Filmbesprechung: „The Death of Stalin“ von Armando Iannucci

Wenn man über Massenmörder kichert 

Makabre Filmkomödie "Death of Stalin" über machtgierige und kriecherische Proleten des britischen Komikers und Regisseurs Armando Iannucci 

von Klaus J. Loderer

Darf man über Massenmörder lachen? Vor einigen Tagen kam eine makabre Filmkomödie des britischen Komikers und Regisseurs Armando Iannucci in die deutschen Kinos, die im Vorfeld dadurch für Schlagzeilen sorgte, dass der Film in Russland nicht gezeigt werden durfte. Die „Helden“ der Sowjetunion kommen in dem Film auch gar nicht gut weg. Man kichert über die banale Proletenhaftigkeit und Dummheit der politischen Führung der Sowjetunion und ist entsetzt über ihre Niedertracht. Doch das Lachen bleibt einem öfters im Halse stecken, wenn mal wieder so ganz beiläufig ein paar Menschen liquidiert werden. Und in diesem Film werden viele Menschen liquidiert, schließlich geht es um Stalin – und der ließ eifrig morden. Aber auch den Mächtigen geht es hier an den Kragen und wir werden im Film schnell eingestimmt auf eine Stimmung des Misstrauens und der Angst. Wenn der Direktor der Radioanstalt einmal lustig ruft: „Keine Angst, es wird keiner umgebracht“ dann ahnt man, dass die Leute genau das befürchten könnten. Denn Stalin hat gerade anrufen lassen und sich eine Aufnahme des gerade im Radio übertragenen Konzerts erbeten. Da das Konzert aber nicht aufgezeichnet wurde, muss es nun unter grotesken Umständen nachgestellt werden. In einer genialen Parallelhandlung erleben wir nun ein Saufgelage Stalins mit dem Zentralkomitee, die groteske Vorbereitung auf eine Wiederholung des Konzerts und eine Verhaftungswelle, in die die Herbeischaffung eines Dirigenten in den Konzertsaal eingebunden ist. Kultur und Barbarei prallen hier eng aufeinander.

In die Plattenhülle schmuggelt die Pianistin einen Zettel ein, bei dessen Lesen Stalin einen Schlaganfall erleidet. Dieser Filmanfang könnte in zwei Richtungen gehen. Man könnte der ermordeten Familie der Pianistin nachspüren und dem Zuschauer Betroffenheit abfordern. Natürlich wählt der als Komiker bekannte Regisseur Armando Iannucci, der auch am auf einem französischen Comic basierenden Drehbuch mitgearbeitet hat, einen anderen Weg. Er bastelt daraus eine Komödie, obwohl dieser Anfang eigentlich keine Basis für eine solche ist. Wir bedauern keinen Augenblick, dass Stalin da drin liegt und ihm nicht geholfen wird, weil die beiden Wachen vor der Tür Angst haben, ihn zu stören. Die Angst der Soldaten, für eine Störung erschossen zu werden, ist so groß, dass sie lieber nicht gehört haben, dass da etwas oder jemand hingefallen ist. So geht es geradezu weiter. Auch die Mitglieder des Zentralkomitees sind am nächsten Morgen so gelähmt vor Angst, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, einen Arzt zu holen. Erst das komplett versammelte Zentralkomitee beschließt, dass man einen Arzt benötigt. Aber das ist gar nicht so leicht. Denn da man die Ärzte gerade wegen einer angeblichen Verschwörung liquidiert hat, kann man nur Stümper herbeischaffen. Nur Chefterrorist Beria wird sofort aktiv (als feister aber intelligenter und besonders sadistischer Bösewicht Simon Russell Beale). Er ist als erster in der Datscha. Statt dem in einer Urinlache liegenden Stalin zu helfen, schafft er aber nur Akten zur Seite. Besonders der Machtkampf zwischen den nach der Macht gierenden Beria und Chruschtschow (Steve Buscemi) macht den weiteren Film spannend. Stalins Nachfolger Malenkow (Jeffrey Tambor) wird als Depp und Lusche dargestellt, der als billige Stalinkopie nur mit der eigenen Eitelkeit beschäftigt ist. Für nette Pointen sorgt Marschall Schukow (Jason Isaacs): „Gütiger Gott, hat Coco Chanel Dir auf den Schädel geschissen?“ sagt er einmal zu Malenkow. „Nein, hat er nicht,“ antwortet dieser. 

Darf man über Massenmörder lachen? Wenn ein Film so mit britischem Humor gewürzt ist, dann muss man einfach lachen – da ist Armando Iannucci eine köstliche Komödie gelungen.


The Death of Stalin

England, Frankreich 2017
Regie: Armando Iannucci
Concorde Filmverleih

106 Minuten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Filmbesprechung: „Frühling in Paris“ (Seize Printemps) von Suzanne Lindon

Vor 111 Jahren eröffnet: das „Alte Schauspielhaus“ in Stuttgart war Sprechbühne und Operettentheater