Lehárs Operette Paganini – Kurhaus Bad Ischl – 2011

Der Teufelsgeiger und die Fürstin 

»Paganini« im Jubiläumsjahr – 50 Jahre Lehár-Festival in Bad Ischl 

»Ischl ist Operette« lässt Bürgermeister Hannes Heide im Programmheft des Lehár-Festivals verlauten. Tatsächlich können die berühmten Operettenfestspiele auf ein fünfzigjähriges Bestehen zurückblicken. 1961 begann man – natürlich mit Lehárs bekanntester Operette »Die lustige Witwe«. Doch schon im ersten Jahr gab es auch »Paganini«, der in diesem Jahr wieder im Zentrum des Programms stand. Lehár gab es zwar immer, schließlich bildet der »Meister«, wie man ihn in Bad Ischl gerne nennt, die Brücke zur Operette, lebte dieser doch mehrere Jahrzehnte im malerischen Kurort im Salzkammergut, doch widmete sich das Festival von Beginn auch den Werken anderer Komponisten. Im Jahr 1961 war das Emmerich Kálmán mit der »Csárdásfürstin«. In diesem Jahr gab man mit »Im weißen Rössl« ein Stück mit Lokalkolorit, spielt das Stück doch am nahe gelegenen Wolfgangsee. Als Stützpunkt dient dem Lehár-Festival das Kongress- & Theaterhaus Bad Ischl, das frühere Kurhaus, das in der historischen Hülle einen modernen Saal birgt.

Der »Teufelsgeiger« Paganini
(Vincent Schirrmacher)
Foto: Foto Hofer
Die Operette »Paganini« wird leider viel zu selten aufgeführt. Dem Violinvirtuosen Nicolo Paganini wird darin eine Affäre mit der Fürstin von Lucca nachgesagt. Tatsächlich hatte Paganini 1801 Erfolg mit einem Konzert in Lucca. 1805 wurde Paganini zuerst Konzertmeister der Republik Lucca und noch im selben Jahr Operndirektor und Kammervirtuose der neuen Fürstin Maria Anna Elisa, einer Schwester Napoleons. Bis 1809 blieb Paganini in Lucca, danach begannen seine ausgedehnten Konzertreisen durch Europa. In der Operette entsteht die Wirkung, als sei die Lucca-Episode Teil der ausgedehnten Reisen des bekannten Virtuosen, doch stand sie eher am Anfang seiner Karriere.

Das Libretto von Paul Knepler und Béla Jenbach nimmt den historischen Rahmen und bastelt darin eine Liebesgeschichte zusammen. Die Fürstin beginnt eine Affäre mit dem Geiger, ihr Mann hat sowie ein Techtelmechtel mit der Primadonna. Regisseur Leonard Prinsloo führt uns die Hofgesellschaft von Lucca als ziemlich dekadenten Haufen vor. Als schwarz-gekleidete Gothic-Hofschranzen (Kostüme Monika Biegler) wabern Chor und Tänzer über die Bühne und »schleimen« dem völlig verfetteten Fürsten Felice Bacciocchi hinterher. Tomaz Kovacic wurde mit viel Masse zu diesem Fürsten aufgebläht und spielt die Dekadenz eines überheblichen Provinzfürsten weidlich aus. Die kleine Bühne ergänzte Prinsloo durch Auftritte aus den Seitentüren des Saals. Und immer mal wieder tanzen die Darsteller um den Orchestergraben herum, so ist die Distanz zwischen Publikum und Bühne aufgebrochen. Musikalisch lebt »Paganini« vom Kontrast der tragischen Liebesaffäre zwischen Fürstin und Paganini, Partien mit opernhaftem Pathos, mit dem Buffopaar Bella Giretta und Pimpinelli, das durch lustige Tanznummern geprägt ist. Der Marquese Giacomo Pimpinelli spielt als Kammerherr einen unerhörten Verehrer der Fürstin wie der Operndiva Bella Giretta. Diese hat als Operndiva ein Verhältnis mit dem Fürsten, macht sich dann aber auch noch an Paganini heraus. Ein Eifersuchtsanfall der Fürstin führt dann zur Katastrophe. Im dritten Akt kommt es in einer Schmugglerkneipe in den Bergen kommt es zum Showdown. Dorthin ist Paganini geflohen, um über die Grenze zu kommen. Die Fürstin verzichtet auf den Geiger, dieser widmet sich künftig der Kunst, Pimpinelli und Giretta werden ein Paar. Man denkt ja immer, eine Operette müsse ein Happy-End haben. Aber wie in »Land des Lächelns« kommt das Protagonistenpaar am Ende doch nicht zusammen. Hier sind es die Standesunterschiede und die Kunst. Und wie in »Land des Lächelns« sich der Prinz den Pflichten gegenüber seinem Land zuwendet, weiht Paganini sein Leben den Pflichten gegenüber der Musik.

Fürstin (Miriam Portmann)
und Primadonna (Verena Barth-Jurca)
Foto: Foto Hofer
Den grotesken Kostümen stellte Bühnenbildnerin Katharina Sautner für die Szenen am fürstlichen Hof einen mit Motiven des letzten Gerichts bebilderten Raum gegenüber, dessen Schreckensmotive während des Geigensolos (Geigensolo Marko Radonic) zum Ende des zweiten Akts lebendig wurden, wenn in der Hofgesellschaft die Vampire erwachen – eine nette Assoziation mit Paganinis Beinamen »der Teufelsgeiger«.

Hervorzuheben ist bei der Produktion die überragende musikalische Leistung. An erster Stelle ist natürlich Vincent Schirrmacher zu nennen, der mit festem Tenor die Titelpartie meisterte und auch die tragischen Aspekte der Rolle vermittelte. Ihm ebenbürtig zur Seite stand Miriam Portmann als Fürstin. In der besuchten Vorstellung am 28. August 2011 sprang Thomas Malik als Pimpinelli ein und brachte eine glanzvolle Buffoleistung auf die Bühne – ein Buffo der alten Schule möchte man sagen. Verena Barth-Jurca sieht man ob ihrer schauspielerischen Leistungen eine gewisse Schrillheit gerne nach. Vinzenz Praxmarer arbeitete mit dem Franz-Lehár-Orchester die Feinheiten der Partitur heraus und präsentierte und tiefes Drama wie leichte Muse, je nach den in der Operette vorgegebenen Stimmungswechseln. Man ist doch erstaunt, wie es Lehár gelungen ist, selbst bei italienischem Lokalkolorit noch einen Csárdás einzubauen. Operette vom Feinsten konnte man in diesem Sommer in Bad Ischl erleben.

Klaus J. Loderer

Besuchte Vorstellung: 28. August 2011
Kurhaus Bad Ischl

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