Wagners "Lohengrin" – Staatsoper Hamburg – 2016

Im Klassenzimmer 

Wagners „Lohengrin“ in Hamburg 

Den Hamburger „Lohengrin“ wollte ich schon lange sehen. Bisher ging es immer terminlich nicht oder es drohte eine gewisse unsägliche Dirigentin. Nun hat Kent Nagano die musikalische Leitung übernommen. Und es hat zur 42. Vorstellung geklappt. Die Premiere 1998 war ziemlich umstritten. Regisseur Peter Konwitschny hatte natürlich mal wieder für einen Skandal gesorgt. Und die Inszenierung ist tatsächlich sehr gewöhnlich.

Lohengrin wurde gewissermaßen in die Feuerzangenbowle versetzt, zumindest spielt die Inszenierung in einem Gymnasium von dereinst. Das Klassenzimmer wurde genauso aufgebläht wie die Schüler (Bühne und Kostüme Helmut Brade). Das ist nett. Man kann sich natürlich fragen, was eigentlich die beiden Mädchen in einer Budenklasse verloren haben (schließlich waren damals die Geschlechter in der Schule nicht gemischt). Aber die Geschichte ist in diesem Fall viel zu skurril, um sich mit solchen Details aufzuhalten. Ein paar sehr stimmige Details seien erwähnt: Elsa (blond) hat sich im Schrank versteckt aus Angst vor der bösen Ortrud (rothaarig). Klein-Telramund meint sich alles herausnehmen zu dürfen. Im zweiten Akt wird auch die Hochzeit im Klassenzimmer nachgespielt. Ortrud schiebt im Finale dann die Schülerin zur Seite, die eine kleine Orgel spielt, und sorgt dann selbst für das Fragemotiv – das ist nun wirklich eine schöne Idee.

Auch die bevorstehende Hochzeitsnacht wird dann im Klassenzimmer vorbereitet. Durch die Fenster springen die Mannen des Telramund ins Zimmer. Dieser stürzt dann etwas unglücklich in Lohengrins Schwert, das eben nicht eines der hölzerner Spielzeugschwerter ist, mit denen man in der Oper eifrig herumfuchtelt, sondern ein scharfes aus Stahl. Die Buben erstarren schockiert vor diesem unglücklichen Ausgang des Spiels. Dann verschwindet in der nächsten Umbaupause das Klassenzimmer (darum sieht man als Foto auch den Applaus nach dem zweiten Akt). Die Schüler ziehen in den (wohl ersten) Weltkrieg. Und da ja Peter Konwitschny üblicherweise für einen Schlussschock sorgt, taucht dann Klein-Gottfried mit Maschinengewehr und Stahlhelm aus der Versenkung auf, in der Lohengrin gerade verschwunden ist. Einen Schwan gibt es natürlich nicht.

Kent Nagano hat das recht schön dirigiert. Das Philharmonische Staatsorchester hat sich aus den Untiefen, in die es von einer früheren Dirigentin geführt wurde, inzwischen erholt und ist wieder hörbar. Mit Robert Saccà hat man einen sehr guten Lohengrin engagiert. Und für den erkrankten Wolfgang Koch hat man Thomas J. Mayer geholt, der sich nun wirklich als Glücksfall herausgestellt hat. Er sang das zwar von der Seite ein – allerdings spielte er dort doch eifrig mit. Da er die Partie auswendig kann, schaute er auch nur sehr selten in die Noten. Gespielt hat auf der Bühne Heiko Hentschel, der sicher besser in das Kostüm passte als Thomas J. Mayer. Auch Wilhelm Schwinghammer als König und Vladimir Barkov als Herrufen waren vorzüglich. 

Klaus J. Loderer



18. November 2016

(42. Vorstellung seit der Premiere1998)
Staatsoper Hamburg

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