Konzert: Philharmonisches Staatsorchester spielt Schubert – Elbphilharmonie Hamburg – 2018


Ulla Hahn dichtet zu Schubert 

– Teile aus „Rosamunde“ und „Große“ Sinfonie von Franz Schubert – Kent Nagano dirigiert Philharmonisches Staatsorchester Hamburg in der Elbphilharmonie – 

von Klaus J. Loderer

Dass Sprechtheater mit Musik unterlegt wird, um Stimmungen zu erzeugen, ist nicht eine Idee moderner Regisseure. Schon früher schmückte man Schauspiele mit Musik aus. Bei einigen Theaterstücken ist das eigentliche Schauspiel längst vergessen, die Ouverture aber noch in Konzertsälen zu hören, wenn sie von einem bekannten Komponisten stammt. So sind einige bekannte Werke von Beethoven und Schubert solche Schauspielmusiken. Für das 5. Philharmonische Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie hat Kent Nagano der Sinfonie Nr. 8 C-Dur, genannt die „Große“, Teile der Musik zum längst vergessenen und lange Zeit verschollen geglaubten Schauspiel „Rosamunde“ vorgeschoben. Kurioserweise ist dessen Ouverture dann auch noch die Übernahme eines ebenso vergessenen Theaterstücks, nämlich „Die Zauberharfe“. Wobei Schubert  für die Uraufführung wohl die Ouverture seiner zu seinen Lebzeiten nie aufgeführten Oper „Alfonso und Estrella“ nutzte. Daraus hätte man ein musikalisch spannendes Programm machen können. Wer kennt schon außer der Ouverture die anderen zehn Musiknummern von „Rosamunde“. Mit Sologesang und verschiedenen Chören gibt es da schöne Partien. Mit etwa einer Stunde Spieldauer hätte das gerade als erste Hälfte eines Konzerts gepasst. Oder man hätte ein volles Konzert daraus gemacht und Texte des Schauspiels eingearbeitet, um zu zeigen, worum es da eigentlich geht: um den Versuch die Prinzessin Rosamunde von Zypern vom Thron zu verdrängen.

In Hamburg geht man aber einen anderen Weg. Man spielt die Ouverture an, lässt die drei Entreact-Nummern und das zweite Ballett folgen und nimmt die komplette Ouverture als Abschluss. Und zweischendrin gibt es gesprochenen Text. Dazu engagiert man eine lokale Dichterin, Ulla Hahn, ihres Zeichens Ehefrau des früheren Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnányi, für eine Auftragsdichtung. Lokale Berühmtheit garantiert Erfolgt. Neben sie setzt man vier Kinder auf bunte Kissen – auch immer gut für Beifall. Sie dürfen dann sogar ein paar Worte sprechen. Ulla Hahn erzählt also von Franz Schubert, der beim Wein sitzt und komponiert, und lässt dann in einem verschwurbelten Geplapper von einem Schiff, dessen Kapitän auch noch Störtebeker heißt, und in Hamburgs Hafen einfährt, einen banalen Schwall mit vielen eingebauten Zitaten und peinlichen Witzchen („Die Kanone schießt Mozartkugeln ...“) auf das Publikum los, bis schließlich Schubert sogar noch im Himmel aufsteigt. Lob des Orts kommt immer an. So ist der Beifall entsprechend üppig. Um die Banalität dieser Reimkunst zu demonstrieren, möchte ich doch den Schluss zitieren: „Heute hier für uns für Sie / in der Elb-phil-har-mo-nie“. Dem Publikum wird das als Uraufführung der Dichtung „Ein Schiff wird kommen“ verkauft. Sonst hört man solche dichterischen Machwerke höchstens an Geburtstagen und Hochzeiten. Ulla Hahn scheint sich dabei auch noch ziemlich wichtig vorzukommen, denn hochnäsig lässt sie ihren Schubert auch noch denken: „Einfach albern diese Geschichte der Fürstentochter Rosamunde“. Das Publikum muss sich auf dieses Urteil verlassen, denn es kann nicht vergleichen.

Diese an sich schon peinliche Aktion präsentiert man dann auch noch im Stil einer platten Fernsehsendung. Im durch-und-durch gestalteten Konzertsaal, der architektonisch nun wirklich eine Besonderheit darstellt, stellt man ein Tischchen mit gedrechselten Beinen auf die Bühne, als ob die Dichterin im Landhaus sitzt, darauf ein romantisches Lämpchen, daneben bunte Kissen für die Kindlein. Wie schön wären dagegen noch ein paar Nummern Musik von Franz Schubert gewesen.

Immerhin ist die musikalische Note des 5. Philharmonischen Konzerts erfreulicher. Die großen Gesten in der „Großen“ Sinfonie gestaltet Kent Nagano mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg ausladend und raumgreifend. Da füllt sich der mächtige Raum mit Wohlklang. Diese kontrastiert Nagano effektvoll mit den tänzelnden Stellen, etwa im zweiten Satz der Sinfonie. In diesen tänzerischen Stellen hätten die Streicher durchaus etwas feiner, leichter klingen dürfen.

5. Philharmonisches Konzert: 4. Februar 2018
Elbphilharmonie Hamburg

Schüler der Ballettschule des Hamburger John-Neumeiner-Balletts, Ulla Hahn, Kent Nagano und das Philharmonische Staatsorchester Hamburg


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Buchbesprechung: Paul Abraham, der tragische König der Operette – eine Biographie von Klaus Waller