Operettenkritik: „Viktoria und ihr Husar“ von Paul Abraham – Staatstheater am Gärtnerplatz – 2018
„Nach der heißgeliebten Heimat immer es mich zieht“
– Paul Abrahams Operette „Viktoria und ihr Husar“ am Gärtnerplatztheater in München –
von Klaus J. Loderer
„Viktoria und ihr Husar“ ist eines der Stücke, bei dem,
abgesehen von einer Schulklasse, große Teile des Publikums im
Gärtnerplatztheater die meisten Musiknummern mitsingen könnten und sie
eventuell sogar mitsummen. Und obwohl ich diese Operette noch nie im Theater
gesehen habe, erkenne ich fast alle Melodien. „Meine Mama war aus Yokohama“ und
„Mausi, süß warst du heute Nacht“ sind zwei der lustigen Nummern, „Reich mir zum
Abschied noch einmal die Hände“ eine der rührseligen. „Viktoria und ihr Husar“
ist die Operette, mit der Paul Abraham in Deutschland berühmt wurde. Am 21.
Februar 1930 in Budapest uraufgeführt, hatte sie am 7. Juli 1930 in Leipzig
ihre deutsche Erstaufführung und lockte kurze Zeit darauf das Berliner
Publikum. Die Produktion des Gärtnerplatztheaters im Prinzregententheater von
2016 ist nun in das renovierte Stammhaus umgezogen und hatte dort am 27. Januar
Spielzeitpremiere.
Genauso international wie das Bühnenpersonal sind die
Handlungsorte dieser Operette: Sibirien, Tokio, Sankt Petersburg und Ungarn.
Eigentlich eine absurde Geschiche: Ein ungarischer Husar findet seine einstige
Verlobte in Tokio als Ehefrau des amerikanischen Botschafters wieder, reist mit
beiden nach St. Petersburg, trifft sie später in ihrem Heimatort in Ungarn
wieder, wo sie gerade dabei ist, den Botschafter, von dem sie sich gerade hat
scheiden lassen, wieder zu heiraten.
Doch setzt „Viktoria und ihr Husar“ mit für eine Operette
tragischen Akkorden ein. Ein Kriegsgefangenenlager in Sibirien nach dem Ende
des Ersten Weltkriegs ist auch nicht gerade das übliche Ambiente der „leichten
Muse“. Und der Husar wartet gerade auf seine Hinrichtung. Das ist eher „Doktor
Schiwago“ als eine Komödie. Diese Handlungsbasis verschärft Regisseur Josef E.
Köpplinger (der auch eine eigene Textfassung erarbeitet hat) noch, indem er dem
Husarenrittmeister Koltay nicht wie in der Originalhandlung am Ende des Prologs
durch die Gnade des Kosaken Petroff, dem Koltays Bursche Janczy seine Geige
schenkt, die Flucht gelingen lässt. In München trennt sich Janczy nicht von
seiner Geige. Der sadistische Petroff denkt sich nun ein Spiel aus: wenn Koltay
ihn mit seiner Liebesgeschichte rühren kann, besteht vielleicht eine Chance.
„Viktoria und ihr Husar“ im Gärtnerplatztheater München© Christian POGO Zach |
Also malt sich Koltay aus, wie er seine geliebte Viktoria wiedersehen könnte.
Um die Stringenz dieser Erzählung zu steigern, wird das Stück ohne Pause
aufgeführt und auf nicht einmal eineinhalb Stunden gestrafft. Tatsächlich
gelingt der Spannungsbogen, nicht zuletzt durch die fließenden leichten
Veränderungen im Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf und die
geschickten Einfädelungen der jeweiligen Staffage in das Kriegsgefangenenlager.
Eigentlich bleibt der Raum das Kriegsgefangenenlager, dem man ansieht, dass es
sich um einen alten Theatersaal handelt – über der Bühne prangen noch Reste des
Zarenwappens. Doch plötzlich wähnen wir uns in der amerikanischen Botschaft in
Tokio. Diesen Effekt bewirken vor allem die Kostüme von Alfred Mayerhofer, der
für Nationalkolorit sorgt und mit der bunten Farbenpracht des japanischen Chors
den Blick vom Grau der Kriegsgefangenen wegzieht. Mit Kimonos und bunten
Schirmen entstehen Japan-Bilder. Die zu dicken Sumoringern aufgeblähten Tänzer
sorgen als köstliche Persiflage für Kichern im Publikum (Choreographie Karl
Alfred Schreiner). Überhaupt jagt in der Tokio-Szene ein musikalischer Hit den
anderen und eine lustige Posse die nächste.
Ohne Unterbrechung geht es weiter
nach Petrograd, wie Sankt Petersburg in der Inszenierung passend genannt wird,
um das revolutionäre Russland zu zeigen, genauer zu einem Ball in der
amerikanischen Botschaft und schließlich zu einem üppig mit ungarischen
Trachten ausgestatteten Winzerfest in Dorozsma in Ungarn. Die Szenen gehen in
München ohne Pause ineinander über, bissig kommentiert von Leutnant Petroff und
dem verzweifelten Kultay. Beim Winzerfest mit vielen Ungarnklischees malt er
sich das Happy End aus. In München ist aber noch ein Epilog angehängt. Wie wird
Petroff entscheiden? Schon zückt er seine Pistole. Ein Zögern. Er schickt die
Wachen weg und öffnet das Tor. Die Flucht kann gelingen. Ob Koltay seine
Viktoria tatsächlich wiederfinden wird, lässt die Inszenierung aber offen.
Alexandra Reinprecht (Gräfin Viktoria)
und Daniel Prohaska (Stefan Koltay)
© Christian POGO Zach
|
Eine solche detaillierte Inszenierung kann nur gelingen,
wenn man die passenden Gesangsdarsteller auf der Bühne hat. Und das im
Gärtnerplatztheater der Fall. Da ist vor allem Gunther Gillian zu nennen als
perfider Leutnant Petroff. Daniel Prohaska gibt der Tenorpartie des Stefan
Koltay feinen Schmelz. Viktoria wird von Alexandra Reinprecht gesungen. Erwin
Windegger spielt den amerikanischen Gesandten John Cunlight kühl elegant.
Natürlich gibt es auch ein Buffopaar. Genauer gesagt, gibt es zwei. Das
ernsthaftere Buffopaar bilden Peter Lesiak und Susanne Seimel als Graf Ferry
und seine Braut O Lia San (eine wunderbare Sing- und Tanznummer ist das
berühmte „Meine Mama“. Und dann gibt es noch das quirlig-lustige Buffopaar. Das
ist Josef Ellers als Rittmeisterbursche Janczy, der verliebt ist in Riquette, die
Zofe Viktorias (eine Französin, die sich schließlich als Ungarin herausstellt),
gespielt von Katja Reichert. Mit der Szene, wenn Riquette im Bad Janczy
abschrubbt und ihn mit immer kleiner werdenden Handtüchern auf Trab hält,
räumen die beiden beim Publikum ab. Steif-englisch gestaltet Maximilian Berling
den Butler James. Und das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz sorgt
im Graben für flotte Rhythmen und viel stimmungsvollen Puszta-Klang. Auch wenn
der typische Paul-Abraham-Jazz schon auftaucht, dominiert in dieser Operette
noch ein stark ungarischer Klang. Beides arbeitet Dirigent Andreas Partilla,
der die Operette übrigens zum ersten Mal dirigiert, gut heraus.
Besuchte Vorstellung: 31. Januar 2018
(10. Vorstellung seit der Premiere am 16. Juni 2016 im
Prinzregententheater)
Gärtnerplatztheater München
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