Rheingold – Gent – 2006

Machtkampf in der Medienwelt 

Wagners »Rheingold« an der Flämischen Oper in Gent

Die Werke Richard Wagners gehören zu den Spezialgebieten des Dirigenten Ivan Törzs. Nun macht er sich als Generalmusikdirektor der Flämischen Oper an den Aufbau eines neuen »Rings«, der mit dem »Rheingold« am Opernhaus in Gent begann. Musikalisch überzeugte der Auftakt schon nach den ersten Minuten. Auch bei den Sängern fand sich ein gutes Ensemble zusammen. Besonders die beiden Bässe Egilis Silins (Wotan) und Werner van Mechelen (Alberich) überzeugten.

Geschmiedet wird im neuen »Ring des Nibelungen« nicht gerade. Die neue Medienwelt dient als Folie der Interpretation von Ivo van Hove. Entsprechend sind die Rheintöchter nicht mehr Schützerinnen eines goldenen Klumpens, der zu einem Ring geschmiedet, die Macht über die Welt verheißt. In der neuen Welt arbeiten sie statt dessen in einem Rechenzentrum (Bühne: Jan Versweyveld), das sie aber wie die alten Rheintöchter doch eher schlecht schützen. Mit ihrer Plapperei verraten sie Alberich das Geheimnis. Alberich raubt schließlich die Festplatte des Hauptrechners. Er baut sich daraus ein Medienimperium auf. Sein Bruder Mime wurde vom Schmied zum Programmierer und schafft schöne Programme für neue Cyberwelten: aus der Tarnkappe wurde ein Speicherstick. Hier verwandelt sich Alberich natürlich nicht mehr selbst in Riesenwurm und Kröte, zu einem Großbild vereinigten Bildschirme zeigen die scheinbare Realität (Video: Tal Varden und Patricia Fox). Unter dem Vorwand der Gerechtigkeit nimmt Obergott Wotan (wohl der Chef des Konkurrenzunternehmens) Alberich Hard- und Software weg. Als moderner Manager sinnt er heimlich danach, diese Dinge in sein eigenes Unternehmen einzubauen. Nicht lang kann sich Wotan der Mediendinge freuen, fordern doch die Riesen (hier die Chefs eines Bauimperiums, die sich wohl auch auf die Medienbranche verlegen wollen), die Wotan einen gläsernen Walhalla-Pavillion im Mies-van-der-Rohe-Stil bauten, Alberichs Bildschirme. Erda überzeugt Wotan schließlich davon, den Riesen den Bildschirmhort zu überlassen. Alberichs Fluch über den in diesem Fall natürlich nicht vorhandenen Ring (eigentlich etwas altmodisch, ein Computervirus wäre doch aktueller gewesen) schafft schnell ein erstes Opfer. Der Riese Faffner erschlägt seinen Bruder Fasold im Streit um den Ring. Dies hindert die Götter nicht daran ihr neues Walhalla-Heim mit einer Multikulti-Party einzuweihen.

Dass man nichts zu schauen hätte, kann man dem Regieteam im neuen Rheingold sicherlich nicht vorwerfen. Das geforderte Personal wurde durch eine große Zahl an Statisten aufgestockt, die immer in das Büroleben integriert sind und in den offenen Verwandlungen die Bühne komplett umbauen, indem sie einen Satz Medienwelt abräumen und einen neuen Satz Computer aufbauen und installieren. Dass da eine gewisse Hektik aufkommt, mag stören, mag aber auch typisch sein für die moderne Medienwelt. Die Personenführung ist immerhin so detailliert, dass man bewundernd staunt ob des Probenaufwands, den sich das Theater genommen hat.

Man darf gespannt sein, wie die Interpretation von Wagners Monumentalwerk mit der »Walküre«, mit der das renovierte Opernhaus in Antwerpen wiedereröffnet werden wird, weiter gesponnen wird.

Klaus J. Loderer

Besuchte Vorstellung: 18. Juni 2006

Opera Gent

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