Premierenkritik: Richard Wagners „Walküre“ – Staatstheater Karlsruhe – 2016


Tiefgefrorene Brünnhilde 

Premiere von Richard Wagners „Die Walküre“ in Karlsruhe 

Nun ging es weiter mit dem Ring am Staatstheater Karlsruhe. Vier Inszenierungsteams erarbeiten den neuen Ring. Nun waren Yuval Sharon (Regie), Sebastian Hannak (Bühne) und Sarah Rolke (Kostüme) mit der Walküre dran.

Doch zu Beginn des zweiten Aufzugs klafft die Flurwand plötzlich auseinander und gibt des Blick frei in die nächste Raumschicht, eine Treppe, die von links unten nach rechts oben verläuft. Eine goldene Wand bildet den rückwärtigen Abschluss. Auch von dieser Treppe sehen wir weder Anfang noch Ende. Manchmal rutscht die Treppe etwas nach oben, manchmal nach unten – auch sie so ein unendliches Raumelement, auf der Wotan (Renatus Meszar) und Fricka (Ewa Wolak) ihren Streit austragen. Auch sie Gefangene in ihrer Welt. Die höhere oder niedrigere Stellung auf der Treppe kann dabei durchaus als bessere oder schlechtere Machtbasis gewertet werden, entsprechend schnellen die Positionen erst einmal hin und her. Nur für seine ausführliche Erzählung verlässt Wotan die Treppe. Projektionen auf der Rückwand illustrieren seine Erzählung.

Und dann sehen wir wieder den Flur, durch den Sieglinde und Siegmund gehetzt sind und aus dem sie nicht herausgefunden haben. In der Wand erscheint Siegmund Brünnhilde (Heidi Melton) zur Todverkündung. Mit magischer Hand versucht sie ihn in ihr Schattenreich zu ziehen. Das sah sehr eindrücklich aus. Um die Frau zu sehen, für die Siegmund auf ewige Wonnen in Walhall verzichten möchte, kommt Brünnhilde sogar in die Wirklichkeit des Flurs, wo nun der Zweikampf zwischen Hunding und Siegmund stattfindet, der durch den in der Wand erscheinenden Wotan entschieden wird.

Brünnhilde ist es dann, die Sieglinde aus dem unendlichen Flur herausführte in eine weitere surreale Welt, die in der Projekt auf dem geschlossenen Vorhang zum dritten Aufzug als Schneegebirge noch recht realistisch aussah. In der von Jason H. Thompson gestalteten Videoprojektion tauchten dann in diesem Bild die mit Fallschirmen einschwebenden Walküren auf, die man dann auch gleich real und leuchtend orange kostümiert, in einem nun ganz großen, weiß umschlossenen Bühnenraum zu sehen bekam, in dem es erst einmal heftig schneite. Die auf dem Fußboden herumliegenden Eisschollen sollten wohl irgendwie an Caspar David Friedrichs berühmtes Bild erinnern. Im Hintergrund konnte man ein Bühnenteil herauffahren. Da erwartete man natürlich, daß Brünnhilde am Ende daraufgelegt wird, wie man das so gewohnt ist. Wotan machte sich aber mit seinem Speer eifrig am Bühnenfußboden zu schaffen. Schließlich wurde Brünnhilde versenkt und tauchte dann in einem Eisblock tiefgefroren wieder auf. Rotes Nordlicht beendete die Szene.
Einige Buhs – dann langer Applaus.


Dritter Akt „Die Walküre“ in Karlsruhe: der Walkürenfelsen
Foto: Falk von Traubenberg    
Die Bühne öffnete sich und gab den Blick frei auf einen Raum geringer Tiefe. Drei geschlossene Türen in einem quer verlaufenden Korridor. Vermutete man hinter den Türen Zimmer, so wurde man im Laufe des ersten Aufzugs immer wieder überrascht, was sich nun gerade hinter den Türen verbarg. Eine Tür sprang auf und ein Schneesturm trieb einen Mann herein, der sofort zusammenbrach – das ist der übliche Ablauf des Walkürenanfangs. Dass die Körperhaltung Siegmunds (Peter Weed) an ein wildes Tier erinnern sollte, war bewußte Anspielung, noch deutlicher, wenn sich Sieglinde (Katherine Broderick) vorsichtig auf Distanz nähert und dem Wölfling eine Schale Wasser reichen möchte. Immer wieder spielten die Türen eine wichtige Rolle, sie sprangen unerwartet auf und gaben den Blick frei z.B. auf Instrumentalsolisten oder auf einen Knaben und ein Mädchen, Kleinsiegmund und Kleinsieglinde – Rückblicke auf die Kinderzeit, die im Text immer wieder aufkommen. Bei der Sieglindenerzählung tat sich hinter der Tür ein Foto des in Hochzeitsstaat sitzenden Hunding auf. Sehr schön war der Effekt der grünenden Bäume bei "Winterstürme wichen dem Wonnemond". Durch das Hin- und Herschieben der Wand ergab sich schnell der Effekt eines unendlichen Hotelflurs mit unendlich vielen gleichen Türen. Eigentümliche Überholmanöver, wenn Sieglinde und Hunding rechts verschwanden und schon bald links wieder auftauchten und damit Siegmund irritierten, gaben der Sache eine surreale Note. Noch mehr geschah dies durch die Projektionen auf dieser Wand und die Schatten, die ein eigenes Leben führten. Wenn sich die echten Wälsungen nicht zu nähern trauten, taten dies die Schatten auf der Wand. Oder die echte Sieglinde verschwand und nur ihr Schatten blieb – war dies nur eine Einbildung Siegmunds? Irgendwann verwischten echte Türen und projizierte Türen völlig. Und auch die Esche erschien nur hin und wieder als Projektion, als Wunschgebilde Sieglindes, die in diesem unendlichen Flur etwas von einer Esche mit einem Schwert erzählte. Ein Schwert und ein Wolfsfell tauchen dann doch auf mysteriöse Weise durch die Türen auf und schließlich laufen Siegmund und Sieglinde durch einen sich hinter den Türen auftuenden Wald davon. Dass auch dies nur Einbildung war und sie nicht aus dem Flur herauskommen, zeigt sich dann im zweiten Akt.

Justin Brown dirigierte die Badische Staatskapelle. Renatus Meszar überzeugte als Wotan ebensowenig wie Katherine Broderick als Sieglinde, Peter Wedd als Siegmund oder Heidi Melton als Brünnhilde.

Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: Premiere 11. Dezember 2016
Badisches Staatstheater Karlsruhe

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