Peter Grimes – Prinzregententheater München – 2014
Ein Boot steht auf einsamer Bühne
– Balázs Kovalik inszeniert Benjamin Brittens Oper »Peter Grimes« im Prinzregententheater in München –
von Klaus J. Loderer
Englische Küstenromantik mit Kreidefelsen und Schiffen enthält uns Bühnenbildner Csaba Antal vor in der Neuinszenierung von Benjamin Brittens Oper »Peter Grimes«, die am 21. Oktober im Prinzregententheater in München als Produktion des gerade umbaubedingt heimlosen Staatstheaters am Gärtnerplatz, Münchens nicht uninteressantem zweiten Opernhaus, Premiere hatte. Für die Inszenierung von Balázs Kovalik hat er in den leeren Bühnenraum einen riesigen blauen Container gestellt, der ein raffiniertes Innenleben besitzt. Am Bühnenportal ist links und rechts ein schwenkbarer Kranausleger installiert. Und dann spielt noch eine in der Höhe des Bühnenturms aufgehängte riesige Plastikfolie eine wichtige Rolle. Sie erhält am Ende des zweiten Akts eine wichtige Rolle, wenn der Junge John den Fels hinabstürzen soll. Hier stürzt er von einem der Kranausleger auf die von Statisten gespannte Folie und kullert so tatsächlich den »Hang« hinab.
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Gerhard Siegel als Peter Grimes, Raphael Schütz als Boy (John), Martin Hausberg als Hobson
Foto: Thomas Dashuber
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Es ist also eher die Ästhetik eines modernen
Containerhafens, die den Rahmen für die Geschichte des Fischers Peter Grimes
bildet, der durch Unglücksfälle seine Lehrbuben verliert – mit überzogen großem
Dutt für die Chordamen. Mari Benedeks Kostüme verweisen auf die Sechzigerjahre.
Sie machen aus dem Chor eine uniforme Masse. So säuft man im Pub. Oder man
feiert – nun im Obergeschoss des nun an der Seite offenen Containers. Der man
frömmelt bei Choralgesang in der Kirche – ein raffinierter Effekt mit dem an
der Schmalseite offenen Container mit ansteigendem Kirchengestühl. Das ist dann
auch die richtige Grundlage, um mit moralischem Anspruch Gerüchte über Peter
Grimes zu verbreiten. Regisseur Balázs Kovalik gelingt ein effektvoller
Kunstgriff, wenn aus den Chorherren im schwarzen Anzug durch geringe
Verwandlung sich eine Truppe formiert, die mit harten Trommelschlägen zu Peter
Grimes’ Haus marschiert. Nicht von ungefähr erinnert diese Truppe an die
»ungarische Garde«. Die Assoziation ist gar nicht so weit hergeholt. Genau so
etwas scheint Komponist Britten vorgeschwebt zu haben, unterlegt er doch die
Szene mit einer entsprechenden Musik.
Und doch gibt es eine Schiffsassoziation. Ein
kleines Boot aus Folie – die Folie ist das dominierende Element der
Inszenierung – rückt manchmal ins Zentrum des Geschehens. Es ist Grimes’
Fischerboot, das da hereinfährt. In der Schlussszene steht es in der Mitte der
Bühne. Hell erleuchtet, hat es fast eine geisterhafte Wirkung. Der Geist seines
Lehrbuben zieht Grimes in dieses Boot und damit versinkt er schließlich.
Hervorzuheben ist übrigens das von Michael Heidinger gestaltete Licht, das die
Bühne immer wieder in bemerkenswerte Lichtfarben taucht.
Ist in der 1810 erschienenen literarischen
Vorlage von George Crabbe, der Erzählung »The Borough«, ist Peter Grimes ein
brutaler Fischer, der von den Geistern der ihm bis zum Tod misshandelten
Lehrlinge verfolgt wird, leidet Brittens Peter Grimes unter dem Verhalten der
Dorfbewohner, die ihn ausgrenzen. Zwar kommen auch in der Oper zwei Lehrlinge
zu Tode, doch geschieht dies durch Unglücksfälle. Peter Grimes ist trotzdem
kein Mensch, den man so schnell ins Herz schließt. Dies merkt in der Oper auch
die Lehrerin Ellen, die eine Beziehung mit ihm sucht, von seinem Jähzorn jedoch
immer wieder gebremst wird. Gerhard Siegel verkörpert mit mächtiger Statur
diesen einsamen Fischer, der von einer besseren Welt und Wohlstand träumt und
letztendlich an sich und der Welt scheitert. Der Tenor meistert die teilweise
spröde und sehr anspruchsvolle Partie kraftvoll bis zum Schluss. Dieser
jähzornige Fischer muss eben auch sanft von den Gestirnen singen können. Die
Rolle ist nicht so geradlinig und eindeutig. Es ist eine komplexe Rolle, ein
Charakter voller Widersprüche. Gerhard Siegels Gesang macht dies glaubhaft.
Die anderen Rollen sind sehr plakativ gestaltet.
Da ist natürlich die skurile Wirtin Auntie. Snejinka Avramova macht daraus eine
herrliche Buffopartie. Holger Ohlmann macht aus dem Apotheker eine überaus
zwielichtige Gestalt. István Kovács mimt mit herrlichem Bass einen kühlen
Bürgermeister. Auch der gute Bass von Ashley Holland als Captain Balstrode ist
zu nennen. Von Ellen Orford bekommt man weniger die Bücherleidenschaft und
Weltfremdheit mit als eine doch eher kühl agierende Lehrerin. Edith Haller
singt die Rolle allerdings schön und jugendlich.
Und nicht zuletzt ist das fein agierende
Orchester unter der Leitung von Marco Comin zu nennen, neben dem auch der Chor
eine wichtige Rolle einnimmt.
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