Vor der Oper: Grosz im Haus Cumberland am Kurfürstendamm in Berlin
Prunkvolles Café und Restaurant am Kurfürstendamm
– Grosz im Haus Cumberland in Berlin –
von Klaus J. Loderer
Grosz im Haus Cumberland in Berlin Foto: Klaus J. Loderer |
In einem der großen
Bögen prangt der Name Grosz. Darin erkennt man in Berlin unschwer den berühmten
Künstler. Tritt man durch den Eingang ist man sofort in der Atmosphäre des
frühen 20. Jahrhunderts gefangen: Stuckdecken, Säulen, Bögen, Kronleuchter,
Motive aus dem damals so beliebten Neoklassizismus. Eine Vitrine mit Törtchen,
Geschirrklappern. Der Sonntagnachmittag ist vielleicht eine problematische
Zeit, um ohne Reservierung in dieses Café zu gehen. Weit und breit kein freier
Tisch. Es könne schon etwas dauern, bis ein Tisch frei werde, meinte
entschuldigend der Herr am Empfang. Also etwas Zeit die historische Einrichtung
zu betrachten. Die Törtchen im Patisserie-Verkauf sehen köstlich aus. Schon
nach wenigen Minuten wird mir ein Tisch zugewiesen – unter einem kassettierten
Korbbogen mit Nischen und interessanten Stuckdetails. Ich kann in die tagsüber
als Café und abends als Bar genutzte geschwungene Kaminhalle mit Säulen sehen.
Hinter mir geht es durch große Glastüren weiter ins Restaurant.
Afternoon Tea im Grosz in Berlin Foto: Klaus J. Loderer |
Ich wähle den Afternoon Tea (Etagère 18 € + Tee 5,50 €). Der
Kellner meint noch entschuldigend, das könne einige Zeit dauern, die Küche sei
etwas überlastet, aber da kommt dann doch recht schnell eine dreigeschossige
Etagère. Der Tee lässt noch etwas auf sich warten, kommt dann aber bald. Die
Kellnerin ist voller Entschuldigungen, weil sie keine zur Tasse passende
Untertasse habe, es sei gerade alles in der Spülmaschine. Die Tasse aus Meißen
ist prunkvoll blau mit Goldrand, die Untertasse schlicht weiß. Das stört mich
gerade nicht. Eher hätte ich eine Stoffserviette statt der Papierserviette
bevorzugt. Und ich vermisse ein Vorlegebesteck, um die Sächelchen von der
Etagère zu holen. Für einen Afternoon Tea könnte die Tischbestückung stilvoller
sein.
Aber die Etagère sieht schön aus. Ganz wie in England. Die
oberste Etage der Etagère bietet kleine zu Dreiecken geschnittene Sandwiches,
mit etwas Salat, Chips und Körner dekoriert. Lachssandwich darf nicht fehlen.
Ohne Messer und Gabel nimmt man diese notgedrungen in die Hand. Für die
Törtchen gibt es immerhin eine Kuchengabel. Die süße Etage bietet: ein Macaron,
ein Himbeertörtchen und noch ein von einer Himbeere bekröntes Törtchen, das ist
einmal Himbeere zu viel. Allerdings schmecken die Törtchen köstlich und stammen
aus der hauseigenen Patisserie. Und dann kommt die klassische englische
Cream-Tea-Etage, die allerdings enttäuschend ist. Die vier Stückchen trockenen
Backwerks sollen wohl Scones sein. Zwei davon mit Rosinen, zwei fast salzig
anmutende ohne. Dazu gibt es Marmelade und, ich erwarte Clotted Cream, und
schmecke Quark.
Das Haus Cumberland ist ein bemerkenswerter Baukomplex. Es
wurde 1911/12 nach Plänen von Robert Leibnitz, dem Architetken des historischen
Hotels Adlon, als Bording-Palast errichtet. Unter einem Boardinghaus versteht
man ein Haus mit eingerichteten Mietwohnungen, das Verpflegungs- und Personalservice bietet, man könnte
sagen eine Art Hotel für Langzeitgäste. Das Konzept griff aber nicht. 1913 ging
der Betreiber in Konkurs. Kurze Zeit wurde es als Luxushotel geführt. 1914 übernahm
das Kaiserliche Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt das Gebäude. Im
Erdgeschossbereich entstand später das Kino Palmenhaus. Die Obergeschosse
wurden über Jahrzehnte von wechselnden Behörden genutzt. Nach der
Wiedervereinigung gab es sich bald wieder zerschlagende Pläne für ein
Luxushotel. 2002 zog die Oberfinanzdirektion aus. Das Haus stand leer,
abgesehen von Dreharbeiten für verschiedene Filme. Verwirklicht wurde
schließlich die Umwandlung in Eigentumswohnungen. 2013 waren die 166
Eigentumswohnungen und 17 Penthäuser fertig. Schon vorher hatte am 6. Dezember
2012 im Erdgeschoss das Café und Restaurant Grosz eröffnet. Betreiber ist
Roland Mary, Wirt des bekannten Restaurants Borchardt’s in Berlin.
Der heute als Kaffeehaus benutzte Bereich war übrigens
ursprünglich als großzügiger Eingang zu den Wohnungen gedacht. Die Abfolge
recht kleinteiliger Räume mit unterschiedlicher Gestaltung bis hin zu einer
Kaminhalle eignet sich aber recht gut für eine gastronomische Nutzung. Obwohl
die Räume nicht dazu gedacht waren, sie mit Möbeln vollzustellen. Aber das
passt ganz gut. Es kann als historisches Café durchgehen, auch wenn es das
nicht war. Man kann noch den alten Treppenaufgang sehen, der gerade
provisorisch als Garderobe genutzt wird. Bei der Möblierung setzte man auf eine
angepasste Gestaltung: also nicht der harte Kontrast sondern eine stilistisch
passende kleinteilige Möblierung wurde gewählt, ebenso die von historischen
Modellen inspirierten Lampen.
Ein direkter Bezug zum Künstler George Grosz besteht
übrigens nicht. Der Name greift den gegenüber gelegenen George-Grosz-Platz auf
und erinnert damit an einen wichtigen Künstler, der 1893 als Georg Ehrenfried
Groß in Berlin geboren wurde und 1959 auch dort gestorben ist. Die Lebensdaten
dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er schon im Januar 1933 in die
USA emigrierte und erst 1959 wieder nach Berlin zurückkehrte.
Grosz
Kurfürstendamm 193-194
Berlin
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