Rossinis Oper Semiramide – Nationaltheater München – 2017

Intrige im orientalischen Palast 

– „Semiramide“ von Rossini am Nationaltheater München – 

von Klaus J. Loderer

Wie Gioachino Rossini wurde auch Michele Mariotti in Pesaro geboren. Sein Operndebut als Dirigent gab Mariotti übrigens auch mit Rossini, nämlich mit „Il barbiere di Siviglia“ in Salerno. Nun dirigiert Mariotti am Nationaltheater München Rossinis tragische Oper „Semiramide“, in der es um die babylonische Königin Semiramis geht. Für diese hat man sich zu Rossinis Lebzeiten wahrscheinlich eher interessiert als heute, gilt sie doch als Schöpferin der legendären hängenden Gärten, einem der sieben Weltwunder der Antike. Damit konnte das Publikum damals etwas anfangen. Heutzutage kommt die Region auch nicht aus den Schlagzeilen. Man könnte witzeln, dass es dort immer noch wie in der Oper zugeht. Regisseur David Alden belässt die Opernhandlung in der Region verlegt sie aber um ein paar Tausend Jahre ins 20. Jahrhundert. Die an einen Teppich erinnernden dekorativen Muster auf dem Fußboden sollen uns den Palast eines imaginären orientalischen Herrschers zeigen (Bühne Paul Steinberg).

„Semiramide“ an der Bayerischen Staatsoper:Alex Esposito, Joyce Didonato und Daniela Barcellona
© Wilfried Hösl

Semiramide inszeniert sich darin als trauernde Königin im Glanz ihres verblichenen Ehemanns, der auf überdimensionalen Fotos mit glücklicher Familie vor Bergsees (so eine Art Schah-Familie) ebenso zu sehen ist wie als monumentale Statue im Zentrum der Bühne (wie sich Despoten eben so verewigen ließen). Am Hof tummelt sich eine orientalische Hofgesellschaft, Haremsdamen, zappelnde Geistliche und ein Regiment der Fremdenlegion. Nach fünfzehn Jahren Trauer soll die Königin nun einen neuen König bestimmen. Ihr Geliebter Assur (und Mörder des Königs) hofft auf den Thron, den Semiramide aber Arsace zugedacht hat, den sie liebt. Sie weiß nicht, das er eigentlich ihr vermisster Sohn ist. In der Inszenierung bringt er in einer Kiste neben Krone und Königsschwert auch gleich einen Brief mit, der Assur und Semiramide des Mordes bezichtigt. Dann gibt es noch einen indischen Fürsten, der die Prinzessin Azema (das goldene Wesen) liebt, die aber in Arsace verliebt ist. Nach zwei Stunden Handlung ist man noch viel weiter, außer dass man unendlich viel schöne Musik gehört hat und sich dann endlich mal wieder etwas tut, der Boden klafft auf und der Geist des Königs kommt aus dem Grab hervor. Zum zweiten Akt liegt eine neue Partiturschwarte auf dem Dirigentenpult, es stehen also noch einmal eineinhalb Stunden an. Um das Verhältnis zwischen Semiramide und Assur zu verdeutlichen steht nun ein Bett auf der Bühne und die Decke hängt schräg nach unten. Dass Semiramide sich dann auf allen Vieren dekorativ im Bett platziert, nutzt Assur dann auch gleich aus. Um dem Zuschauer die Zeit etwas zu vertreiben, wandern die Wände dann gelegentlich hin und her.

Für die Verlobung des indischen Fürsten Idreno mit Azema gibt es dann noch ein paar indische Kostüme zu sehen und indische Tänze. Wenn Arsace vom Priester Oroe erfährt, dass er der Sohn des Königs ist, wird seine Kindheit beschworen: um eine Psychoanalyse im Zeitraffer durchzuführen, erscheint im Hintergrund sein Kinderzimmer mit Familienbild und Pferdchen. Arsace möchte dann mit seinen Fremdenlegionären noch einen Staatsstreich durchführen, indem er Arsace umbringt. Dann hat der Dirigent viele Seiten umgeblättert und nur noch ein kleines Häufchen ist auf der rechten Seite übrig: also Showdown. Ein schwarzer Vorhang geht herunter. Wir sollen in der Gruft des Königs sein. Dort finden sich dann alle Beteiligten wieder ein. Oroe ist da, Assur möchte Arsace umbringen, Arsace soll den Königsmord rächen, Semiramide bangt um Arsace und hat sich ganz schwarz gekleidet. Nun ist sie vor dem schwarzen Vorhang auch gar nicht mehr zu sehen, welch glücklicher Umstand für die Regie, dann ist es auch für den Zuschauer überzeugend, dass Arsace versehentlich seine Mutter umbringt. Allerdings zieht man den Vorhang dann wieder hoch und macht mehr Licht. Man sieht die Beine der Königsstatue und der Zuschauer erkennt nun ganz genau, wer wo auf der Bühne ist. Nur Arsace erkennt nicht, dass er gerade seiner Mutter die Kehle durchschneidet? Gut, die Szene hat zu viel Musik für eine schnelle Action-Szene. Wie auch immer. Arsace ist jetzt natürlich ganz traumatisiert. Und der Chor feiert aus dem Lautsprecher den neuen König.

Da stellen sich dann doch Längen ein. Das irgendwie immer gleich bleibende Bühnenbild sorgt trotz wenig überzeugendem Verschieben der Wände auch nicht gerade für Abwechslung.

Als Semiramide hat man sich den Star Joyce DiDonato geholt. Sehr überzeugend – sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch – der Bösewicht der Oper, Alex Exposito als Assur. Auch gut der Tenor Lawrence Brownlee als indischer Fürst Idreno. Michele Mariotti leitete das bayerische Staatsorchester zügig und überzeugend.


Besuchte Vorstellung: 23. Februar 2017

Nationaltheater München

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