Premierenkritik: „Alcina“ eröffnet 41. Internationale Händelfestspiele Karlsruhe – Badisches Staatstheater – 2018
Alcina verzaubert alle
Jubelstürme bei der Premiere zu Händels Oper „Alcina“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe
– von Klaus J. Loderer –
Sie verzaubert alle, diese „Alcina“. Zum Felsblock
versteinert ist das Publikum im Badischen Staatstheater Karlsruhe und schaut
gebannt auf die Bühne. Bis es am Ende zum tosenden Meer wird und mit
Beifallsstürmen die Premiere feiert. Irgendwie ist die Produktion zauberhaft
und nimmt gefangen. Doch wir werden nicht mit Bühnenprunk geblendet sondern mit
Schlichtheit gefangen genommen und in eine sinnliche Welt entführt. Dabei hat
sicherlich die Gestaltung des Lichts durch Macmoc Design einen maßgeblichen
Anteil. Es strahlt manchmal sanft von hinten durch die einen dichten Wald
bildenden, von der Decke hängenden Stoffschläuche, die den Durchgang zwischen
den beiden Wänden, die den Spielraum einfassen, schließen und doch auf
mystische Weise den Eingang zum Palast der Zauberin Alcina öffnen. Das Licht
scheint zu Anfang warm auf die beiden Wände, deren linke mit steiler Spitze
Richtung Zuschauerraum sticht und goldene Flitter darauf glänzen lässt. Doch
was sind diese Flecken auf den Wänden und auf dem Boden? Sind sie die
abgeblätterten Reste alten Glanzes? Oder zeigen sie uns die geheime Landkarte
dieses Inselreichs? Die Bühnenbildner Emily Macdonald und Cameron Mock von
Macmoc Design geben uns kleine Rätsel auf. Gerade so sichtbar ziehen Wolken auf
diesen Wänden hin, dezente Projektionen mit Meereswellen, die andreuten, dass
wir auf einer Insel sind, und später mit Herden von Tieren (Videos Adam
Larsen). Das soll auf die verzauberten Exliebhaber von Alcina hinweisen. Meint
man in den ersten Teilen, dass diese die Handlung auf dezente Weise
bebildernden Projektionen eben Illustrationen sein sollen, werden sie am Ende
als Teil der Zauberkunst Alcinas entlarft. Doch es ist nicht Zauberei, es sind
Zaubertricks. Ruggiero entdeckt den Filmprojektor, der den Beteiligten und uns
diese Zauberwelt und auch die Schönheit Alcinas vorgaukelt und zerstört ihn
schließlich. Das Licht ist inzwischen hart geworden und holt uns in eine kalte
Wirklichkeit.
Staatstheater Karlsruhe: Layla Claire (Alcina), David Hansen (Ruggiero), Statisterie
Foto: Falk von Traubenberg
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Und noch ein Zauber. Ich bin am Ende jeden Aktes überrascht,
dass er schon zu Ende ist. So kurzweilig kommt mir diese Aufführung vor – und
das bei eine Gesamtspieldauer von mehr als vier Stunden (einschließlich zweier
Pausen). Das liegt an der fein akzentuierten musikalischen Leitung von Andreas
Spering und an der exakten und differenzierten Spielweise der Deutschen
Händel-Solisten. Sie bringen die Leidenschaft einer Barockoper mit den von
Händel in die Musik gelegten Gefühlswelten zum Klingen.
Die Kurzweiligkeit liegt aber auch an der Inszenierung des
amerikanischen Regisseurs James Darrah, der mit „Alcina“ erstmals in
Deutschland Regie führt. Seine Regie ist unaufgeregt aber nicht langweilig. Sie
ist schlicht und konzentriert unseren Blick. Alcina hebt Darrah durch
stilisierte Bewegungen von den sich normal bewegenden Menschen ab. Sie wird
begleitet von einem Gefolge, das sie wie eine Schleppe nachzieht, das sie wie
eine Wolke umschwebt und mit tänzerischen Bewegungen die Bühne einnimmt. Eine
schöne Symbolisierung ihrer Geister. Auch ihr Geliebter Ruggiero gehört im
ersten Akt zur stilisierten Welt der Alcina. Sein Erzieher löst ihn im zweiten
Akt aus diesem Bereich heraus. Die Zugehörigkeit Ruggieros verdeutlicht seine
Kleidung: Chrisi
Karvonides-Dushenko kleidet ihn im ersten Akt in einen prunkvollen Mantel, im
zweiten Akt rennt er in Hemd und Hose herum und im dritten Teil hat er die
Uniform aus alten Zeiten an. So erkennen wir die stückweise Entfremdung von
Alcina, von der er am Anfang gegenüber Bradamante in der Übertitelung als
„Traumfrau“ schwärmt. Bradamante ist dummerweise seine Frau, die sich
allerdings als ihr Bruder Ricciardo verkleidet hat. „Zwillingsbruder“
verdeutlicht die Übertitelung, für die übrigens Dramaturg Boris Kehrmann eine
neue Übersetzung angefertigt hat, die einige stilistische Besonderheiten des
italienischen Orginals überträgt, wie die Wechselreime von Oronte.
Und für den Zauber der Aufführung hat natürlich das
erstklassig besetzte Sängerensemble einen herausragenden Teil beigetragen. Es
wurde schon jede Arie mit großem Beifall belohnt. Beim Schlussapplaus war das
Publikum nicht mehr zu halten. Layla Claire ist eine elegante Alcina, deren
schöner Gesang mit atemberaubenden Kolloraturen besticht. Aber sie bleibt fein
in der Stimme, gibt sich zurückhaltend und erliegt nicht der Versuchung, mit
den Arienschlüsse durch Effekthascherei um Publikumsgunst zu buhlen. Das könnte
man Countertenor David Hansen in der Rolle des Ruggiero unterstellen, wobei er
das doch gar nicht nötig hätte, da er alle stimmlichen Voraussetzungen für
diese schwierige Partie mitbringt. Erfreulich ist die betörende und warme
Stimme von Aleksandra Kubas-Kruk als Alcinas Schwester Morgana. Leider hatte
Benedetta Mazzucato als Bradamante das Pech, dass ihre Hauptarie im stürmisch
aufgedrehten Orchester etwas unterging. Hervorragend die Sopranistin Carina
Schmieger als Knabe Oberto. Ebenfalls stimmlich gut Alexey Neklyudov als Oronte
und Nicholas Brownlee als Melisso.
Besuchte Vorstellung: Premiere 16. Februar 2018
Badisches Staatstheater Karlsruhe, großes Haus
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