Buchbesprechung: Michael Coveney – Peter Dazeley: London Theatres
Die Theaterhauptstadt der Welt
– Ein schöner Bildband von Michael Coveney und Peter Dazeley über Theater in London –
von Klaus J. Loderer
London ist die Theaterhauptstadt der Welt, behauptet der Klappentext des schönen Bildbands „London Theatres“ nicht zu unrecht. Der tägliche Spielplan bietet ein üppiges Angebot. Und auch der Bestand an Theatergebäuden ist beachtlich. Neben einigen modernen Theatern bestimmen vor allem die historischen Theater die Theaterszene. Und auch im Buch liegt der Schwerpunkt auf den historischen Theatern aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit ihren teilweise üppigen Dekorationen. Übrigens sind nur drei Theatergebäude mit der hohen Einstufung Grade I des englischen Denkmalschutzes bewertet. Im Londoner Westend, das bezeichnenderweise auch den Namen „Theatreland“ trägt, stehen die Theater dicht an dicht. Doch auch über die ganze Stadt verteilt findet man bespielte und unbespielte historische Theater- und Kinogebäude.
Üblicherweise habe die Theatergebäude eine repräsentative
Eingangsfassade, unscheinbare Seitenfronten und im Inneren einen riesigen
Zuschauerraum mit hoch übereinandergestapelten Rängen und darumherumgebastelt
ein Labyrinth von Nottreppen. Die architektonische Konzeption dieser Gebäude
mag nicht immer gelungen sein, aber Eingangshalle und Bar machen in der Regel
etwas her. Und im Unterschied zu den von den öffentlichen Händen getragenen
Theatern auf dem Kontinent handelt es sich bei all diesen Gebäuden um private
Investitionen, die irgendwie Geld einbringen müssen.
Textautor Michael Coveney und Fotograf Peter Dazeley stellen
46 Theatergebäude vor. Acht Kapitel gliedern diesen Bestand, einleitend das
Kapitel „Grandes Dames“ mit den traditionsreichsten Theatern Londons. Hier
bildet der Zuschauerraum des Königlichen Opernhauses (Royal Opera House Covent
Garden) gleich das Titelbild. 1858 wurde des Opernhaus, dessen Zuschauerraum
mit Hufeisengrundriß für ein englisches Theater ungewöhnlich ist, nach dem
Brand des Vorgängertheaters errichtet. Der Neubau erfolgte übrigens wesentlich
kleiner als das Vorgängertheater, auf einem Teil des Grundstücks entstand eine
Markthalle, die Floral Hall, die inzwischen als großes Foyer in den
Opernkomplex integriert ist. Mit dem Blick aus der königlichen Loge greift ein
Foto gleich einen von Fotograf Dazeley geliebten Blick in den Zuschauerraum
auf, den man noch bei anderen Theatern im Buch findet.
Auch der Name Heumarkt (Haymarket) ist mit den Opern Georg
Friedrich Händels verbunden, aber ebenso wie in Covent Garden steht der
damalige Bau längst nicht mehr. Immerhin vom Ende des 19. Jahrhunderts stammt
Her Majesty’s Theatre, in dem seit mehr als dreißig Jahren „Phantom of the
Opera“ läuft. Im Vorgängertheater war die englische Erstaufführung von Wagners „Ring“.
Und noch früher stand an dieser Stelle eines der größten Opernhäuser Europas,
an das allerdings nur noch die Royal Opera Arcade erinnert. Und noch früher
stand hier das Queen’s Theatre, das 1715 in King’s Theatre umbenannt wurde.
Gleich gegenüber ist das königliche Theater Heumarkt (Theatre Royal Haymarket),
eine renommierte Sprechbühne. Hinter der klassizistischen Säulenfront verbirgt
sich eine Inneneinrichtung von 1904 im Neo-Louis-Seizse-Stil.
Und auch das Theatre Royal Drury Lane, das inzwischen vor
allem durch die Musical-Produktionen bekannt ist, wird als „grand old lady“
eingestuft. Auch die Geschichte dieses Theaters geht weit zurück, wenn auch der
heutige Zuschauerraum erst 1922 entstand. Auch als große Musicalbühne bekannt ist das Palace Theatre,
in dem lange Zeit „Les Misérables“ lief. Drei Ränge sind in dem Backsteinbau
übereinandergestapelt. Im Text erfährt man, dass der Musicalkomponist Andrew
Lloyd Webber einige Zeit im obersten Geschoß des Theaters wohnte.
Im Kapitel „Pleasure Places“ findet man dann auch das riesige
Colisieum, in dem die English National Opera spielt. Das mit vielen Motiven zur
römischen Antike dekorierte Theater wurde von Frank Matcham entworfen, Architekt zahlreicher Theater in England
in der Zeit um 1900. Es ist hier nicht der Platz, alle im Buch vorkommenden Theater aufzuzählen. Man lernt allerdings die wichtigsten Theatergebäude kennen, viele alte aber auch einige moderne und natürlich auch die Rekonstruktion von Shakespeare's Globe.
Die Fotos dieses schönen Bildbands zeigen vor allem die
Zuschauerräume. Daneben findet man Foto von Foyers, Künstlergarderoben, von der
Bühne und gelegentlich auch des Salons der königlichen Loge. Der Text geht auf
die Geschichte der Objekte ein und erwähnt die wichtigen Theaterproduktionen.
Auf der Titelseite sieht man übrigens das Sam Wanamaker Playhouse, die
Rekonstruktion eines historischen Theaters beim ebenso rekonstruierten Globe.
Michael Coveney
Peter Dazeley
London Theatres
Foreword by Mark Rylance
Frances Lincoln by Quarto Knows, London, 2017
ISBN 978-0-7112-3861-9
272 S., überw. Ill.
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