Vor der Oper: Grosz im Haus Cumberland am Kurfürstendamm in Berlin

Prunkvolles Café und Restaurant am Kurfürstendamm

– Grosz im Haus Cumberland in Berlin – 

von Klaus J. Loderer

Flaniert man auf dem Kurfürstendamm, stößt man zwischen Bleitreustraße und Schlüterstraße auf einen großen historischen Baukomplex mit Risaliten, Erkern und großen Bogenöffnungen in mächtiger Rustikagestaltung. Es handelt sich um das Haus Cumberland mit wechselvoller Geschichte. Das Gebäude ist nach dem dritten Herzog von Cumberland benannt, der als Kronprinz Ernst August 1845 in Hannover geboren wurde. Sein Vater Georg V. war bis zur preußischen Annektierung letzter König von Hannover. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ernst August von englischer Seite der Titel eines Herzogs von Cumberland entzogen. Sein Urenkel ist übrigens Ernst August von Hannover, der Ehemann von Prinzessin Caroline. Doch das sei nur beiläufig erwähnt.

Grosz im Haus Cumberland in Berlin
Foto: Klaus J. Loderer
In einem der großen Bögen prangt der Name Grosz. Darin erkennt man in Berlin unschwer den berühmten Künstler. Tritt man durch den Eingang ist man sofort in der Atmosphäre des frühen 20. Jahrhunderts gefangen: Stuckdecken, Säulen, Bögen, Kronleuchter, Motive aus dem damals so beliebten Neoklassizismus. Eine Vitrine mit Törtchen, Geschirrklappern. Der Sonntagnachmittag ist vielleicht eine problematische Zeit, um ohne Reservierung in dieses Café zu gehen. Weit und breit kein freier Tisch. Es könne schon etwas dauern, bis ein Tisch frei werde, meinte entschuldigend der Herr am Empfang. Also etwas Zeit die historische Einrichtung zu betrachten. Die Törtchen im Patisserie-Verkauf sehen köstlich aus. Schon nach wenigen Minuten wird mir ein Tisch zugewiesen – unter einem kassettierten Korbbogen mit Nischen und interessanten Stuckdetails. Ich kann in die tagsüber als Café und abends als Bar genutzte geschwungene Kaminhalle mit Säulen sehen. Hinter mir geht es durch große Glastüren weiter ins Restaurant.

Afternoon Tea im Grosz in Berlin
Foto: Klaus J. Loderer
Ich wähle den Afternoon Tea (Etagère 18 € + Tee 5,50 €). Der Kellner meint noch entschuldigend, das könne einige Zeit dauern, die Küche sei etwas überlastet, aber da kommt dann doch recht schnell eine dreigeschossige Etagère. Der Tee lässt noch etwas auf sich warten, kommt dann aber bald. Die Kellnerin ist voller Entschuldigungen, weil sie keine zur Tasse passende Untertasse habe, es sei gerade alles in der Spülmaschine. Die Tasse aus Meißen ist prunkvoll blau mit Goldrand, die Untertasse schlicht weiß. Das stört mich gerade nicht. Eher hätte ich eine Stoffserviette statt der Papierserviette bevorzugt. Und ich vermisse ein Vorlegebesteck, um die Sächelchen von der Etagère zu holen. Für einen Afternoon Tea könnte die Tischbestückung stilvoller sein.

Aber die Etagère sieht schön aus. Ganz wie in England. Die oberste Etage der Etagère bietet kleine zu Dreiecken geschnittene Sandwiches, mit etwas Salat, Chips und Körner dekoriert. Lachssandwich darf nicht fehlen. Ohne Messer und Gabel nimmt man diese notgedrungen in die Hand. Für die Törtchen gibt es immerhin eine Kuchengabel. Die süße Etage bietet: ein Macaron, ein Himbeertörtchen und noch ein von einer Himbeere bekröntes Törtchen, das ist einmal Himbeere zu viel. Allerdings schmecken die Törtchen köstlich und stammen aus der hauseigenen Patisserie. Und dann kommt die klassische englische Cream-Tea-Etage, die allerdings enttäuschend ist. Die vier Stückchen trockenen Backwerks sollen wohl Scones sein. Zwei davon mit Rosinen, zwei fast salzig anmutende ohne. Dazu gibt es Marmelade und, ich erwarte Clotted Cream, und schmecke Quark.

Das Haus Cumberland ist ein bemerkenswerter Baukomplex. Es wurde 1911/12 nach Plänen von Robert Leibnitz, dem Architetken des historischen Hotels Adlon, als Bording-Palast errichtet. Unter einem Boardinghaus versteht man ein Haus mit eingerichteten Mietwohnungen,  das Verpflegungs- und Personalservice bietet, man könnte sagen eine Art Hotel für Langzeitgäste. Das Konzept griff aber nicht. 1913 ging der Betreiber in Konkurs. Kurze Zeit wurde es als Luxushotel geführt. 1914 übernahm das Kaiserliche Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt das Gebäude. Im Erdgeschossbereich entstand später das Kino Palmenhaus. Die Obergeschosse wurden über Jahrzehnte von wechselnden Behörden genutzt. Nach der Wiedervereinigung gab es sich bald wieder zerschlagende Pläne für ein Luxushotel. 2002 zog die Oberfinanzdirektion aus. Das Haus stand leer, abgesehen von Dreharbeiten für verschiedene Filme. Verwirklicht wurde schließlich die Umwandlung in Eigentumswohnungen. 2013 waren die 166 Eigentumswohnungen und 17 Penthäuser fertig. Schon vorher hatte am 6. Dezember 2012 im Erdgeschoss das Café und Restaurant Grosz eröffnet. Betreiber ist Roland Mary, Wirt des bekannten Restaurants Borchardt’s in Berlin.

Der heute als Kaffeehaus benutzte Bereich war übrigens ursprünglich als großzügiger Eingang zu den Wohnungen gedacht. Die Abfolge recht kleinteiliger Räume mit unterschiedlicher Gestaltung bis hin zu einer Kaminhalle eignet sich aber recht gut für eine gastronomische Nutzung. Obwohl die Räume nicht dazu gedacht waren, sie mit Möbeln vollzustellen. Aber das passt ganz gut. Es kann als historisches Café durchgehen, auch wenn es das nicht war. Man kann noch den alten Treppenaufgang sehen, der gerade provisorisch als Garderobe genutzt wird. Bei der Möblierung setzte man auf eine angepasste Gestaltung: also nicht der harte Kontrast sondern eine stilistisch passende kleinteilige Möblierung wurde gewählt, ebenso die von historischen Modellen inspirierten Lampen.

Ein direkter Bezug zum Künstler George Grosz besteht übrigens nicht. Der Name greift den gegenüber gelegenen George-Grosz-Platz auf und erinnert damit an einen wichtigen Künstler, der 1893 als Georg Ehrenfried Groß in Berlin geboren wurde und 1959 auch dort gestorben ist. Die Lebensdaten dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er schon im Januar 1933 in die USA emigrierte und erst 1959 wieder nach Berlin zurückkehrte.


Grosz
Kurfürstendamm 193-194

Berlin

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