Carl Maria von Webers Oper Oberon – Opernfestspiele im Prinzregententheater München – 2017
Mißlingendes Experiment im Labor
– Carl Maria von Webers „Oberon“ bei den Opernfestspielen im Prinzregententheater in München –
von Klaus J. Loderer
Das romantische Repertoire wird seit einiger Zeit in Deutschland sträflich vernachlässigt. Allenfalls „Der Freischütz“ ist fest in den Opernspielplänen verankert. Ansonsten scheint die Epoche literarisch wie musikalisch in Vergessenheit zu geraten.
Von Carl Maria von Weber hatte nun
„Oberon, König der Elfen“, 1826 in London uraufgeführt, im Rahmen der
Opernfestspiele im Prinzregententheater in München Premiere. Auch hier traute
man der romantischen Handlung nicht wirklich. Aus der romantischen Feenoper
wurde eine burleske Komödie, die es auch bewußt in Kauf nahm, die Oper und das
Genre ins Lächerliche zu ziehen.
Man könnte sagen, „Oberon“ ist eine
Kreuzung aus „Sommernachtstraum“, „Orlando furioso“, „Barbier von Bagdad“ und
„Italienier in Algier“. Den Rahmen der Handlung bildet die Welt der Feen mit
Feenkönig Oberon, Feenkönigin Titania, Puck und Feen. Wie in Shakespeares
„Sommernachtraum“ streiten sich Oberon und Titania, in diesem Fall um die Treue
der Menschen. Die Menschen sind hier aber nicht im antiken Griechenland – wie
im Sommernachtstraum – sondern im Frankenreich Karls des Großen und im Orient.
Der in Ungnade gefallene Ritter Hüon soll eine Kalifentochter entführen und
ihren Bräutigam umbringen. So sind die drei wichtigen Themenbereiche
Fabelreich, Ritterwelt und Exotik miteinander verwoben.
Einer solchen Handlung traut man heute
natürlich nicht. Und man traut sich schon gar nicht, eine romantische Oper
romantisch auf die Bühne zu bringen. Also wird konterkariert. Für die Münchner
Produktion verlegte Regisseur Nikolaus Habjan die Feenrahmenhandlung in die Welt
der Wissenschaft. Bühnenbildner Jakob Brossmann baute dazu ein Labor. Und
Denise Heschl steckte den Feenchor geschlechtsneutral in aufblähende
Labormäntel und unter Einheitsbubikopfperücken. Chefwissenschaftler Oberon
leitet das Experiment und möchte damit seine Kollegin Titania beeindrucken. Da
die Rolle der Titania im Original stumm ist, bekam sie in München die Texte des
Puck. Und als Dreifach-Puck werden drei Schauspieler eingesetzt, die auch
diverse Puppen bedienen. Aus dem Publikum werden dann zuerst zwei Frauen für
einen Versuch angeworben und etwas später zwei Männer. Die Probanden werden in
Stühlen festgebunden und mit Spritzen unter Drogen gesetzt. Sie werden in Folge
immer so agieren, als würden sie das nur spielen, besonders Annette Dasch als Rezia
lebt das exzessiv und köstlich überzogen aus. Die beiden Frauen verschwinden
gleich wieder, man braucht sie erst später. Den beiden Männern wird ausführlich
erklärt, wer sie jetzt sind: aus einem wird der Ritter von Bordeaux und aus dem
anderen dessen Knappe Scherasmin. Eine Riesenpuppe gaukelt ihnen dann vor
Oberon zu sein. Für ihr Abenteuer erhalten sie einen immer vollen Becher und
ein Horn, mit dem sie Oberon zu Hilfe rufen können.
Dann wird das Labor in Orientstimmung
gebracht. Dazu fährt die Rückwand hinauf und es entfalten sich Pappkulissen zu
einem Bagdad-Prospekt mit vielen Kuppeln und Minaretten. Die diversen nun
auftretenden Figuren spielen nun die drei Pucks mit Puppen, eine Alte, deren
Mann, den Kalifen und den Prinzen. Die Prinzessin Rezia hat schon von einem
Ritter geträumt und verschmäht nun den Prinzen, den ihr ihr Vater als Gemahl
zugedacht hat. Ritter Hüon erschlägt dann in Kasperlestheatermanier den
Prinzen. Das erheitert das Publikum ebenso wie die bewußt ausgedehnte
Knutschszene Hüon-Rezia, die Oberon vergeblich unterbrechen möchte. Zur Prüfung
der Liebe von Rezia und Hüon läßt Titania das Schiff gen Westen (man darf die
Geographie nicht so ganz ernst nehmen, denn eigentlich hätten sie um Afrika rum
fahren müssen) dann stranden. Da fährt dann noch die Welle von Hokusai herein.
Rezia wird von Seeräubern entführt, Hüon wird erschlagen, aber von den Pucks
wiederbelebt. In Tunis trifft man
sich wieder (das kannte das Publikum damals aus der „Italienierin in Algier“).
Man prüft die beiden Liebenden: Hüon muß zuschauen, wie der Bei seine Rezia
verführen möchte, Rezia muß zuschauen, wie die Gemahlin des Bei ihren Hüon
verführen möchte. Schließlich sollen beiden zusammen sterben. Chefarzt, der
sich zwischendrin selbst die Nadel gegeben hat und immer noch im Drogenrausch
ist, möchte das Experiment abbrechen, Titania bis zum Ende führen, die Pucks
streiten und möchten das Paar eventuell retten, bis der elektrische Stuhl
explodiert und dann zu der festlichen Musik, zu der eigentlich Hüon vor Kaiser
Karl den Großen treten soll, Rezia und Hüon die Wissenschaftshorde aus dem
Labor vertreiben. Übrig bleibt ein zertrümmertes Labor.
Das Publikum amüsierte sich. Und so
etwas Kitsch gab es dann doch noch zum Lied des Meermädchens mit Wellen und
schwebenden Fischen und Seesternen.
Glücklich besetzt waren die
Frauenrollen mit Annette Dasch als Rezia, Rachael Wilson als Fatime und Alyona
Abramowa als Titania. Julian Prégardien sang den Oberon mit schönem Tenor.
Brenden Gunnell schien mit den Höhen der Tenorpartie des Hüon von Bordeaux
etwas überfordert. Johannes Kammler als Scherasmin konnte eher überzeugen. Leider war das Orchester unter Ivor
Bolton stellenweise seltsam unscharf schwammig.
27. Juli 2017
Prinzregententheater München
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