Buchbesprechung: Susanne de Ponte: Ein Bild von einem Mann – gespielt von einer Frau

Die Hosenrolle im Theater 

Susanne de Ponte untersucht die wechselvolle Geschichte der Hosenrolle im Theater 

Beim Thema Hosenrolle in der Oper denkt man natürlich sofort an Cherubini in Mozarts »Figaros Hochzeit« oder an Octavian in »Der Rosenkavalier« von Richard Strauss. Im Musical sind immerhin Verkleidungen in beide Richtung bekannt, so in »La cage aux folles« der Travestiekünstler Albin oder in »Victor/Victoria« die Sängerin Victoria, die sich als Mann verkleidet, der als Damenimitator auftritt. Beim Schauspiel würde wahrscheinlich heute eher umgekehrt die Travestie vom Mann zur Frau einfallen, man denke nur an »Charleys Tante«. Vermutlich würde man den Gedanken als abwegig betrachten, dass man im Schauspiel eine Männerrolle mit einer Frau besetzen würde, doch gerade das kam und kommt häufiger vor als man denkt. Man denke nur an die famose Marianne Hoppe als König Lear. Und Hamlet war eine der Paraderolle von Sarah Bernhardt, die berühmt war für ihre Männerrollen. Bei Hamlet wollte man mit der romantischen Sichtweise einer femininen Männlichkeit Feinsinnigkeit, Gefühlsbetontheit oder Unentschlossenheit hervorheben, so Susanne de Ponte in ihrer kürzlich erschienenen Studie zur Hosenrolle im Theater.

Der Name de Ponte ist unseren Lesern natürlich geläufig durch den Künstler Josef de Ponte, der durch seine Zeichnungen seit Beginn »Unsere Post« mit geprägt hat. Seine Tochter, die Kunsthistorikerin Dr. Susanne de Ponte, ist am Deutschen Theatermuseum in München tätig und dort speziell für die Sammlungsbestände Grafik, Modelle, Gemälde und Skulptur zuständig. Der Anlass für die vorliegende Publikation war denn auch die Auswertung der Sammlungsbestände auf das Thema Hosenrolle. Dazu hat das Deutsche Theatermuseum in München umfangreiche Bestände, die man aber natürlich erst einmal für dieses Thema erschließen muss. Obwohl man das Thema auf den ersten Blick vielleicht als etwas exotisch betrachten würde, ist die Literaturliste dazu doch gar nicht so kurz, wie selbst ein flüchtiger Blick auf das umfangreiche Literaturverzeichnis am Ende zeigt. Doch ist es das Verdienst Susanne de Pontes die bisher wohl umfangreichste und auch differenzierteste Darstellung zum Thema erarbeitet zu haben. Sie gibt in ihrer Studie immerhin einen Überblick von der Antike bis heute und untersucht dazu auch alle Gattungen des Theaters sehr genau.

Susanne de Ponte hat nun nicht einfach alle Hosenrollen aufgezählt, sondern es geht ihr auch um die Rolle der Frau im Theaterspiel. Die Hosenrolle spielt »mit scheinbar festgesetzten Kategorien des Geschlechts«. Sie kann einen Mann präzise nachahmen, sie kann männliche Typologien aber auch ironisch übersteigern.

Die Autorin identifiziert die Hosenrolle als epochenübergreifendes Phänomen seit der Renaissance, seit Frauen als professionelle Darstellerinnen im Theater auftraten. Dabei macht sie Hochphasen aus, in denen Hosenrollen häufig auftraten. Es gab aber auch Phasen, in denen Hosenrollen durch Zensur oder Ideologien eher selten auftraten.

Bei der Untersuchung der Hosenrolle unterscheidet sie nach verschiedenen Typen. Der Grundtyp wäre die »echte Hosenrolle«, also eine Männerfigur, die von einer Frau gespielt wird. Dazu kann es in einer Oper etwa kommen, wenn eine Frauenstimme verlang wird. Ein solches Beispiel wäre der Cherubino in »Figaros Hochzeit«. Dann gibt es in vielen Theaterstücken das Thema einer Frau, die sich zeitweilig als Mann verkleidet. Diese bezeichnet Susanne de Ponte als »verkleidete Hosenrolle«. Hier wird die Schauspielerin als Frau vorgestellt, verkleidet sich dann in einen Mann, bis sie dann am Ende wieder in die weibliche Rolle zurückschlüpft. Ein Beispiel gibt es in »Die Macht des Schicksals« von Giuseppe Verdi: Leonora de Vargas verkleidet sich auf der Flucht in einen Mann. Neben der Verkleidung in einen Mann aus Not findet man einige Frauenrollen, in denen diese sich in einen Diener verkleiden, um bei dem Mann, der sie verlassen hat, in Dienst zu treten. Gelegentlich nutzen dies Autoren zur Andeutung einer pikanten erotischen Verwicklung. Eine dritte Gruppe bezeichnet Susanne de Ponte als »falsche Hosenrolle«. Hier spielt eine Frau eine Frau, die mit Eigenschaften versehen wird, die man früher eigentlich eher einem Mann zusprechen hätte, indem sie z.B. Waffen trägt oder eine Kleidung trägt, die an Männerkleidung erinnert. Die klassischen Beispiele wären etwa die Amazonen oder Schillers »Jungfrau von Orleans«.

Die Autorin geht nach ihrem Rundgang durch die Theatergeschichte auch der Frage nach der Hosenrolle im aktuellen Theater nach.

Da Susanne de Ponte zahlreiche alte Stücke als Beispiele anführt, die heute nicht mehr geläufig sind, hat sie bei Antike und früher Neuzeit kurze Inhaltsangaben eingebaut. Diese sind als »Plot« grau unterlegt und so gut kenntlich gemacht. Das ist dem Leser gegenüber sehr nett, damit man nicht dauernd im Theaterlexikon blättern muss.


Auf der beiliegenden CD-ROM findet man verschiedene Dateien mit Tabellen mit Hinweisen zu den erwähnten Stücken. Durch die unterschiedliche Sortierung kann man dann nach Autoren, Komponisten, Entstehungszeit oder Stücktiteln suchen. Und natürlich wird auch noch genau nach den unterschiedlichen Arten von Hosenrollen unterschieden.

Klaus J. Loderer



Susanne de Ponte:

Ein Bild von einem Mann – gespielt von einer Frau
Die wechselvolle Geschichte der Hosenrolle auf dem Theater

Unter Mitarbeit von Veronika Wagner und Anastasia Fischer. Hrsg. vom Deutschen Theatermuseum München. 
Edition Text + Kritik im Richard-Boorberg-Verlag München 2013 
(Kataloge zum Bestand des Deutschen Theatermuseums; 2)
313 Seiten, 297. Ill. + 1 CD-Beil.

ISBN 978-3-86916-271-3



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