Berlioz' "Trojaner" – Staatsoper Hamburg – 2015

Und wieder kippt die Rückwand 

Berlioz' „Trojaner“ an der Hamburgischen Staatsoper 

Wenn ein Regieteam mit einer kompletten Oper nicht zurechtkommt und sie deshalb stark kürzt, erweist sich meistens, daß selbiges Team auch mit der gekürzten Variante nichts anzufangen weiß. Das hat sich nun in Hamburg wieder gezeigt. Da wurden Berlioz' „Trojaner“ um eine Stunde gekürzt, gefühlt war die Vorstellung aber eine Stunde länger als üblich. Zur vierstündigen Langeweile trugen maßgeblich das uninspirierte Dirigat von Kent Nagano und die Regie von Michael Thalheimer bei. Das Bühnenbild von Olaf Altmann bot wenig zu schauen und die Kostüme von Michaela Barth waren die übliche Ansammlung aus dem Altkleidercontainer (die man sicher für eine große Menge an Steuergeldern maßgeschneidert hat). Laut und polternd ohne jegliche Feinheit wurde die Musik von Berlioz vom Orchester rausgeschmettert. Alle Gefühlsstimmungen gingen komplett unter. Auf der Bühne bot sich eine konzertante Aufführung: die Rückwand wird gekippt, der Chor marschiert frontal von hinten auf die Bühne, singt, im Vordergrund zappelt eine Sängerin hysterisch, der Chor geht rückwärts raus, die Klappe geht zu, die Klappe geht auf, der Chor kommt rein, eine Sängerin zappelt hysterisch im Vordergrund, der Chor geht wieder raus, die Rückwand dreht und dreht und dreht. Als in der Jagdszene dann wohl sogar dem Regisseur auffiel, daß das langweilig werden könnte, ließ er es regnen. Man freut sich immer, wenn Planstellen im Regengetöse untergehen. Und dann stürzte viel rote Farbe herab, und Kassandra beschmierte Wände und alle zufällig Anwesenden mit roter Farbe. Das war eigentlich die einzige Regiehandlung Irgendwelche Leute schmieren rote Farbe oder werfen Farbbeutel. Abgesehen davon, daß die Hauptdarstellerinnen eifrig zucken mussten. Immerhin durfte man Torsten Kerl als Enée hören, der allerdings gegen Ende mit einer kleinen Indisposition zu kämpfen hatte. Catherine Naglestad, Elena Zhidkova und Katja Pieweck als Cassandre, Dino und Anna sorgten für Wohlklang. Verstanden hat man vom Text übrigens kein Wort. Es soll französisch gesungen worden sein.

Klaus J. Loderer


Besuchte Vorstellung: 1. Oktober 2015
Staatsoper Hamburg


Les Troyens: Catrin Striebeck, Chor der Hamburgischen Staatsoper
Foto: Hans Jörg Michel

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