Paul Abrahams Fußballoperette „Roxy und ihr Wunderteam“ mit Altfußballstar Jimmy Hartwig – Theater Augsburg – 2017
Wenn in Budapest Donaunixen Cocktails mixen
Theater Augsburg zeigt Paul Abrahams Fußballoperette „Roxy und ihr Wunderteam“ im Martini-Park
von Klaus J. Loderer
Fußball und Operette, paßt das zusammen? Wenn sich Paul
Abraham daran macht, paßt das natürlich. Dann kickt eine Fußballmannschaft
nicht nur, sondern elf Jungs müssen auch noch steppen. Das Theater Augsburg
kann in seiner Produktion von „Roxy und ihr Wunderteam“ sogar noch mit einem
ehemaligen Fußballstar aufwarten. Jimmy Hartwig wechselte inzwischen vom Rasen
zu den Brettern, die die Welt bedeuten, und spielt nun den DFB-Präsidenten
Franz Baron. Das ist eigentlich keine Originalrolle von Paul Abrahams Operette.
Aber für die Augsburger Inszenierung hat man das Stück kurzerhand etwas
umgeschrieben. Man hat das Stück gnadenlos aktualisiert und gewisse
Machenschaften, die als Schlagzeilen in letzter Zeit durch die Medien
eingebracht. Das ist frech und einfach köstlich. Da klüngelt ein korrupter
schottischer Fußballkader, der unbedingt Fifa-Präsident werden möchte, mit dem
nicht minder korrupten deutschen Fußballpräsidenten, der auf die Niederlage der
deutschen Mannschaft wettet. Der Bühnenname Franz Baron soll mit den
Bestandteilen Franz und einem Adelstitel nicht zufällig an den Namen und
Beinamen eines anderen Fußballers erinnern, der noch dick im Fußballgeschäft
drin ist. Und dann wurde die Mannschaft kurzerhand von der im Original
österreichischen zur deutschen Nationalmannschaft. Und selbst der
Nichtfußballfreund erkennt, wer mit Basti Saulieger gemeint sein könnte. Gjurka
ist übrigens ein Name aus dem Originalstück, hier ist er passenderweise ein
Spieler beim FC Augsburg, womit das Stück auch noch Lokalkolorit bekommt.
Für die richtige Einstimmung auf das Stück sorgt man schon
im Foyer. In großen Porträts hängen die Fußballer über die Garderobe. An einer
anderen Stelle kann man Tischfußball spielen. Und dann gibt es noch eine
Ausstellung über deutsche Wundermannschaften. Der Theaterbesucher ist Gast der
DFB-Gala, bei der der DFB-Präsident dem „Weltfußballer“ Christiano Hatschek die
Auszeichnung für die Mannschaft überreicht. Gjurka, genannt Gürkchen, grätscht
dazwischen und zeigt uns, was sich wirklich tat, beim Wunder von Budapest. Und
damit beginnt die Operette.
Paul Abraham verließ Deutschland kurz nach Hitlers
Machtergreifung. In Wien und Budapest konnte er noch einige Stücke
herausbringen, bevor er dann die Flucht nach Amerika ergriff. „Roxy und ihr
Wunderteam“ wurde als „3:1 a szerelem javára“ 1936 im Király Színház in
Budapest uraufgeführt (Libretto: Imre Harmath, Dezső Kellér, László Szilágyi).
1937 kam die deutsche Fassung des „musikalischen Fußballschwanks“ mit enem Text
von Hans Weigel und Alfred Grünwald (der zusammen mit Fritz Löhner-Beda die
Texte der Abraham-Operetten „Victoria und ihr Husar“, „Die Blume von Hawaii“
und „Ball im Savoy“ verfasste und überhaupt ein genialer Operetten-Librettist
war) im Theater an der Wien heraus. Als großer Musik- und Revuefilm erschien die
Operette mit Rosy Barsony, Oskar Dénes und Hans Holt in der Regie von Johann
von Vásáry 1937 zuerst in Ungarn und dann 1938 in Österreich unter dem Titel
„3:1 für die Liebe“ oder „Die entführte Braut“.
Markus Hauser, Jimmy Hartwig
Foto: Jan-Pieter Fuhr |
Es geht um eine Fußballmannschaft, die der Trainer Baron
Szatmary auf Enthaltsamkeit einschwört und deshalb in ein Trainingslager am
Plattensee verfrachtet wird. Dort tummelt sich aber gerade auch ein
Mädchenpensionat. Und wer ist nun Roxy? Sie flieht vom Brautaltar weg vor der
Hochzeit mit dem reichen Bobby, versteckt sich noch im Brautkleid bei der
Fußballmannschaft, fährt mit zum Plattensee und entwickelt sich schnell zum
Mannschaftsmaskottchen. Natürlich angelt sie sich nach vielen Verwicklungen den
Mannschaftskapitän Károly Gjurka. Soweit die Operette, unterlegt mit einer mal
jazzigen, mal folkloristisch ungarischen Musik, wobei beides bei Paul Abraham
nicht immer ganz zu trennen ist.
Nach einer Inszenierung in Dortmund 2014 hat nun auch das
Theater Augsburg „Roxy und das Wunderteam“ ins Programm genommen. Eine sehr
löbliche Entscheidung, um diese Operette mit ihrer tollen Musik wieder bekannt
zu machen. Hat man das Stück in Dortmund in der Entstehungszeit spielen lassen,
ging man in Augsburg den Weg, das Stück in die Gegenwart zu holen. Das ist mit
einer konsequenten Anpassung sehr gut gelungen. Regisseur Martin G. Berger legt
nicht nur gnadenlos Machtgier, Geldgier, Korruption und Verlogenheit im
Profifußball offen, sondern karrikiert auch sonstige Dinge der Gegenwart. Bobby
Cheswick macht seiner Rosi vor laufender Kamera seinen Heiratsantrag, weil dann
die Fernsehgesellschaft die Hochzeitsfeier zahlt. Er ist eben genauso Schotte
wie sein Onkel Sam Cheswick, der gerne Fifa-Präsident werden möchte, aber zu
geizig ist für Bestechungsgelder. Aber Rosi (Katja Berg) läuft davon und
versteckt sich beim schüchternen Fußballer Gjurka (Thaisen Rusch).
Bobby heult seinem Onkel Sam nach dem Verschwinden von Rosi
etwas vor, woraus sich ein aberwitzig komisches Duett zwischen dem heulenden
Wiard Witholt und dem lachenden Markus Hauser entwickelt. Auch hier hat man den
Text von „Ich lach’ jede Stunde“ witzig modernisiert, bis hin zu einer Spitze
gegen die Kritiker der Theaterrenovierung.
Mit dem Mannschaftsbus reist Rosi dann als Roxy nach Ungarn.
Doch ist die Augsburger Roxy nicht ganz so harmlos, wie sie scheint. Sie ist
erstens scharf auf einen Spieler (wegen des Geldes) und außerdem ist sie
Spionin für die Journalistin Aranka Tötössy (Eva Kuperion), die eine
Enthüllungsgeschichte herausbringen will. Aber dann verliebt sie sich in einen
Spieler, nämlich den schüchternen Gjurka. Verwandlung: Nachtclubathmosphäre
(Sarah-Katharina Karl). Man sieht endlich einmal das Orchester ganz im
Hintergrund. Die Spieler führen ein Badenixenballet auf – fast wie in einem
Dreißigerjahrefilm. Gjurka und Roxy säuseln über die Bühne. Und dann eine
musikalische Überraschung. Im Publikum raunt es, als „Einmal wird das Wunder
geschehen“ erklingt. Im Roxy-Film segeln Rosy Barsony und Hans Holt dazu verliebt
über den Plattensee. Singt das nicht Zarah Leander? Tatsächlich war „Ich weiß,
es wird einmal ein Wunder geschehen“ mit einer ganz ähnlichen Melodie 1942 der
Hit des Films „Die große Liebe“. Haben sich Bruno (Text) und Michael Jary
(Melodie) so frech bei Paul Abraham bedient?
Markus Hauser, Eva Kuperion,
Florian Weigel, Konstantin Krisch, Arne David, Dennis Weissert, Katja Berg, Uli
Scherbel, Max Menendez Vazquez, Julian Bender, Wiard Witholt
Foto: Jan-Pieter Fuhr
|
„Halbzeit“ ruft die Souffleuse zur Pause. Und danach wird es
richtig ungarisch – oder doch eher eine witzige Karikatur eines ungarischen
Volkstanzes. Csárdás ist angesagt und da tanzen dann auch Paprika und Kolbász
mit. In Budapest träumen die Spieler von Donaunixen, die Cocktails mixen. Ich
will die köstliche Geschichte nicht ganz verraten, sonst ist die Überraschung
beim Theaterbesuch flöten. Aber ich möchte doch auf eine zentrale Szene im
zweiten Akt hinweisen, ohne den eigentlichen Clou zu verraten. Wie schon in
„Ball im Savoy“ hat Abraham auch hier wieder einen „Modetanz“ eingearbeitet. Es
ist hier der Black walk. Im Roxy-Film sieht man dazu ein Rittertüstungsballett
im Hintergrund. In Augsburg spielt die Szene unter der Dusche. Selbst Mrs
Chancelorette versuchte ja schon die deutsche Nationalmannschaft in der Dusche
zu überraschen. So nach und nach treffen in dieser Dusche alle Beteiligten
zusammen. Dammit das noch halbwegs züchtig aussieht, ist eine Schabracke auf
Hüfthöhe herabgelassen. Als auch noch Sam Cheswick hinzukommt und ziemlich
entsetzt ist über diese Orgie, erklärt Trainer Pepe Tactico Aranka und Roxy
kurzerhand zu Mentaltrainerinnen. Black Walk als Trainingseinheit – herrlich. Und
wer ist wohl im Original mit dem Trainer Pepe Tactico gemeint? Eine köstliche
Karrikatur bietet Gerhard Werlitz in dieser Rolle, steif im Anzug mit zu kurzen
Hosen.
Im Finalspiel dann noch eine Überraschung, denn Gjurka darf
wegen eines Fouls nicht mitspielen und der gefoulte Hatschek kann wegen
Verletzung nicht mitspielen – aber auch die wird nicht verraten. Und natürlich
gibt es auch glückliche Paare am Ende, doch welche, auch das wird nicht
verraten. Und dann verwandelt sich wieder alles zurück in die DFB-Gala. Aber
jetzt wissen wir, was wirklich geschah beim Wunder in Budapest.
Jedenfalls hat das Theater Augsburg ein wunderbares „Wunderteam“
zusammenstellt, das da auf der Bühne kickt und tanzt und singt. Marie-Christin Zeisset erfand dazu eine schmissige Choreographie. Lancelot Fuhry
liefert mit den Augsburger Philharmonikern dazu eine flotte Musik. Der als
Fußballfans kostümierte Opernchor sorgt für die Stadion-Atmosphäre.
Ich habe mich köstlich amüsiert und dem Gejohle nach zu
schließen, das Publikum im Saal auch. Wäre die Produktion in Berlin
herausgekommen, hätte sie sich sicher schnell zur Kultoperette entwickelt.
Besuchte Vorstellung: 22. Dezember 2017
(Premiere am 9. Dezember 2017)
Theater Augsburg im Martini-Park
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