Claudio Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ – Theater Aachen – 2017

Und ewig lockt das Weib

Claudio Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ am Theater Aachen

von Matthias Woehl

Monteverdis Bühnenwerke gelten ja als die ersten Opern überhaupt. Beim hören erstaunt mich aber immer wieder, wie ausgereift diese Stücke musikalisch bereits sind. Bei der „Krönung der Poppea“ ist aber auch das Sujet erstaunlich aktuell. Da möchte der Ehemann seine Geliebte heiraten, muss dazu aber erst mal seine Ehefrau loswerden, die ihren Platz aber nicht einfach so kampflos räumen möchte, was die Geliebte wiederum zu so mancher Intrige anstachelt. Nach viel Eifersucht, Irrungen, Wirren und Leid findet sich das Paar dann zwar endlich vereint, aber ob das jetzt wirklich das Glück bedeutet? Das alles ist immer noch etwas, was Liebende dereinst wie heute umtreibt. Hat vielleicht deswegen Regisseur Jarg Pataki mit der Bühnenbildnerin Pia Greven und der Kostümbildnerin von Sandra Münchow eine so zeitlich gar nicht recht einzuordnende Inszenierung geschaffen? Letztlich ist es egal, in welcher Zeit es spielt, das Stück ist stark genug von seiner Aussage. Auf der Bühne ein Gerüst, einem Zeppelin nicht unähnlich, daneben zwei Aussichtstürme (oder Hochsitze). Mit geschickt eingesetztem Licht und dem (wenigstens einmal nicht übertriebenen) Bedienen der Drehbühne entsteht der Ort des Geschehens. Endlich mal ein Regisseur, der sich mit seinen Personen beschäftigt. Hier sehen wir Menschen, die etwas mit einander zu tun haben, Liebespaare sind auch welche, fassen sich gar an. Erotische Spannung entsteht genauso, wie das Ringen der beiden Damen um Nero, Intrigen werden geflochten, und sogar das Leid von Ottavia, sowie dem mit ihr leidenden Hofstaat werden, manchmal sogar auf religiös verklärte Weise, ästhetisch dargestellt. Ein wundervoller Abend, der alles andere als langweilt.

L’incoronazione di Poppea: Suzanne Jerosme
Foto: Wil van Iersel

Beste Sängerin des Abends ist Katharina Hagopian als Ottavia. Mein Gott, was für eine wunderschöne Stimme, und vor allem, was für herrliche Fähigkeiten, damit auch umzugehen. Frau Hagopian hat alle Mittel zur Verfügung, barocke Musik zu singen. Saubere Läufe, die Fähigkeit zu Legato, ordentliche Koloraturen, auch Stakkato setzt sie hervorragend ein. Dazu ist sie in der Lage, mit der Stimme auch wirklich zu gestalten, Leid und Trauer, Eifersucht und auch den Mordgedanken wirklich hörbar zu machen. Dazu sieht sie so hervorragend aus, dass man Nero überhaupt nicht verstehen kann, wieso er diese Frau eigentlich los werden möchte. Auf gleichem Niveau ihre Gegenspielerin Poppea, gesungen von Suzanne Jerosme. Sie ist die erotische Verführerin, die machtgeile Geliebte, mit herrlichen Spitzentönen und einem schönen runden Sopran. Unter den Herren glänzt einzig Woong-jo Choi mit seinem unfassbar schönen Bass und einer beeindruckenden Sterbeszene als  Seneca.

Aber was man heutzutage als sogenannte Countertenöre auf die Bühne lässt, ist schon hochgradig peinlich. Ricardo Angelo Strano kämpft sich mit allen Mitten durch seine anspruchsvolle Partie als Nero. Das wird gepresst, gejault und forciert was das zeug hält. Ebenfall alles andere als wohltönendnen Gesang sondert Owen Willetts als Ottone ab. Bei der Partie der Nutrice kann man eigentlich singen wie mal will (dachte ich jedenfalls immer), sie räumt einfach durch ihren Witz in Verbindung mit Herzenswärme ab. Doch Sanja Radisic beweist, das man die Rolle mit fehlenden gesanglichen und darstellerischen Mitteln geradezu als „nicht vorhanden“ ansehen kann. Unterirdisch aber die Tonabsonderungen  von Fortuna und Virtu, welchen ich nicht mal mehr als Gesang bezeichnen würde.

Justus Thorau dirigiert das Orchester nicht gerade flott, aber es entstehen trotzdem beeindruckende und zu Herzen gehende Momente, wenn eines nicht wäre, das Geschrammel auf alten Instrumenten. Man fidelt, bläst und klopft beherzt daneben. Sollen Orchestermusiker doch bitte auf ihren neuen Instrumenten spielen, wenn es mit den alten noch nicht so recht funktioniert. Im großen Orchester mag das gerne mal zugedeckt werden, aber bei so kleinen Barock-Besetzungen reißt einen das beim Zusehen und Versinken sofort wieder aus der Stimmung heraus. Üben! Trotz allem eine sehr sehenswerte und schöne Produktion.

Besuchte Vorstellung: 30. Dezember 2017
(Premiere am 24. September 2017)

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