Buchbesprechung: Máté Tamáska: Donaumetropolen Wien Budapest – Stadträume der Gründerzeit

Historische Fotos zweier Donaumetropolen

Máté Tamáska vergleicht die Stadträume von Wien und Budapest in der Gründerzeit

Ein Vergleich zwischen den beiden Donaustädte Wien und Budapest kann erhellend sein. Beides sind historische Residenzstädte der Habsburger und in vielen Stadtvierteln von den Bauten des späten 19. Jahrhunderts geprägt. Durch den nicht zu großen Abstand gab es auch fast immer einen wichtigen Austausch. Máté Tamáska hat nun für eine Ausstellung, die letztes Jahr im auf Architektur- und Städtebauausstellungen spezialisierten Wiener Ringturm einen Bildvergleich zwischen Wien und Budapest erarbeitet, zu der der vorliegende Katalog gehört. Als Arbeitsmaterial dienten Tomáska historische Fotos aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Für Wien stammten diese aus dem Wien Museum, für Budapest aus dem Stadtarchiv Budapest (Budapest Föváros Levéltára) und dem Historischen Museum Budapest in Kleinzell (BTM Kiscelli Múzeum). Konsequent hat er Bildpaare aus beiden Städten gebildet. Mit diesen möchte er die in vielen Bereichen vorhandenen Ähnlichkeiten der beiden Städte zeigen.

Ein markantes Bildpaar für diese Ähnlichkeit ist die Gegenüberstellung des Wiener Rathauses mit dem Budapester Parlament – beides Bauten im neogotischen Stil und in den Details tatsächlich sehr ähnlich. Die Ähnlichkeiten sind kein Zufall, war der Budapester Architekt Emmerich Steindl doch ein Schüler des Wiener Architekten Friedrich von Schmidt. Tamáska verweist im begleitenden Text auf die Freiheitsrechte, die im Mittelalter in Wien durch die Stadt, in Ungarn aber durch die Adelsversammlung erkämpft worden seien.

Es ging Tamáska aber auch darum, die feinen Unterschiede herauszuarbeiten. So nennen sich zwar beide Städte gerne Donaumetropole, doch fließt eigentlich nur in Budapest die Donau mitten durch die Stadt. Im historischen Wien war die Donau nur mit einem bescheidenen Seitenarm präsent. Auch die vordergründig ähnliche Ringstraße hat doch markante Unterschiede: der Aufreihung staatlicher und städtischer Großbauten in Wien steht in Budapest die fast durchgehende Reihe von Mietshäusern entgegen.

Auf 300 Fotos kann man nun die beiden Städte detailliert vergleichen. Eine thematische Gliederung fasst die Bilder zusammen. Da kann man etwa im Kapitel Eisenbahn Bahnhöfe und Eisenbahnbrücken vergleichen. Bei allen Unterschieden im Detail kann man oft die gemeinsame Stimmung in beiden Städten bemerken. Das Markttreiben ist auf den Marktplätzen beider Städte ähnlich. Würde man einige Bilder vertauschen, die Betrachter würden es vielleicht gar nicht bemerken, wenn es sich nicht um die bekannten Gebäude handelt. Wer könnte tatsächlich die beiden romantischen Gassen mit den Treppen auseinanderhalten (Seiten 42 und 43) und das Freihaus an der Wiedner Hauptstraße könnte genauso gut auch in Pest stehen wie das ganz ähnliche Orczyhaus zeigt (Seiten 116 und 117). Die Seite 123 zeigt das auch schön: die ländlich wirkenden Innenhöfe sind zum Verwechseln ähnlich.

Was die Wiener hatten, wollten die Budapester natürlich auch haben. Auch wenn der Elisabethplatz in Budapest viel kleiner ist als der Wiener Stadtpark, die geometrischen Blumenrabatten sprechen eine gemeinsame Sprache und der Kiosk auf dem Platz war eben irgendwie doch eine kleinere Variante des Wiener Kursalons. Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, in Budapest sei alles kleiner als in Wien.


Man kann in den alten Fotos nostalgisch in Monarchiezeiten spazieren gehen oder man analysiert die Bilder stadthistorisch. Für beide Nutzungen ist der Band eine wunderbare Grundlage. Herausgekommen ist ein schöner Band in der Reihe »Architektur am Ringturm«, die inzwischen eine breite Dokumentation zur modernen Architektur in Ost- und Mitteleuropa bietet.

Klaus J. Loderer

Máté Tamáska

Donaumetropolen
Wien Budapest – Stadträume der Gründerzeit

= Tér és társadalom a dunai metropoliszokban, Bécs és Budapest – a dualiszmus korában. [anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Ausstellungszentrum der Vienna Insurance Group]. [Eine Ausstellung des Wiener städtischen Versicherungsvereins und des Balássi Instituts – Collegium Hungaricum Wien in Zusammenarbeit mit dem Wien-Museum ...]

Müry Salzmann Verlag 2015
(Architektur am Ringturm; 40)
ISBN 978-3-99014-118-2
215 S., überw. Ill.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Buchbesprechung: Paul Abraham, der tragische König der Operette – eine Biographie von Klaus Waller