Szenisches Barockoratorium: „Jephtha“ von Georg Friedrich Händel – Staatstheater Wiesbaden – 2018
Keine Erlösung
Stark gekürzt: Händels Oratorium „Jephtha“ am Staatstheater Wiesbaden
von Klaus J. Loderer
Mit der Bildsprache
Achim Freyers ist das so eine Sache. Sie wirkt heute irgendwie wie aus der Zeit
gefallen. In den 1980er Jahren lernte ich erste Arbeiten von ihm in Stuttgart
kennen, den legendären „Freischütz“ von 1980, immer noch eine Kultinszenierung,
und „Iphigenie auf Tauris“ von 1984. „Freischütz“ fand ich skuril überzogen und
witzig, „Iphigenie“ eine ungewohnt derb gepinselte Bildsprache. Achim Freyer
ist immer noch in Theatern tätig und illustriert Stücke wie Skizzenbücher. Von
Regiearbeiten kann man nicht unbedingt sprechen, denn Handlungen zeigt er nicht
mehr, eher davon, dass er Opern in die ihm eigene, oft ziemlich statische
Bilderwelt versetzt. So geschah das auch in Wiesbaden mit Händels Oratorium „Jephtha“.
Auch Personen oder gar Charaktere interessieren Freyer nicht – die Mitwirkenden
als eigenständige Menschen schon gar nicht. Um dies zu unterstreichen setzt er
den Sängern oft Masken auf und lässt Puppen spielen. Darauf hat er in Wiesbaden
glücklicherweise verzichtet. Die Gesichter der Personen sind aber maskenhaft
übermalt, fratzenhaft überpinselt, und am Hinterkopf janusköpfig mit einem
weiteren Gesicht versehen. Auch Freyers Kostüme sind stark stilisiert und
bemalt, ebenso wie der steil ansteigende Fußboden und die Hintergrundbilder
abstrakte schwarze Malerei auf weißem Grund zeigen. Im Programmheft kann man
nachlesen, welch aufwendiger künstlerischer Weg nötig war für diese Bildmotive.
In Wiesbaden sehen wir
die drei männlichen Sänger knapp über dem Orchestergraben auf Podeste gestellt.
Da stehen sie, singen gelegentlich und gestikulieren manchmal. Das mag man
assoziieren mit den Heiligen auf barocken Hochaltären und ihren großen Gesten.
Wird im Text Wind erwähnt, fuchteln sie kreisförmig, das scheint System zu
haben. Als einziges Requisit haben sie einen langen Stab, die sie in eine
Vorrichtung stecken können um sich daran festzuhalten oder sie fuchteln auch
damit herum. Dieser Stab mag ein Schwert sein, schließlich geht es in „Jephtha“
ja um einen Krieg. Später schweben die drei Stäbe leuchtend oben im
Bühnenhimmel. Weiter hinten stehen die beiden Sängerinnen. Der Chor ist hinter
einer Art niedriger Wand versteckt – nur die Köpfe gucken hervor – und später
gar nicht mehr zu sehen. Zweimal fährt eine Art Fels langsam über die Bühne.
Händels „Jephtha“ am Hessisches Staatstheater Wiesbaden Foto: Karl & Monika Forster |
Jephtas Stab ist rot
und sein weißes Gewand ist rot beklekst, so wissen wir gleich plakativ, er ist
Soldat (er schwärmt ja im Text auch davon, wie viele Feinde er geschlachtet
hat). Jephtha hat sich von seinem Halbbruder (das ist der auf dem Podest rechts
– Zebul) zusichern lassen, dass er nach siegreicher Schlacht auch noch
herrschen darf. Der politischen Karriere steht nun eigentlich nichts mehr
entgegen, er hat sie aber mit einem etwas ungeschickten Gelübde erkauft. Er hat
Gott nämlich ein Opfer versprochen, nämlich das Erste, was ihm nach seiner
Rückkehr aus seinem Haus entgegenkommt. Solch Anmaßung wird in der Mythologie
natürlich bestraft. Wie in Idomeneo ist die Götterwelt nicht so nett und
schickt dem übermütigen Feldherrn sein Kind entgegen, so begegnet in diesem
jüdischem Mythos Jephta seiner Tochter Iphis. Nun hätte Jephtha skrupellos
jeden anderen Menschen scheinheilig gemeuchelt, um das Opfer zu erbringen –
seine Frau beschimpft ihn nicht zu Unrecht als Mörder – aber nun ist die Sache
komplizierter. Eigentlich löst Händels Oratorium die Sache elegant mit einem
Engel, der Jephtha vom Gelübde entbindet, aber das fand das Produktionsteam
laut Programmheft zu christlich. So streicht man mit dem Engel gleich einen großen
Teil des dritten Akts. In der Bibel (Buch der Richter, Kapitel 11) vollzieht
Jephthah, wie er in der Luther-Übersetzung heißt, das Opfer an seiner nicht
benannten Tochter.
Eigentlich schade um
den dritten Akt. Denn Händel hat insgesamt eine schöne Musik komponiert. Im
Gegensatz zu den italienischen Opern Händels mit dem Schwerpunkt auf Rezitativ
und Arie leben seine Oratorien von einem spannenden Wechselspiel von Arien,
Duetten, Orchester- und Chorszenen. Konrad Junghänel dirigiert mit Spannung.
Das Hessische Staatsorchester klingt allerdings leider öfters unsauber und
unkonzentriert. Feinfühlig geht Tenor Mirko Roschkowski die Rolle des Jephtha
an. Man freut sich am Countertenor Terry Wey als sein künftiger Schwiegersohn
Hamor. Anna Alàs i Jové gibt der Storgè Charakter. Gloria Rehm ist als Iphis
leider etwas schrill. Solide ist Wolf Matthias Friedrich als Zebul.
Statt einer deutschen
Übertitelungen hätte man natürlich auch in deutscher Sprache singen
können. Librettist Thomas Modell hat den Text in englischer Sprache geschrieben, damit das
englische Publikum ihn versteht, genau deshalb wäre es trotz aller Liebe zur
Originalsprachlichkeit durchaus angebracht, das Werk in deutscher Übersetzung
aufzuführen, damit das Publikum nicht die ganze Zeit auf die Übertitelung zu
starren braucht.
Besuchte Vorstellung:
10. Februar 2018
(Premiere 4. Februar
2018)
Hessisches Staatstheater
Wiesbaden, Großes Haus
Ausführlicher auf die Sänger geht Matthias Woehl in seiner Besprechung ein
Ausführlicher auf die Sänger geht Matthias Woehl in seiner Besprechung ein
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