen Vorgänge in der Geschichte. Lorenzo Fioroni verstärkt manche Dinge auf vielleicht fast ekelhafte Weise. Aber wie stellt man einen Kaiser dar, der seine eigene Mutter umbringt und ebenso seinen engen Vertrauten Seneca, nur weil es ihm in den „Kram“ passte? Das ist ekelhaft, verwerflich, das muss man nicht mit hübschen bunten Kostümen und mit Slapstick darstellen. Sein Nero ist eben ein brutaler Machthaber, der mordet und morden lässt, seine Poppea ist die Schlange, die unbedingt an die Seite des mächtigen Kaisers will, dafür auch alles tut, seine Cornelia ist die verstoßene Ehefrau, die ihre Gegenspielerin ermorden lassen möchte, usw. Endlich versteht ein Regisseur mal wieder, solche verkorksten Seelen auch verkorkst darzustellen. Die Einzige in der Oper, die wirklich selbstlos liebt, ist Drusilla. Aber Ottone, den sie so liebt, nimmt sie doch nur als zweite Wahl und zum Schluss, nachdem sie sich für ihren Geliebten fast geopfert hätte, bleibt er nur bei ihr, weil er enterbt, sie aber mit Reichtümern für ihre Opferungsbereitschaft belohnt wurde. Dass sie der Drogensucht verfällt, ist doch selbst heutzutage nachvollziehbar. Die Bilder sind manchmal drastisch, manchmal ekelhaft, haben aber einen eher verstärkenden Effekt für die Vorgänge. Zu Anfang verstand ich nicht, warum man den Toten, die Mutter von Nero, Agrippina, und Seneca  die Innereien entnimmt, die von Seneca sogar dann in Papier einwickelt und in Kästchen verpackt. Doch nach der Lektüre des Programmheftes war auch das nachvollziehbar und ich hätte auch selbst darauf kommen können. Es entstehen immer neue Bilder, manche grauenvoll, manche sinnlich schön, und immer wieder stockt einem der Atem, wie z.B. als Nero nach dem Schlussduett auch Amor erwürgt. Wer Neros Biographie liest, versteht das, denn Nero bleibt im „echten Leben“ keineswegs mit Poppea zusammen, noch vor der Geburt des zweiten Kindes tritt er ihr das Kind im Bauch tot und daran stirbt Poppea.

Musikalisch ist der Abend ebenfalls herausragend. Jörg Halubek dirigiert auf großartige Weise das Orchester Il Gusto Barocco, und ist auch für musikalische Ergänzungen aus der Zeit Monteverdis verantwortlich, die auf geschmackvolle Weise eingefügt sind. Großartig Nikola Hillebrand als listige Poppea. Sie verfügt über eine wunderschöne Stimme, sauber geführt, mit satter Höhe und reinen Koloraturen. Ihr ebenbürtig Magnus Stoveland  als Nero, und beide beweisen, dass man hervorragend singen, dabei aber auch darstellerisch überragend sein kann. Marie Belle-Sandis ist stimmlich leider keine Ottavia (mehr). Ihre Stimme ist für die Feinheiten des Barockgesangs nicht mehr „sauber“ genug, sie spricht nur noch bei lauten Fortetönen an, jedoch ist sie darstellerisch eine großartig leidende, verstoßene Kaiserin. Julia Fayenbogen enttäuscht als Nutrice, ihre Partie ist zu Teilen nur gesprochen, und sie trägt nicht einmal mehr über ein kleines Barockorchester. Großartig hingegen Amelia Scicolone als Drusilla. Sie singt feine Koloraturen, und spielt eine herzzerreißend Liebende. Herrlich ebenfalls der Countertenor Terry Wey als Ottone. Überzeugend auch Uwe Eikötter als Arnalta.

Lange habe ich keinen so überzeugenden Opernabend mehr erlebt, der musikalisch als auch inszenatorisch noch lange nachwirken wird.

Besuchte Vorstellung: 28. April 2018
(Premiere 12. April 2018)
Nationaltheater Mannheim

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