Salome – Vlaamse Opera Gent – 2005
Liebe und Leidenschaft auf der Treppe
»Salome« mit Livia Budai an der Flämischen Oper
Die eindrucksvolle Inszenierung von Richard Strauss'
Oper Salome der Staatsoper Hamburg übernahm die Flämische Oper, die Theater in
Antwerpen und Gent bespielt, in der laufenden Spielzeit. Willy Decker (Regie)
und Wolfgang Gussmann (Bühnenbild) verlegten die in der Bibel angedeutete
Handlung, die Oscar Wilde für die Bühne adaptiert und erweitert hatte, in einen
mächtigen, von hohen Wänden begrenzten Raum, der von einer riesigen Treppe
beherrscht wird. Ein Stück dieser Treppe ist eingestürzt. Der entstandene Spalt
bildet den Zugang zu einem unterirdischen Raum, in dem Jochanan (Johannes der
Täufer) gefangen gehalten wird. Beeindruckend wirkte diese Reduktion auf das
architektonische Motiv. Auch die Kostüme enthielten sich in ihrer Neutralität
jeglicher historischen Andeutung. Die Andeutung archaischer Motive in der
Kleidung entrückte die Personen aus der Gegenwart. Nur die stilisierten Kronen
machten Herodes und Herodias als König und Königin deutlich. Die zersplitterte
Treppe in einem Raum von ansonsten klarer Ästhetik – im prunkvoll
historistischen Opernhaus von Gent ein starker optischer Kontrast – mag auch
als Symbol einer im Sinken begriffenen Gesellschaft sein. Das Absteigen und
Aufsteigen der Personen im Spiel um Gunstbezeugung, Demonstration von Macht,
Anbiederung, Liebesbezeugung und Hassbekundung wurde zum bestimmenden
szenischen Element.
Mächtig beschallte das Orchester diesen Bühnenraum, exakt mit
viel Gefühl für die Feinheiten der Partitur geführt von Ivan Törzs. Dieser ist
seit 2002 Chefdirigent der Flämischen Oper. Bekannt wurde der amerikanische
Dirigent als Generalmusikdirektor der mecklenburgischen Staatstheater Schwerin,
wo er mit einem ambitionierten Spielplan auftrat und viele »Altstars« an sein
Haus holte. Sein musikalischer Schwerpunkt liegt im deutschen Fach, besonders
in der Zeit der Spätromantik und der Jahrhundertwende.
Was die Sänger angeht, hatte die flämische Oper ein
internationales Ensemble zusammengestellt. Allerdings konnte die
österreichische Sopranistin Anna-Katharina Behnke (Salome) in der Höhe nicht
überzeugen. Stimmgewaltig füllte der Bassbariton James Johnson als Jochanan den
Raum. In den beiden Tenorpartien überzeugten Peter Bronder (Herodes) und Markus
Petsch (Narraboth).
Eine schon allein ob ihres schauspielerischen Darstellungsvermögens
eindrucksvolle Sängerinnen ist Livia Budai. Sie kann nicht nur mit stimmlichem
Ausdruck die Bühne beherrschen. Die Rolle der Herodias gehört zu ihren
Glanzpartien. Sie verkörperte in Gent eine starke Frau, die versucht, Hofstaat
und König zu beherrschen. Nach ihrer Flucht aus Ungarn war Livia Budai 1977
zuerst am Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen. Schnell fand sie Engagements
in großen Häusern wie Covent Garden in London, San Francisco Opera, Wiener
Staatsoper, Hamburgische Staatsoper, Teatro Liceu in Barcelona, Metropolitan
Opera New York und Nationaltheater München. Zu ihrem Repertoire gehören die
großen Mezzosopranrollen wie Azucena, Eboli, Brangäne, Kundry, Ortrud, Fricka,
Herodias, Ulrica, Elisabetta, Giulietta,
Laura (La Gioconda), Amneris, Carmen, Judith (Herzog Blaubarts Burg)
oder Cassandra (Troyaner). Am königlichen Opernhaus in Brüssel debutierte sie
als Fürstin Eboli in Verdis Don Carlo. Inzwischen ist Brüssel ihre neue Heimat
geworden. Zuletzt war sie als Jocasta in Oedipus Rex in Lüttich zu sehen.
Klaus J. Loderer
Vlaamse Opera, Opera Gent
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