Premierenkritik: Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“ – Badisches Staatstheater Karlsruhe – 2017

Ks. Barbara Dobrzanska (Adriana Lecouvreur), 
Rodrigo Porras Garulo (Maurizio)
Foto: Falk von Traubenberg

Theater in der Oper 

Grandiose Premiere von Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“ im Badischen Staatstheater Karlsruhe 

Ach sie ist einfach einer meiner liebsten Verismo-Schmacht-Fetzen überhaupt – Adriana Lecroucreur. Zum einen mag ich diese Theater-im-Theater Stücke (wie auch „Ariadne auf Naxos“ oder „Viva la Mamma“) sehr gerne, und dann ist es ja auch eines der tollsten Eifersuchts-Dramen mit der irren Keif-Szene zwischen den Damen. Regisseurin Katharina Thoma liefert eine äußerst ansehnliche Inszenierung ab. Im ersten Akt wechselt mit geschickt eingesetzter Drehbühne das Bild zwischen Bühne und Seitenbühne, und sie verziert das Geschehen mit netten Einfällen. Da wird z.B. das Protagonistenpaar beim Duett zur Ruhe aufgefordert, um die Vorstellung nicht zu stören, oder der Fürst von einer Schließerin verfolgt, um die Theaterkarte zu kontrollieren.


Auch der zweite Akt gelingt sehr gut, wenngleich die meisten Regisseure an der Konfrontationsszene zwischen Adriana und der Fürstin Boullion scheitern. Auch hier. Die beiden müssten sich so erkennen. Dabei wären doch eine Drehbühne, eine Wand und eine Tür vorhanden gewesen. Toll, wie beide Damen mit ihrem Alter hadern. Akt 3 besticht durch eine wunderschöne Schatten-Ballett Szene, aber Akt 4. Ich bin hin und her gerissen, ob ich das, was Frau Thoma da gemacht hat gut oder schlecht finden soll. Ihre Adriana ist jetzt eine alte Frau, die immer noch ihrem Geliebten hinterher heult. Ihr Maurizio erscheint nur noch in ihrer Phantasie. Statt ermordet zu werden trinkt sie Gift. Das ist zwar eine ganz nette Idee, wenn nicht oben der Text eingeblendet würde, und: Adriana ist ein Mordopfer, keine Selbstmörderin. Die Todesszene ist wieder sehr ergreifend, denn Adriana läuft in einen Lichtkegel, geht später einfach nach hinten ab. Der Vorhang schließt sich zu der wunderschönen Musik, und es ist, was ich so liebe, bis der Schlussapplaus einsetzt ein paar Sekunden absolut still. Das Publikum war ergriffen.

Ks. Barbara Dobrzanska (Adriana Lecouvreur), Seung-Gi Jung (Michonnet), Cameron Becker (Poisson), Yang Xu (Quinault), Kristina Stanek (Mademoiselle Dangeville), Ks. Tiny Peters (Mademoiselle Jouvenot), Ks. Klaus Schneider (Abbé von Chazeuil), Ks. Konstantin Gorny (Fürst von Bouillon)
Foto: Falk von Traubenberg

Musiziert wird auf höchstem Niveau. Johannes Willig dirigiert ein hervorragende badische Staatskapelle. Mit viel Gespür wird da jede schöne Stelle der Oper herausgekitzelt und ausgekostet. Einen großen Abend hatte Kammersängerin Barbara Dobrzanska als Adriana. Im Gegensatz zu vielen Sängern, die einfach nicht in der Lage sind zu sprechen, gelingen ihr die Szenen, in denen sie ihre Texte deklamiert, hervorragend. Auch gesanglich ist sie wundervoll. Wie sie ihre Stimme zurück nehmen kann, und wie sie trotzdem in den richtigen Momenten los keift, das ist Grandios. Ihr zur Seite Rodrigo Porras Garulo als Maurizio und Seung-Gi Jung als Michonnet. Beide geben ordentlich, aber manchmal wäre weniger einfach mehr. Fredirka Brillembourg ist eine gesanglich und darstellerisch wunderbare Fürstin von Boullion. Sehr gut ebenfalls Konstantin Gorny als Fürst, und Klaus Schneider als Abbé. Großer Jubel beschließt einen großartigen Abend.

Matthias Woehl

Besuchte Vorstellung: Premiere am 1. April 2017
Staatstheater Karlsruhe


Der Autor betreibt die Seite Callas&Co mit historischen Aufnahmen



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