Passionsspiele – Budaörs – 2006
Stimmungsvolle Passionsspiele auf dem Steinberg
Die Stadt Budaörs bei Budapest knüpft an historische Tradition an
Inzwischen grüßt vom Steinberg oberhalb von Wudersch, wie Budaörs in der ungarndeutschen Mundart genannt wird, wieder eine Kapelle.
Im Juni wurde sie von drei Kreuzen überragt, Requisiten der Passionsspiele, die
dort vor natürlicher Kulisse zwischen dem 5. und 18. Juni stattfanden. Wer sich
schon nachmittags an den Aufstieg machte, um den Ausblick von oben zu genießen,
wurde dort von einem einsam grasenden Esel begrüßt. Auf ihm sollte abends in
der Palmsonntagsszene Christus in Jerusalem einziehen. Ein herausragendes
Schauspielerensemble mit Ferenc Kovács in der Hauptrolle und engagierte
Statisten sorgten für ein herausragendes Passionsspielereignis.
Voller Stolz konnte Emmerich Ritter in seiner
Begrüßungsansprache zur deutschsprachigen Premiere der Wuderscher
Passionsspiele am 6. Juni auf die Leistungen der deutschen Selbstverwaltung in
Wudersch (Budaörs), deren Vorsitzender er ist, verweisen. Kalvarienkapelle,
Kreuzweg, Dreifaltigkeitssäule, Steinbergkapelle und Steinbergkreuz sind nur
einige Beispiele dafür, wie man in Wudersch im Kommunismus demolierte alte
deutsche Denkmale, die Zeugnisse eines regen religiösen Lebens waren, in den
letzten Jahren rekonstruiert hat. Ritter kündigte an, dass schon bald das
Einsiedlerhaus und das Grab Christi wieder erstehen sollen.
Der Wudersch überragende Steinberg war durch den Einsiedler
Franz Wendler zu einem bemerkenswerten Beispiel der Volksfrömmigkeit geworden.
Man wundert sich nicht darüber, dass die ganz besondere Stimmung auf diesem
Berg dazu anregte, dort Passionsspiele aufzuführen. 1933 fanden die
Passionsspiele erstmals statt. Tausende Besucher aus der nahe gelegenen ungarischen
Hauptstadt kamen in die Festspielgemeinde, um die Aufführungen zu sehen. Stolz
bezeichnete sich die Gemeinde 1933 als das ungarische Oberammergau. 200
Mitwirkende waren damals auf dem Programmzettel angekündigt, dazu 100 Musiker,
die Johann-Hess-Kapelle und der noch bestehende Lyra-Chor. Wuderscher Namen wie
Zirkelbach, Sattelberger, Krammer, Winkler, Herzog, Weber, Ritschmann und
Pfundt finden sich auf dem alten Programmzettel, der im jetzigen Programmheft
abgedruckt ist. Das von Lehrer Géza Bató stammende Stück hatte Pfarrer Dr.
Miklós Aubermann für die Uraufführung überarbeitet. Lehrersohn László Bató
spielte die Hauptrolle. Für die Aufführung hatte man auf dem Steinberg Kulissen
aufgebaut, die den Hintergrund für die Handlungsorte bildeten. Der zweite
Weltkrieg und der Kommunismus verhinderten, dass die Passionsspiele zu einer
festen Tradition werden konnten.
Hatte man bei den ersten Passionsspielen nach der Wende den
Oberammergauer Text gespielt, konnte man für die Aufführungen 2003 bereits auf
das wiederentdeckte originale Stück von Géza Bató zurückgreifen. Für die
jetzige Aufführung hat Enikö Perczel das Stück überarbeitet und ergänzt.
In diesem Jahr waren die Proben arg vom für Ende Mai
ungewöhnlich kühlen Wetter beeinträchtigt. Doch pünktlich zur Premiere wurde
das Wetter milder. Trotzdem hatten die Organisatoren vorsorglich Decken
bereitgehalten, die an die Besucher verteilt wurden. Die in Decken
eingewickelten Besucher glichen so fast den Darstellern in ihren wallenden
Umhängen. Doch das Frösteln auf luftiger Bergeshöhe hat sich gelohnt. Die
Besucher, darunter eine Gruppe aus dem österreichischen Passionsspielort St.
Margarethen, wurden mit einem besonderen Ereignis belohnt.
Bei der diesjährigen Aufführungsfolge vertrauten die
Regisseure András Dér und András Frigyesi ganz der Wirkung des Steinbergs.
Keine künstlichen Kulissen verbauten die Schönheit der felsigen Erhebung.
Geschickt setzten die Regisseure die natürlichen Gegebenheiten ein und
platzierten die Handlungsorte der einzelnen Szenen an verschiedenen, punktuell
beleuchteten Stellen des Bergs. Ergänzt wurde dies nur durch an den Felssockel
des Steinbergkreuzes projezierte wechselnde Bilder. Effektvoll nutzten sie die
riesige Spielfläche mit einer abwechslungsreichen Personenführung. Trotz vieler
Nebenszenen blieb die Handlung auf die eigentliche Kernfigur Jesus Christus
konzentriert, der durch ein ihm vorbehaltenes Licht immer aus der Masse
herausstach.
Ein vom Handlungsgeschehen räumlich getrennter »Evangelist«
(Zoltán Kovács) erläuterte und kommentierte als Erzähler die Handlung von der
Publikumstribüne aus. Der Lichtgestalt des Engels und des weiß gekleideten
Christus (Ferenc Kovács) war die stumme Frauengestalt eines roten Dämons
(Denisa Dér) entgegensetzt. Diese übernahm nicht nur die Rolle des Teufels in
der Szene der vergeblichen Versuchung Christi in der Wüste sondern mischte sich
mit wehend blutrotem Schleier immer wieder in die Handlung ein und brachte das
»Böse« unter die Menschen. Brutal begann auch die Handlung, wenn Herodes den
Kindermord von Betlehem befahl. Es wurde denn in Wudersch nicht nur die
eigentliche Passionsgeschichte gezeigt, sondern eine komplette Darstellung des
Lebens Christi ab der Geburt. In kurzen Szenen wurden die bekannten Geschichten
angerissen, darunter auch jene um Johannes den Täufer mit der in der Bibel nur
kurz erwähnten Salomé. Ruhige Szenen wie die Unterweisungen der Jünger
wechselten mit aufgeregten. Volkreich ging es in Jerusalem zu. Spannend wie ein
Krimi entwickelte sich die Geschichte gegen Ende. Schließlich wurden am
höchsten Punkt des Berges die drei Kreuze errichtet, die effektvoll von der
Dunkelheit abstachen. Nach Grablegung und Auferstehung strömte die riesige
Schar der Darsteller herunter vor die Zuschauertribüne und holte sich den wohlverdienten
stürmischen Beifall ab.
Klaus J. Loderer
Budaörs
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