Wagners „Parsifal“ – Bayreuther Festspiele – 2016
Festspielhaus Bayreuth – Foto: Klaus J. Loderer |
Erlösung von den Erlösungsversprechen
Georg Zeppenfelt als großartiger Gurnemanz in Richard Wagners „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen
von Matthias Woehl
Lange hat es dieses Jahr gedauert, bis ich endlich
„mitreden“ kann, habe absichtlich keine Rezensionen gelesen, um möglichst
unvoreingenommen an die neue Inszenierung herangehen zu können. Ich habe ja die
letzte Inszenierung von Stefan Herheim sehr gemocht (abgesehen von meinem
liebsten Bayreuth „Parsifal“, der alten Inszenierung von Wolfgang Wagner) aber
ich gebe zu, das man sich dem Stoff wohl tatsächlich nur nähern kann, wenn man
wirklich „glaubt“. Regisseur Uwe Eric Laufenberg hat es nicht nötig,
irgendwelche Unsinnigkeiten über das Sujet zu stülpen, aber dafür traut er sich
etwas Unfassbares (das Feuilleton stand ja Kopf) nämlich ein Plädoyer für
„Glaube und die Hoffnung auf Erlösung“ auf die Bühne zu bringen. Was für
beeindruckende Bilder einem da begegnen.
In einem Land, in dem die Christen verfolgt und bedroht
werden, ist man auf der Suche nach dem „Erlöser“. Wundervoll die Gralsszene am
Ende des ersten Aufzugs, die schon mit einem beeindruckenden Video (Gerard
Naziri) eingeleitet wird. Vom Gralstempel fährt die Kamera hoch bis in das
Weltall, in dem die Sonne als brennender Ball die Planeten beleuchtet, was für
ein Bild, was für eine Stimmung das verbreitet. Amfortas wird stigmatisiert,
und die Gralsritter trinken sein Blut, das diese so dringend als Lebenselexier
brauchen. Auch schön der Einfall, daß Klingsor eine große Sammlung an Kreuzen
an der Wand hängen hat, die dann, als Parsifal den Speer nimmt, hinabfallen.
Überhaupt befreit Laufenberg Gläubige von ihren Show-Devotionalien. Als dann
Titurels Sarg hineingetragen wird, lüftet Amfortas zum Entsetzen der Umstehenden
den Deckel, darin befinden sich aber nicht die Leiche, sondern die verbrannten
Überreste von Titurel, die Amfortas sich durch die Finger laufen lässt, bevor
er sich selbst hineinlegt, um endlich von seinen Leiden befreit zu werden. Doch
Parsifal erscheint, schließt die Wunde, und das Schlussbild ist eine
wunderschöne Illusion, alle Glaubensrichtungen sind zugegen, legen ihre
äußerlichen Schau-Devotionalien wie Kreuze oder Gebetsmühlen etc. in den Sarg,
und gehen sozusagen in ein Paradies an Co-Existenz, in Frieden. Nun mal zum
musikalischen.
Georg Zeppenfelt ist als Gurnemanz die Sensation des Abends.
Er bewältigt mit seinem sauber geführten Bass die Riesenpartie mit Bravour,
zeigt überhaupt keine Ermüdungserscheinungen, singt wortverständlich, gestaltet
mit der Stimme, lässt überhaupt keine Wünsche Offen, bravo. Auf gleichem Level
auch Karl-Heinz Lehner als Titurel. Ganz anders sieht es bei Elena Pankatova
als Kundry aus. Sie singt mit der Stimme eines Regenbogens, jeder Ton hat eine
andere Farbe. Da ist alles dabei: sie rührt im Brustregister umher, stößt
gutturallaute Töne hinaus, hat aber in der Herzeleide-Erzählung auch wieder
schöne lyrische Momente. Ihr zur Seite Klaus Florian Vogt als Parsifal. Was war
das einst für eine schöne Stimme, aber was ist passiert? Seine Stimme klingt
müde, lange Töne wackeln bedenklich, aber auch da blitzen hier und da schöne
Töne auf. Ryan McKinny ist zwar hübsch anzusehen, hält aber den Amfortas kaum
durch. Unfassbar der Klingsor von Gerd Grochowski. Wie man es schafft, nicht ein
verständliches Wort zu singen, ist mir unerklärlich. Überhaupt ist außer
Zeppenfeld und Lehner niemand zu verstehen. Und das in einer Oper, die ausschließlich
aus „Erzählungen“ besteht. Schlimm auch die Blumenmädchen. Dagegen ist der
Männerchor sensationell, besonders in der Grals-Szene im ersten Akt. Das
Dirigat von Hartmut Haenchen ist ordentlich, er dirigiert besonders mit einem angenehmen
Tempo. Parsifal „verschleppt“ wird ja auch unerträglich. Zum Glück hat man
einen Dirigenten mit ausreichend Erfahrung ans Pult gestellt. Viel Erwähnenswertes
habe ich ausgelassen, nur so viel: ich habe mich keine Sekunde gelangweilt, und
das mag bei einem Parsifal schon was heißen. Ein großer Abend!
Besuchte Vorstellung: 28. August 2016
Festspielhaus Bayreuth
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