Operette: Johann Strauß’ „Die Fledermaus“ – Oper Köln im Staatenhaus – 2017
„Ich brauche täglich eine Portion Operette“
Johann Strauß’ Operette „Die Fledermaus“ der Oper Köln im Staatenhaus
– von Klaus J. Loderer –
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Miljenko Turk (Gabriel von Eisenstein) © Bernd Uhlig |
So bunt und schrill die Inszenierung daherkommt, fehlt ihr
aber tatsächlich irgendwie der Zusammenhalt, die Fokussierung und auch die Musik
könnte etwas mehr „Drive“ haben. Da ist das Gürzenich-Orchester unter Marcus
Bosch fast etwas zu brav. Ein Csárdás für eine feurige Ungarin (auch wenn sie
keine ist) darf ruhig etwas akzentuiert sein. Aber da bleibt auch Natalie Karl
als Rosalinde (die im zweiten Akt maskiert als ungarische Gräfin auftaucht) ziemlich
blaß, was auch an ihrer nun wirklich unglücklichen Kostümierung in ein rosa
Rüschenpompon liegen kann (Kostüme Cornelia Kraske). Aber auch stimmlich
überzeugt sie infolge einer Indisposition nicht so richtig, der Schlusston dieser großen Arie bricht ihr
völlig ab. Annika Gerhards fehlt als Adele etwas die nötige Höhe. Die Herren
überzeugen da mehr. Dazu zählt in diesem Fall auch Prinz Orlofsky,
normalerweise eine Hosenrolle, in Köln aber ein Countertenor: schön gesungen Kangmin Justin
Kim. Mit flexiblem Bariton verleiht Miljenko Turk der Rolle eine schleimige Strizzi-Schmierigkeit, bekommt aber leider im dritten Akt eine gewisse Schärfe.
Sehr erfreulich Mirko Roschkowski als Alfred (nachdem Marco Jentzsch die Premiere
gesungen hat, für ihn der erste Auftritt in dieser Produktion). Mit blendend hohem
Tenor hat er im ersten Akt seinen Auftritt – hervorragend die Arie „Trinke Liebchen“. In der Gefängnisszene baut er dann
noch einige Schmankerln ein, wie ein Zitat aus Beethovens „Fidelio“. Man kann sagen, eine Idealbesetzung für diese Rolle. Bariton Wolfgang
Stefan Schwaiger als Dr. Falke und Bassbariton Oliver Zwarg als
Gefängsnisdirektor Frank singen ihre Partien solide.
Und dann gibt es im dritten Akt noch einen wichtigen
Rollenauftritt, die Sprechrolle des betrunkenen Gefängnisdieners Frosch. Für
den Schauspieler, Moderator und Kabarettisten Jochen Busse wurde die Partie mit
vielen Pointen über Köln noch etwas ausgebaut. Er fordert auch seine täglich
Portion Operette und er bringt „Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu
ändern ist“ auf die kölsche Kurzform „Wat kütt, dat kütt“. Schallendes
Gelächter im Publikum. Außerdem mimt Busse gewissermaßen den Regisseur, der im
Bühnenmodell mit den Figuren spielt, die sich dann auf der großen Bühne in echt
bewegen. Eine Besucherin hinter mir hat das gar nicht kapiert und fragt während
der Vorstellung lautstark ihre Nachbarin „Was ist denn in der Schachtel? Ich
sehe da nichts.“ Und das aus der siebten Reihe.
Im Bühnenbild von Stefan Brandtmayr bilden im ersten Akt
große Vorhänge eine räumliche Struktur, die eine Wohnung andeutet. Das ist
geschickt gemacht, es gliedert die breite Bühne und lässt Durchblicke nach
hinten zu. Im Vordergrund steht eine Sitzlandschaft, hinter dem ersten Vorhang
ahnt man eine Ankleidung mit Bügelbrettern und Kleiderständern, links steht ein
großer Kühlschrank mit Glastür, daneben serviert ein Fuchs Süßes und Flüssiges.
In diesem Ambiente entwickelt Regisseurin Petra Luisa Meyer die Geschichte um
den im rosa Morgenmantel auftretenden Gabriel von Eisenstein, der eigentlich
ins Gefängnis sollte, aber von seinem Freund Falke zu einer Party eingeladen
wird. In Vorfreude wähnt er sich auf dem Sofa von Weiblichkeiten umgarnt, das
ist nett gemacht, wie Hände durch den Vorhang nach ihm greifen. Dass Ehefrau
Rosalinde frustriert ist, sollen wohl die unzähligen Einkaufstüten andeuten,
als sie von einer Shoppingtour heimkommt. Dienstmädchen Adele stibitzt sich
schließlich ein Kleid daraus, als sie von ihrer Schwester Ida eine Einladung zu einer
Party bekommt. Mit der Verwandlung zum zweiten Akt plündert der Chor die Tüten,
während Rosalinde etwas betreten schaut. Habe ich schon erwähnt, dass die
Inszenierung heute spielt, nein, nun weiß es der werte Leser, falls er sich im
Geiste eine 19.-Jahrhundert-Dekoration vorgestellt haben sollte. Und diese
„Fledermaus“ spielt auch nicht in Wien sondern in Köln.
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Kangmin Justin Kim (Prinz Orlofsky) und Fausto Israel (Ivan) © Bernd Uhlig |
Die Vorhänge verschwinden, die Kulissenteile drehen sich und
wir sind in einer riesigen Bar mit von hinten beleuchteten Flaschenregalen und
lauschigen schwarzplüschigen Nischen mit roten Lämpchen – also eine anrüchige
Bar. Prinz Orlofsky im weißen Anzug mit Geweihkrone legt ersten sein
Schwarzgeld in Düsseldorf an, ist zweitens ein Jäger (er holt mit dem Schießgewehr
alles möglichen Geflügel vom Himmel) und sieht drittens in Frauen höchstens
geweihbekrönte Dekoration für seine Party. Warum tragen die Frauen Masken?
Frauen als Freiwild? Ist das eine feministische Botschaft? Aber dieser Orlofsky
würde doch niemals freiwillig ein Wesen weiblichen Geschlechtes anfassen. Ach
so, es gibt ja noch den wolllüstigen Gabriel von Eisenstein, der hier
Nacktschnecken sucht. Er trifft aber eher auf ein Wesen in Sonnenbrille, seine
maskierte Ehefrau, die ein Küchenmesser in der Tasche trägt, um ihren
Herzallerliebsten inflagranti abzuschlachten. Neu eingeführt wurde in Köln
Ivan, Orlofskys brasilianischer Lover (herrlich tuntig Fausto Israel), der jedes
Mal einen Weinkrampf bekommt, wenn der russische Oligarch mal wieder einen
Selbstmord vortäuscht. Dann gibt es noch sechs Buben im Goldanzügchen und sechs
Damen, deren Hemdchen für eine russische Party sehr brav geraten sind. Da der
Csárdás eher untergeht, gipfelt die Party in einem dekadenten Buffet mit viel nackter Haut
(das dekorativ aufgefahrene und mit Obst dekorierte Ballett) und schließlich in
einer Orgie in der Sauna. Bis sich dann Jochen Busse mit der Forderung nach
einem Walzer, zu dem er eine Dame aus dem Publikum holt, einmischt.
Für den dritten Akt sind die Kulissenteile gedreht und geben
den Blick auf ein paar Zellen frei. Der Kühlschrank steht übrigens immer noch
da. Jetzt sitzt ein Mann im schwarzen Anzug darin, der sich als Leiche
herausstellt. Prinz Orlofsky knallt noch mehr Kerle ab, dann liegt eine Reihe
mit Leichen herum. Eben so ein Gag. Rosalinde rammt irgendwann das
Küchenmesser, das sie zur Erdolchung ihres Ehemanns immer noch in der
Handtasche trägt, in den Tisch, kommt allerdings in die prekäre Situation, dass
nun ihr Ehemann Gabriel mitbekommt, dass in seinem Heim etwas vorgegangen ist,
da im Gefängnis an seiner Stelle in seinem rosa Morgenrock jemand ist, der
womöglich etwas mit seiner Frau hatte. Das wird dann am Ende als Teil der
Charade der Fledermaus abgetan und das Küchenmesser kommt dann doch nicht zum
Einsatz. Und wohl um zu zeigen, dass Dr. Falkes Rache doch nicht so richtig
funktionierte, wird er dann vom Gefängnisdirektor Frank mit Rotwein besprüht
und steht dann rot gesprenkelt da. Immerhin kann Orlofsky darüber lachen, aber warum essen die Tänzerinnen ihre Handtaschen auf?
Besuchte Vorstellung: 30. November 2017
(2. Vorstellung nach der Premiere am 26. November 2017)
Staatenhaus Köln
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