Richard Wagners „Siegfried“ – Bayreuther Festspiele – 2015

Festspielhaus Bayreuth
Foto: Klaus J. Loderer

Mount Rushmore auf dem Alexanderplatz 

– Wagners „Siegfried“ bei den Bayreuther Festspielen – 

von Matthias Woehl

Nach dem wirklich grandiosen Rheingold war ja die Walküre (und es passte überhaupt nicht) wirklich langweilig. Siegfried knüpft wieder an das Rheingold an, ohne es aber zu übertreffen. Man spielt mit einem „linken“ Mount Rushmore mit Mao, Stalin, Marx und Lenin. Siegfried kommt statt mit einem Bären mit einem „Sklaven“ an der Leine. Der scheint ihm verfallen (andeutungsweise auch sexuell) und beweist, daß so mancher Sklave wohl stärker ist als so mancher Meister, denn Siegfried ist hier eher ein Jammerlappen. Der Rest der Oper spielt am (Al)Exanderplatz und in einem Postamt. Herrlich die Szene mit dem Waldvogel, was aber in seiner Konsequenz auch wieder unlogisch ist, denn wenn Siegfried bereits mit dem Waldvogel „vögelt“, dann ist die spätere Erkennungsszene mit Brünnhilde dämlich. Dann weiß er doch schon, dass es Frauen gibt, dann ist der Text „Das ist kein Mann“ unsinnig. Toll die Szene zwischen Wanderer und Erda („Hinab denn, Erda“) und sie wird herunter gedrückt um Wotan einen zu ... (bevor jetzt jemand auf die Barrikaden geht: Erda hat natürlich mit Wotan ein sexuelles Verhältnis gehabt, denn die Nornen sind ja seine Kinder. Irgendwann müssen sie diese ja gezeugt haben). Toll wieder die Video-Einblendungen, die die Protagonisten auch hinter der Szene zeigen, wie z.B. der Waldvogel Erda für das Treffen ankleidet oder ihr dann später die Schminkutensilien klaut. Toll das Bühnenbild von Aleksander Denic – das ja innen wie außen perfekt angelegt sein muss, daß man das so überhaupt nutzen und filmen kann.

Jetzt zum problematischen Teil: der Musik. Kirill Petrenko dirigiert einen flotten „Siegfried“ (endlich Oper, nicht Requiem), ist aber nicht die Sensation, die man aus ihm macht. Gruselig die Besetzung: das größte Übel voran: Andreas Conrad als Mime (Details erspare ich Euch) man fragt sich nur: wie kann so etwas passieren? Andreas Hörl, haltet Euch fest, ein Bass ohne Tiefe (sieht aber ganz lecker aus, wenigstens das), Nadine Weissmann als Erda rührt ebenfalls im Stimmapparat herum (ist aber szenisch genial). Stefan Vinke war ja dereinst im Mannheimer Ensemble ein wunderbarer Siegfried (ist eben auch schon 15 Jahre her), aber brüllt sich dermaßen durch die Partie, das man fas Angst haben muss. Ich mochte ja dereinst auch Catherine Foster so sehr (besonders ihre Kölner Elektra, die zu den besten Elektras gehörte, die ich live je erlebt habe) aber nun wackelt sie bedenklich, kann die Stimme überhaupt nicht mehr zurücknehmen, Brüllt einen hohen Ton nach dem anderen, manche zu tief, manche Perfekt, aber das ist ja kein Singen. Die schöne Siegfried Brünnhilde muss eben auch verführerisch klingen, dazu braucht es auch sanfte und zurückgenommene Töne ... aber nichts dergleichen ertönt. Beste Sänger also Albert Dohmen (daß ich so etwas mal tippe) als Alberich, Wolfgang Koch als zuverlässig und sauber singender Wanderer, und, (wie peinlich) der Waldvogel von Mirella Hagen. Der Waldvogel die beste Sängerin? Wo sind wir eigentlich? Aber ein aufregender Abend, der trotz allem für Diskussionsstoff nach der Aufführung sorgte. Wie selten kommt man mittlerweile aus der Oper, und kann über das gesehene Sprechen. Toller Sommerabend!

Besuchte Vorstellung: 5. August 2015
Festspielhaus Bayreuth


Der Autor betreibt die Seite Callas&Co mit historischen Aufnahmen

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Buchbesprechung: Paul Abraham, der tragische König der Operette – eine Biographie von Klaus Waller