Berlioz' „Die Trojaner“ – Oper Nürnberg – 2017

Das Pferd malen sich die Trojaner einfach selbst 

Calixto Bieitos Inszenierung von Berlioz’ „Die Trojaner“ am Staatstheater Nürnberg bleibt beliebig 

von Klaus J. Loderer

Eigentlich retten nur zwei Sänger die Neuinszenierung der Trojaner in Nürnberg. Es ist eben eine Freude Mirko Roschkowski zuzuhören, wie er einen lyrischen Aeneas (Énée) gibt. Und man freut sich am feinen Gesang von Katrin Adelals Dido. Für diese beiden Sänger bedauert man das dicke Auftragen des viel zu lauten Orchesters unter Marcus Bosch. Denn diese beiden Sänger möchte man hören. Bei andren Sängern des Abends schadet es nicht, dass sie im Orchestergetöse untergehen. Leider neigt dadurch auch der Chor an einigen Stellen zu unschönem Forte.


Roswitha Christina Müller (Cassandre), Jochen Kupfer (Chorèbe), Mirko Roschkowski (Énée), ChorFoto: Ludwig Olah

Für die Inszenierung hat man sich den vormaligen Skandalregisseur Calixto Bieito geholt, der sich allerdings schon mit seinen Arbeiten am Nationaltheater München auf die gediegene Langeweile verlegt zu haben scheint. In Nürnberg bestehen die Aktivitäten auf der Bühne vor allem auf dem Drehen des Gebäudes, das Bühnenbildnerin Susanne Gschwender auf der Bühne errichtet hat. Zwanzig Männer benötigt es, um das schwere Gebilde zu drehen. Am Ende der Drehung steht es wieder da wie vorher. Und der Chor marschiert manchmal dominant herein. So am Beginn, wenn im Hintergrund eine Frau mit sehr langem und dadurch unhandlichem Pinsel ein Pferd auf riesige Papierbahnen zu malen versucht – eine moderne Idee für das trojanische Pferd. Der als moderne Soldaten gekleidete Chor kommt symmetrisch herein. Steht sich dann gegenüber. Man denkt sich: jetzt wird die Musik einsetzen, dann gehen die beiden Chorhälften aufeinander los. Nein, das passiert nicht. Sie marschieren weiter nach vorn und stellen sich in Reihen auf. Dann setzt die Musik ein. Um diese Aufmarschierszenen zeitlich unterzubringen, hat man dann einige Stücke der Musik gestrichen – leider auch sehr schöne Stücke.  Nach einiger Zeit schleppt der Chor prunkvolle Möbel auf die Bühne (ähm, das sind die Trojaner, nicht die Griechen, die Troja plündern – im Text ist eher von Resten des griechischen Heeres die Rede), die dann nach kurzer Zeit – an der einzig leisen Stelle des ersten Akts – lautstark über den Bühnenboden gezogen werden. Dann wird die Pferdezeichnung nach vorn geschoben und am Ende des zweiten Akts reist Kassandra die Papierbahnen runter und ein riesiges Holzgerüst wird sichtbar.

Dieses Holzgerüst bildet dann den Rahmen für die Karthago-Akte. Dicke Kanthölzer bilden ein kubisches Bauwerk mit einer Zwischendecke.  Allerdings wird das Obergeschoss fast nicht genutzt: nur Narbal rennt dort einmal herum und Iopas wird dort aufgehängt, um seine Arie zu singen. Und es wie immer, wenn man kubische Bauten in eine Guckkastenbühne stellt: nämlich ziemlich effektlos. Nur am Ende entfaltet das Bauwerk eine tolle Wirkung, wenn es in vier Teile zerlegt wird, die dann mit Zwischenräumen die Bühne dekorieren. Dieses Zerlegen des Bauwerks mit viel Radau hat dann immerhin eine gewisse Logik. Der im Vordergrund verzweifelt kauernde Aeneas, mag den Radau als Hämmern in seinem Schädel wahrnehmen. Er haucht dann kotzend unter einer Überdosis Tabletten sein Leben aus. Das ist etwas anders als in der Opernhandlung, denn eigentlich soll er sich mit seinen Mannen über das Meer nach Italien aufmachen, um Rom als neues Troja zu gründen. Damit wird es dann nichts. Das Finale wird somit zum Doppelselbstmord, wenn Dido sich ihrerseits umbringt (dieser Selbstmord steht im Libretto) und im Sterben zwar den Rächer Karthagos, Hanibal, ankündigt, aber zugleich auch visionär die Unsterblichkeit Roms ahnt.

Ansonsten sind die stark gekürzten Karthago-Akte eine Geschichte um Geld und Macht: die ankommenden Trojaner verteilen Geld aus großen Taschen und behängen vier Statistinnen mit Schmuck, denn Didos Schwester einsammelt. Warum der Chor in weiße Overalls mit Mundschutz gekleidet ist, erschließt sich nicht so ganz. Im Orchesterzwischenspiel verkleiden sich die Protagonisten mit afrikanischen Masken und schneiden Choristen die Gurgel durch (ein Rückbezug auf den Kollektivselbtmord am Ende Trojas, bei dem Kassandra den Trojanerinnen die Gurgel durchschneidet?), oder tun so, denn die Choristen stehen gleich wieder auf. Ein Afrikabezug besteht natürlich, ein wilder Häuptling bedroht Dido. In der Annäherung zwischen Dido und Aeneas beschmiert man einen nackten Statisten mit Öl, was auch immer das bedeuten mag. Vieles bleibt dunkel. Eine Botschaft vermittelt sich nicht unbedingt.

Besuchte Vorstellung: 15. Oktober 2017
(Premiere 8. Oktober 2017)

Opernhaus Nürnberg

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