Premierenkritik: Bellinis Oper „Norma“ – Staatstheater Mainz – 2017
Sängerfest am Rhein
Premiere von Bellinis „Norma“ im Staatstheater Mainz
Nadja Stefanoff singt Norma
in Mainz, da muss ich hin, denke ich mir, und das, trotzdem
Elisabeth Stöppler für die Regie verantwortlich ist. Entgegen meiner
Befürchtungen ist die Inszenierung aber ganz ansehnlich (auch dank des
Bühnenbildes von Hermann Feuchtner). Natürlich bringt Frau Regisseurin ein paar
Unsinnigkeiten unter, da fallen permanent Stühle oder klappert Holz, da wird
Adalgisa von Pollione andauend in den Schritt
gefasst, und mehrfach (von ihrem Lehrmeister Konwitschny entliehen) die Musik
unterbrochen, um von Flavio sinnschwer Pier Paolo Pasolini Texte rezitieren zu
lassen.
Doch gesanglich ist der Abend
ein ganz großer! Wirkt Frau Stefanoff bei ihrem „Casta Diva“ (welches sie
wunderbar gibt) noch etwas unsicher, legt sie ab der Cabaletta so richtig los.
Das schlimmste hat sie hinter sich, und von nun an gibt’s kein Halten mehr. Was
wir hören und sehen ist eine Sängerin, die alles zu geben bereit ist, und es
auch tut. Seit Jahren habe ich keine so überzeugende Norma mehr gehört, und
auch darstellerisch ist sie die Inkarnation der göttlichen Seherin, der
liebenden, betrogenen Frau, die sich am Ende auch noch opfert. Ihr zu Seite die
Sopranistin Marie Christine Haase als Adalgisa (man spielt leider die Version
mit einer Sopranistin als Kontrahentin) deren Koloratursopran anfangs für die
Partie etwas zu dünn scheint, aber die Beiden liefern sich dann in den
herrlichen Duetten wundervolle Duelle, und man vermisst den Mezzo-Klang fast
gar nicht mehr. Mit herrlicher Höhe Joska Lethinen als Pollione, der auch
optisch endlich mal ein Mann ist, bei dem man versteht, warum die Mädels ALLES
für ihn zu geben bereit sind. Mit warmem und kräftigem Bariton Dong Wong Seo
als Oroveso. Lars Oliver Rühl singt zwar nicht auf gleichem Niveau, ist aber
ein hervorragender Rezensent der (überflüssigen) Texte.
Doch eines noch:
schwierigste Passagen hatten die Protagonisten im Sitzen oder im Liegen zu
singen, was die sensationelle sängerische Leistung noch Bemerkenswerter macht.
Clemens Schuldts Dirigat ist eigentlich ganz anständig. Klingt das
Philharmonische Staatsorchester in der Ouvertüre noch wie eine
Feuerwehrkapelle, wird es dann doch recht differenziert und regelrecht sanft.
Leider sind dann seine Tempi in den Duetten recht schleppend, was den Sängern
dann viel Atem abverlangt. In Gänze: ein großer Abend!
Matthias Woehl
Besuchte Vorstellung: Premiere
24. September 2017
Staatstheater Mainz Großes Haus
Der Autor betreibt die Seite Callas&Co mit historischen Aufnahmen
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