Opernkritik: Richard Wagners „Tannhäuser“ – Oper Köln – 2017

Herausragende Chorszenen

Richard Wagners „Tannhäuser“ der Oper Köln im Staatenhaus 

Eigentlich hätte man spätestens in der zweiten Pause gehen sollen. Man konnte sich vom dritten Aufzug nichts mehr erwarten. Konnte man auf einen einfühlsamen „Abendstern“ und eine spannende Romerzählung hoffen? Hoffen konnte man schon. Die Regie versprach nach zwei nichtssagenden Akten aber auch nur eine weitere Stunde Langeweile. So kam es dann leider auch.


Tannhäuser der Oper Köln: David Pomeroy (Tannhäuser) und Dalia Schaechter (Venus)© Bernd Uhlig
Die Rede ist vom neuen „Tannhäuser“ im Staatenhaus in Köln. Fangen wir mit den erfreulichen Dingen an, die es immerhin gab. Da ist der von Andrew Ollivant glänzend einstudierte Chor zu nennen. Das war nun wirklich eine positive Überraschung. Und auch das Gürzenich-Orchester war gut aufgestellt, von François-Xavier Roth flott und spannend geführt. Karl-Heinz Lehner brachte eine erfreuliche Leistung als Landgraf. Brit-Tone Müllertz hatte eine sichere Höhe als Elisabeth, was man von David Pomeroy als Tannhäuser leider nicht so ganz sagen kann. Ansonsten passten alle Sänger stimmlich nicht so ganz zu ihren Rollen. Und Dalia Schaechter als Venus ist schon eine sehr gewagte Besetzung, allerdings hat sie einen starken Ausdruck.

Darko Petrovics Bühnenbild hat interessante Aspekte. Das Orchester ist in einem unregelmäßig im braunen Boden eingebrochenen Loch mit ausgefransten Rändern versenkt. Dies kontrastiert mit einer von innen beleuchteten kubischen Stützen- und Balkenkonstruktion, die die breite Bühne rahmt. Zwei weitere „Türme“ sind manchmal im Hintergrund, können aber auch quer durch das Orchester nach vorne gefahren werden und ergänzen sich dann zu einem Bühnenrahmen mit drei Öffnungen. In der Mitte führt ein Metallsteg über das Orchester nach vorne.

Regisseur Patrick Kinmouth konzentriert sich in seiner Regie auf symbolhafte Bilder. So wird die schwarz gekleidete Venus auf der rechten Seite linkerhand von einer weiß-blau gekleideten Frauengestalt ergänzt, die man als Maria interpretieren kann. Eine schon im ersten Aufzug auf dem Steg auftauchende Frauengestalt ist als Elisabeth zu erahnen: also Elisabeth im Zwiespalt zwischen keuscher Liebe und Lust. Das könnte spannend werden, wird es aber nicht. Irgendwann hält Elisabeth dann Maria in den Armen – wie eine Pietà. Was man mit diesem Symbol anfangen soll, weiß man nicht so recht.

Auch Wolfram treibt sich schon zu Beginn auf der Bühne herum und malt auf einem Stuhl links ein Bild (von Elisabeth). Tannhäuser sitzt gelangweilt rechts auf der Bühne. Für die Orgie im Venusberg (man spielt die Dresdner Fassung) fährt im Hintergrund der schwarze Vorhang auseinander und man sieht die Ritter des Eisenacher Hofs sich auf Tischen niederlassen und mit Laptops herumhantieren. Da sich einige Statisten dabei (natürlich nicht ganz) ausziehen und räkeln, sollen wir wohl ahnen, dass sie sich Pornofilmchen anschauen. Die dabeistehenden rothaarigen Statistinnen ziehen dann irgendwann frustriert ab und wenden sich nun Tannhäuser zu, der auch eher weniger Interesse an ihnen hat, dann marschieren sie eine Runde über die Bühne und wenden sich wieder den Rittern zu. Überhaupt marschiert das Statistinnengeschwader häufig im Stechschritt über die Bühne. Im dritten Akt tun sie es dann als weiße Marienmädchen. Die Leistung des Choreographen Athol Farmer ist wohl ihre immer wiederkehrende Handbewegung. Der schwarz befrackte Männerchor ist durch Wanderstäbe mit Kreuz als Pilger kenntlich gemacht. Und die Jagdgesellschaft des Landgrafen ist natürlich entsprechend gekleidet. Überhaupt staffierte Annina von Pfuel alle Teilnehmer ziemlich uniform aus. Die Herren können ihren Frack für den zweiten Akt gleich anbehalten, die Chordamen tauchen im einheitlichen grünen Kleid mit schwarzem Turban auf. Der Herrenchor bekommt dann irgendwann noch einen schwarzen Umhang. Für den dritten Akt hat sich der Herrenchor im Schlamm gewälzt – mögen es nun die sichtbaren Strapazen der langen Romwanderschaft sein oder der Hinweis auf eine Gesellschaft im Untergang.

Gibt es auch eine Handlung? Irgendwie und auch wieder nicht. Es bleibt alles nebulös. Einige Regieeinfälle sollen genannt sein: im zweiten Akt taucht Venus (die da eigentlich nicht vorkommt) mit einer Axt auf, mit der Tannhäuser dann die auf Stühle springenden Statistinnen fällt, bevor er die Axt dann in einem Loch im Boden versenkt, der sich zuvor als der von den Sängern beschworene Bronnen aufgetan hat. Im dritten Aufzug Ende sitzt Elisabeth nach ihrer Arie dann noch einige Zeit verloren am linken Bühnenrand, bevor sie dann abgeht. Ihre erstaunlich schnell abgemagerte Leiche (eine Statistin) wird dann von rechts über die Bühne getragen, dann um die Bühne herum und dann in der Mitte auf dem Steg abgestellt, auf dem dann die Elisabeth-Sängerin wieder auftaucht. Sie und Tannhäuser gehen dann nach hinten im Nebel ab. Was sagt uns das alles? Keine Ahnung.

Klaus J. Loderer

12. Oktober 2017
(5. Vorstellung nach der Premiere am 24. September 2017)

Oper Köln im Staatenhaus Köln

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