Buchbesprechung Rodica Vârtaciu-Medelet: Barock im Banat
Buchbesprechung
Rodica Vârtaciu-Medelet
Barock im Banat
Eine europäische Kulturlandschaft
Das Banat als eine besondere Kulturlandschaft stellt die nun
übersetzte Studie der rumänischen Kunsthistorikerin Rodica Vârtaciu-Medelet
vor. Die Autorin konnte sich als Kustodin des Banater Museums intensiv mit
dessen Barocksammlung befassen und lehrt heute Kunstgeschichte an der
Universität Temeswar. Die vorliegende Studie ist eine Übersicht zur barocken
Kunst im Banat, die eine schöne Übersicht zu Architektur, Plastik und Malerei
des 18. Jahrhunderts in dieser besonderen Region bietet, die sich als
eigenständige Kunstlandschaft bis heute stark vom restlichen Rumänien
unterscheidet.
Nach dem Sieg des Prinzen Eugen über die
osmanischen Truppen 1716 ist es vor allem die barocke Kunst, die bis heute ein
wichtiges Element der Stadt Temeswar und des Banats darstellen. Es sind die
Neuvermessung des Landes und die Neuplanung der Dörfer und Städte, die die
Region bis heute prägen. Diese Neuplanung unter der Ägide des Gouverneurs Graf
Claudius Florimund Mercy d’Argenteau
konnte auch durchgeführt werden, weil das Banat nach der Rückeroberung direkt
der kaiserlichen Krone unterstellt wurde und so dem Einfluss des ungarischen
Adels entzogen war. Denn im Mittelalter hatte das Banat natürlich zum
Königreich Ungarn gehört. Nun leitete Mercy einen umfangreichen
Modernisierungsprozess dieser neuen Grenzregion der habsburgischen Erblande
ein.
Neben der Trockenlegung der Sümpfe und der
Anlage einer neuen Infrastruktur im Banat bedeutete diese Modernisierung für
Temeswar den Ausbau zum Zentrum der Region. Dies ist bis heute deutlich
erkennbar am Domplatz, an dem sich die beiden Kathedralen gegenüber stehen.
Markant ist der katholische Dom als neues religiöses Zentrum und Symbol für das
Kaiserhaus (nach der Verlegung des Bischofssitzes aus Csanád nach Temeswar).
Gegenüber steht die orthodoxe Kathedrale, die heute als serbische Kathedrale
bezeichnet wird. Mit den sog. illyrischen Privilegien hatte Kaiser Leopold I.
den serbischen Truppen für die Unterstützung gegen die Osmanen gedankt. So ist
die privilegierte Stellung der serbischen Kirche zu verstehen – da Bischof und
Priester üblicherweise Serben waren, wurden allerdings die rumänisch-orthodoxen
Gläubigen sprachlich in den Hintergrund gedrängt. Beide barocke Kathedralen,
dazu das ebenfalls barocke Komitatspalais, prägen bis heute den Domplatz von
Temeswar. Zur alten Stadtansicht sind die abgebildeten Aquarelle von Anton
Fiala sehr interessant.
Es ist allerdings die militärische Architektur,
mit der Rodica Vârtaciu-Medelet ihre Analyse beginnt. Dies ist berechtigt,
waren es doch vor allem Kasernen und Wehranlagen, die die Städte nach der
Rückeroberung sichern sollten. Die Zeit der Kriege mit den Osmanen war
schließlich noch nicht zu Ende. Als moderne Festungen wurden Temeswar, Arad und
Orschowa angelegt. Die Autorin spürt auch den beteiligten Baumeistern nach. Sie
stellt fest, dass es im Bauwesen leicht gewesen sein muss in Temeswar schnell
Karriere zu machen. Ein Beispiel sei der aus Neiße in Oberschlesien stammende
Kaspar Dissel, der als einfacher Techniker nach Temeswar gekommen sei und
schließlich Bauleiter des Doms wurde. Neben einfachen Wohnhäusern entstand in
Temeswar auch eine große Zahl an Stadtpalästen, darunter das bemerkenswerte
Generalatspalais. Die Autorin erinnert auch an das nicht mehr existierende
Jagdschloss in der Nähe von Temeswar, zu dem kürzlich Pläne aufgetaucht sind.
Dessen extravaganter Grundriss steht in der Tradition barocker Gartenschlösser
in Wien und Italien. Die Untersuchung der Profanbaukunst beschränkt die Autorin
auf Temeswar. Es ist allerdings schade, dass sie die städtebaulichen Maßnahmen
und die Dorfneuplanungen mit ihren teilweise bemerkenswerten Grundrissen nicht
einbezogen hat.
Im Zentrum der Untersuchung steht natürlich die
sakrale Kunst. Ausführlich geht Rodica Vârtaciu-Medelet auf die
Kirchenarchitektur ein. Hier sind es wieder die Kirchen in Temeswar, die sie
zuerst untersucht: die nicht mehr existierende Jesuitenkirche,
Katharinenkirche, Barfüßerkirche, Dom und serbische Kathedrale. Den Dom
schreibt sie anhand der kürzlich in Budapest aufgetauchten Pläne nun eindeutig
dem Wiener Architekten Josef Emmanuel Fischer von Erlach zu. Bei der
Sakralarchitektur untersucht die Autorin auch die katholischen Kirchen in den
neuen deutschen Dörfern. Der Barockstil hatte aber auch seinen Einfluss auf die
orthodoxe Kirchenbaukunst. Äußerlich sind diese nicht von den katholischen
Kirchen zu unterscheiden. Beide entstanden nach fast identischen Musterplänen. Auch
auf die orthodoxen Klosterbauten hatte der Barockstil großen Einfluss. Deren
Kirchenbauten behalten aber durch ihre oktogonalen Kuppelbauten eine gewisse
Eigenständigkeit. Einen wichtigen Kirchenbau stellt auch die Franziskanerkirche
Maria Radna als Wallfahrtskirche mit großem Einzugsgebiet dar.
Im Bereich der Skulptur dominiert die sakrale
Kunst völlig. Hier bildet die Dreifaltigkeitssäule in Temeswar das zentrale
Objekt. Es folgt die religiöse Malerei mit zahlreichen Altarbildern und einigen
Deckengemälden in Kirchen. In einem separaten Kapitel untersucht die Autorin
den Einfluss des Barockstils auf die orthodoxe Malerei. Die neuen
künstlerischen Ausdrucksmittel seien in origineller Weise mit den Traditionen
zum sog. serbischen Barock verbunden worden. Aber auch im Banat habe der Barock
großen Einfluss auf die Gestaltung der Ikonostasen gehabt.
Eine eigenständige Porträtmalerei macht die
Autorin für das ausgehende 18. Jahrhundert in Temeswar aus. Ob man diese Bilder
allerdings noch dem Barock zurechnen kann, ist eine andere Frage.
In Ansätzen macht die Autorin auch eine
Querverbindung zur Architektur in Siebenbürgen aus. So bemerkt sie etwa die
Ähnlichkeit zwischen dem Teleki-Palais in Klausenburg und dem Mercy-Haus in
Temeswar, ansonsten man die Querbeziehungen zu anderen Gebieten Ungarns oder zu
Wien ruhig etwas genauer darstellen können.
Klaus
J. Loderer
Rodica Vârtaciu-Medelet
Barock im Banat
Eine europäische Kulturlandschaft
Übersetzung aus dem Rumänischen von Stefan Melwisch und Simina Melwisch-Biraescu. Schnell & Steiner Verlag Regensburg 2012
ISBN 978-3-7954-2607-1
430 Seiten, zahlr. Ill.
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