CD-Besprechung: Antonio Salieris Oper „Les Danaïdes“ unter der Leitung von Christophe Rousset bei Palazzetto Bru Zane

Opernrarität von Salieri 

– Palazzetto Bru Zane veröffentlicht Gesamtaufnahme von Antonio Salieris Oper „Les Danaïdes“ mit „Les Talents Lyriques“ unter Christophe Rousset –  

von Klaus J. Loderer 

Salieris Oper „Les Danaïdes“ weist aus dem 18. Jahrhundert ins 19. Jahrhundert. Man wähnt darin alle möglichen Motive anderer Opern zu erkennen, viel Mozarts „Don Giovanni“, mal Cherubini, mal Spontini und sogar Rossinis „Mosè in Egitto“. Doch ist es natürlich umgekehrt. Die anderen Komponisten ließen sich von Salieri inspirieren. Wie modern man die Oper auch Jahrzehnte nach ihrer Uraufführung noch hielt, bezeugt die Tatsache, dass die Oper in Paris bis 1828 gespielt wurde. Hector Berlioz schreibt, dass ihn der Besuch dieser Oper veranlaßt habe, Komponist zu werden. Doch hört man natürlich noch einen Komponisten heraus, und das ist Christoph Willibald Ritter von Gluck. Eine Gluck-Oper meinte übrigens auch das Pariser Opernpublikum am 26. April 1784 zu hören. Man war begeistert von dieser neuen Oper Glucks, der extra dafür aus Wien nach Paris zurückgekehrt war. Nach den ersten erfolgreichen Vorstellungen wurde das Publikum im „Journal de Paris“ allerdings darüber informiert, daß die Musik nicht von Gluck unter Mitwirkung seines Schülers Antonio Salieri entstanden sei, sondern komplett von Salieri sei. Aber man merkt schon, daß Gluck Salieri genau unterwiesen hat, wie man eine Erfolgsoper für Paris schreibt. Entstanden ist ein Werk, das überleitet von Glucks Opernreform zu den großen französischen Opern des 19. Jahrhunderts.

Tatsächlich nimmt die Musik dieser fünfaktigen Tragédy-lyrique sofort gefangen. Die abwechslungsreich instrumentierte Partitur arbeitet mit effektvollen Stimmungswechseln. Eine Folge von Tänzen zieht sich als reine Instrumentalstücke durch das Stück. Mit dem regelmäßigen und häufigen Einsatz des Chores vermied Salieri Langeweile. Auch die Handlung, die sich letztlich auf die drei Hauptrollen konzentriert, ist sehr stringent durchgezogen.

Es handelt sich übrigens bei „Les Danaïdes“ um ein ziemlich grausames Thema aus der griechischen Mythologie, nämlich den Massenmord, den König Danaos von Argos seinen fünfzig Töchtern, den Danaiden, befiehlt, die ihre fünfzig Bräutigame, die gleichzeitig Söhne von Danaos’ Zwillingsbruder Aigyptos sind, in der Hochzeitsnacht ermorden. Nur ein Paar überlebt: Hypermnestra und Lynkeus. In der Schlußszene der Oper werden Danaos und seine Töchter im Hades von den Furien gepeinigt.

Das auf die Wiederbelebung vergessener französischer Opern spezialisierte Label Palazzetto Bru Zane hat nun eine Gesamtaufnahme von „Les Danaïdes“ herausgebracht. Es handelt sich um eine konzertante Aufführung im Konzertsaal Arsénal in Metz im November 2013 mit „Les Talents Lyriques“ unter der Leitung von Christophe Rousset, die auch im Theater an der Wien zu hören war.

Rousset leitet das Orchester spannungsreich und mit feinem Gespür für die Musik. Auch die Sängerwahl ist glücklich. Da ist der Bassist Tassis Christoyannis zu nennen als erbarmungsloser Danaüs. Die wichtigste Rolle aber hat Judith van Wanroij als Hypermnestre übernommen. Sie paßt die feinen Klangfarben ihres Soprans auf die unterschiedlichen Stimmungsfarben der Rolle an, sei es verliebt im Duett mit Lyncée im ersten Akt, bittend oder verzweifelnd im zweiten Akt – eine Rolle die der Donna Anna vorweggenommen ist. Der Tenor Philippe Talbot singt den Lyncée sicher und mit schöner Stimme, bleibt aber etwas blaß. Eine sehr schöne Einspielung.

Schon die Erscheinungsform von „Les collections de livres-disques du Palazzetto Bru Zane“ fällt auf. Man ging vom üblichen Format klassischer CD-Verpackungen weg. Aus dem CD-Booklet wurde ein handliches und fest gebundenes Buch, in dessen vorderem und hinterem Umschlag die CDs verstaut sind. Im Buch findet man interessantes Material über die Oper, darunter natürlich das Libretto in französischer Sprache und englischer Übersetzung. Verschiedene Aufsätze gehen auf die Entstehungsgeschichte und die Uraufführung der Oper ein. Benoît Dratwicki geht auf die Entstehung der Oper ein, Marc-Henri Jordan untersucht die Bühnenbilder. Daneben gibt es Briefwechsel und eine Besprechung aus „Le Mercure de France“ vom 23. Mai 1784.



Antonio Salieri

Les Danaïdes

Les Talents Lyriques
Christophe Rousset, direction
Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles

Judith van Wanroij – Hypermnestre
Philippe Talbot – Lyncée
Tassis Christoyannis – Danaüs
Katia Velletaz – Plancippe
Thomas Dolié – Pélagus/Officiers

Enregistrement réalisé à l’Arsenal, Metz, en Scènes les 29 et 30 novembre 2013

Palazzetto Bru Zane – Centre de musique romantique française, 2015
CD I (72:28), CD II (35:58)
Ediciones Singulares 2015
(Les collections de livres-disques du Palazzetto Bru Zane, opéra français; 9)
ISBN 978-84-606-6949-4
135 S., Ill.

Text franz. und engl.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Filmbesprechung: „Frühling in Paris“ (Seize Printemps) von Suzanne Lindon

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt