Opernkritik: Puccinis „La Bohème“ – Teatro la Fenice Venedig – 2018

Paris, Paris, Paris 

Francesco Michelis üppige Inszenierung von Puccinis „La Bohème“ wieder am Teatro la Fenice in Venedig 

von Klaus J. Loderer

Üppig ist die Inszenierung von Francesco Micheli von „La Bohème“ in Venedig. Das Teatro la Fenice hat die Produktion von 2011 wieder in den Spielplan genommen. Stefania Panigini hat sie neu einstudiert. Eduardo Sanchi entfaltet in seinem Bühnenbild ein ganzes Paris-Panorama. Auf einem Gazevorhang ist eine Art Jugendstileisenkonstruktion angedeutet, romantisch nachvollzogen mit kleinen Lämpchen. Darauf erkennt man den Eifelturm und andere Pariser Gebäude. Ein zweiter Gazevorhang zeigt einen großen Vollmond und in nächtliches Blau getaucht die typischen Dächer und Schornsteine von Paris und führt uns gleich in die Höhe der Mansarden. Zuerst schemenhaft sieht man dahinter einen Ofen, ein Bett, ein Klavier, einen Sessel etc. Noch während der Schlussakkorde des ersten Akts wandelt sich die Bühne.

Generalprobe „La Bohème“ am Teatro la Fenice in Venedig – erster Akt
Foto: Michele Crosera

Als farbenfrohe Revue mit kurzweiligen und schnellen Bildwechseln ist der zweite Akt gestaltet. Sind im Hintergrund zuerst Silhouetten von Häusern sichtbar, treten schon bald Baukörper hervor, an deren Brandmauern großformatige Werbung zu sehen ist, für Absinth, für das Café Momus (vor dem der Akt ja spielt) und für die Folies Bergère, wo sich auf einer Wendeltreppe deren Showgirls tummeln. In diese integriert sich alsbald Musetta, andeutend, dass sie wohl auch einmal dazu gehörte. Zur Parade mit Federdekoration in französischen Farben (die Kostüme der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg entwarf Sivlia Aymonino) fehlt eigentlich nur noch ein Cancan.

Generalprobe „La Bohème“ am Teatro la Fenice in Venedig – zweiter Akt
Foto: Michele Crosera

Stimmungsvoll winterlich ist das Bühnenbild für den dritten Akt – auch ein schönes Bild. Wieder die Haussilhouetten im Hintergrund, ein kahler Baum und eine Bank rechts, ein Postenwärterhäuschen, eine Schranke und links ein Gasthaus, das gedreht die Innenräume zeigt.

Die Inszenierung überzeugt bis zur offenen Verwandlung zum vierten Akt. Da werden die Häuschen rausgefahren und die Möbel für den vierten Akt hereingetragen. Man schaut den Bühnenarbeitern zu. Das wirkt ziemlich verunglückt. Man hätte besser den Vorhang geschlossen, dazu besitzt ein Theater einen solchen.

In der besuchten Vorstellung dirigiert Francesco Lanzillotta leidenschaftlich das Orchestra del Teatro la Fenice. In der Rolle des Rodolfo ist der junge peruanische Tenor Ivan Ayon Rivas zu hören, der sich gerne hinstellt und eine Arie schmettert, bei dem man sich aber gerne mehr Feinheiten wünschen würde. Die italienische Sopranistin Selene Zanetti überzeugt nicht ganz als Mimi, da man ihr die Zerbrechlichkeit einfach nicht abnimmt. Ihr Gesang zeugt aber von sicherer Höhe. Etwas schrill ist die Musetta von Irina Dubrovskaya. Sehr gut Julian Kim als Marcello, William Corrò als Schaunard und Francesco Milanese als Colline.

Besuchte Vorstellung: 22. März 2018
(Premiere 2011, Wiederaufnahme 16. März 2018))
Teatro la Fenice, Venedig

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