Peter Cornelius‘ „Der Barbier von Bagdad“ – Stadttheater Gießen – 2017

Stadttheater Gießen – Foto: kjl

Die Drogen will ich auch – in der Insektenwelt

Peter Cornelius‘ „Der Barbier von Bagdad“ im Theater Gießen

Wann kam ich das letzte Mal so dermaßen beglückt aus der Oper? Lange ist’s her. Nun ist’s geschehen. Zum einen liegt es natürlich an der wunderschönen Musik von Peter Cornelius, aber vor allem an der grandiosen Inszenierung von Roman Hovenbitzer (der ja auch schon die wundervolle Inszenierung von Kerkers „Die oberen Zehntausend“ in Gießen gemacht hat). Denn da, wo die „komische Oper“ (wie auch bei komischen Musiktheater-Ausflügen von Zeitgenossen der Wagner und Berlioz) wenig komisch klingt, ist eben die Regie gefragt! Was bekommen wir nicht alles zu sehen. Dieser Barbier von Bagdad spielt im Wald, da gibt es Maulwürfe, der Barbier Abul Hassan z.B. ist ein Käfer, aus dessen Panzer aber auch schnell ein Friseurwaschbecken wird, da gibt es Käfer, Schmetterlinge, Bienen und aus all dem, und manchem, was ich nicht identifizieren kann, zaubert der Regisseur eine witzige, amüsante, köstliche Geschichte um die schlimme Krankheit, an der Nureddin eben leidet, nämlich der Liebe. Hier und da wirkt das ganze schon, als hätte Cornelius es unter Drogeneinfluss geschrieben. Das greift der Regisseur auch immer wieder auf, und die Inszenierung wirkt auch hier und da wie ein „Trip“.

Doch an vielen Stellen kommt es mir aber auch vor, als wäre das ganze eine Persiflage auf Richard Wagner und seine Werke (Cornelius war schließlich Korrepetitor bei der Uraufführung von Tristan und Isolde), aber genau werden wir es wohl nie wissen. Was wir aber wissen: Der „Barbier von Bagdad“ war einer der größten Theaterskandale des 19. Jahrhunderts. Gesanglich hat Giessen heute etwas ganz großartiges geboten: Philipp Meierhöfer als Abul Hassan singt mit wundervollem Bass, in allen Lagen wohltönend und absolut wortverständlich! Darstellerisch gibt er den Barbier mit einer unglaublichen Spielfreude, wie man sie lange nicht gesehen hat, dazu seine köstliche Gestik, und eine witzigen Mimik. Ihm darstellerisch ebenbürtig Clemens Kerschbaumer als Nureddin. Köstlich wie er am Boden liegend mit einer Handpuppe den weinenden Raben gibt. Grga Peros singt den Kalifen mit einem traumhaft schönen Bariton. Kräftig legt er los (nachdem er auf Rollen hereingerauscht kommt), und man vernimmt das so oft schmerzlich vermisste Legato – eine herausragende Leistung. Schauspielerisch ist Karola Pavone eine verführerische Margiana, und hat auch den nötigen Witz (besonders wenn sie mit dem Schweif von ihrem Nureddin spielt). Wunderbar (und vor allem nicht eingeschlafen) das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Jan Hoffmann. Eine große Ensemble Leistung. Danke.

Matthias Woehl

Besuchte Vorstellung: 11. März 2017

Stadttheater Gießen


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