Les Troyens – Oper Frankfurt am Main – 2017
In Troja und Karthago
„Les Troyens“ von Hector Berlioz an der Oper Frankfurt am Main
Was sagt uns die Neuinszenierung von Berlioz’ „Trojanern“
an der Oper Frankfurt? Natürlich die derzeitige Modebotschaft: Männer sind
Schweine (immerhin Lieferanten köstlicher Schinken, erwidert da der Gourmet).
Und sonst? Sonst scheint die Produktion vor allem dazu zu dienen, die Drehbühne
einem Dauertest durchzuführen. Die Oper Frankfurt besitzt ja tatsächlich eine
tolle Drehbühne. Es gibt nicht nur den üblichen Drehteller, sondern noch einen
zweiten, riesigen Drehteller – immerhin die größte Drehbühne Europas. Beide
Drehmöglichkeiten werden fast ununterbrochen eingesetzt. Man ist schon froh,
wenn das Bühnenbild mal fünf Minuten stillsteht.
Spielt man „Les Troyens“ und „Les Troyens à
Catharge“ zusammen, entsteht daraus eine fünfaktige Monumentaloper. In den
ersten beiden Akten geht es um den Untergang von Troja, in dessen Schlussszene
Kassandra mit den Trojanerinnen kollektiven Selbstmord begeht. Die drei
weiteren Akten spielen dann in Karthago, wohin Aeneas geflohen ist, der dort
mit der Königin Dido ein Verhältnis eingeht, sie dann aber im Auftrag der
Götter sitzenlässt, um nach Italien zu reisen und dort ein neues Troja zu
gründen. Im dramatischen Finale fordert Dido dann von ihren Leuten ewige Rache
(darum die punischen Kriege), begeht Selbstmord und erkennt in einer Vision die
Überlegenheit Roms.
In Frankfurt dauern „Die Trojaner“ dann
insgesamt fünf Stunden einschließlich zweier Pausen und zweier recht langer
Umbaupausen, nach denen das Bühnenbild dann eigentlich wie zuvor aussieht.
Bühnenbildner Jens Kilian hat als Spielort einen Saal gebaut, der zuerst mit
Sofas und Sesseln als Saal der trojanischen Königsfamilie dient. Die
Raumarchitektur verwendet mit ihren Säulen und dem Relief antike Motive
erinnert aber vor allem an Architektur der Dreißigerjahre. Stufen führen im
Hintergrund zu einem von Säulen abgetrennten Vorbereich mit einer
zweiflügeligen Tür. Die rechte Wand dieses Saals existiert mit ruinösem
Fußboden noch einmal, ebenso wie weitere ruinöse Teile des Saals. Mit der
Drehbühne kann man den Saal nach links hinausfahren und dann einen offenen
Bereich mit der kleinen Drehbühne bzw. der ruinösen Version des Saals sichtbar
werden lassen. Auf die kleine Drehbühne wird dann auch das trojanische Pferd
gesetzt, das dann recht effektvoll vom Chor umtanzt wird. In den Bühnenbildern
wird nicht zwischen Troja und Karthago unterschieden. Der trojanische Saal wird
ab Akt drei als Saal in Karthago verwendet. Unterscheidbar sind beide Bereiche
nur durch die Kostüme. Die Männer in kurzen Hosen (warum?) sind Troja zuzuordnen,
die schwarzen Anzüge den Griechen und die bunten Anzüge Karthago. Warum
Kostümgestalterin Saskia Rettig in Karthago dann eine Szene in Barockkostümen
spielen lässt, erschließt sich nicht. Immerhin sehen die Kostüme für die
weiblichen Mitglieder der Trojanischen Königsfamilie sehr schön aus, während
Dido zuerst als eine Art Angela Merkel erscheint.
Mit der Weiterverwendung des Saals soll wohl
eine Art Geschichtlichkeit angedeutet werden, immerhin sehen die Kostüme ab Akt
drei moderner aus. Das gab es aber bei Trojanern schon deutlicher, man denke
nur an die Produktion in Duisburg-Düsseldorf, wo ein Hitlers Reichskanzlei
nachempfundener Saal (Troja) mit einem modernen Bungalow (Karthago)
kontrastierte.
Beide Opernteile werden je von einer tragischen
Frauenfigur zusammengehalten. In Troja ist das die Seherin Kassandra, die zwar
in die Zukunft blicken kann, der man aber nicht glaubt. In Karthago ist es die
Königin Dido, die einen blühenden Staat aufgebaut hat, sich dann aber
unglücklich verliebt und der Rache dann alles opfert. Bei beiden Frauen hat man
in der Inszenierung von Eva-Maria Höckmayr den Eindruck, dass sie nicht so
richtig am Geschehen teilnehmen, sondern eher in ihren Visionen leben. Diese
Visionen sehen wir allenthalben durch Tänzer, die mit ähnlichen Kostümen für
eine Verdoppelung sorgen. Die Idee, den Geist von Didos erstem Mann
einzuführen, ist überzeugend. Ansonsten wird man die Handlung in dieser
Produktion kaum nachvollziehen können, wenn man sich nicht damit befasst hat.
Eine Beziehung zwischen den Figuren entsteht nicht wirklich, ist wohl auch
nicht beabsichtigt. Manche Stellen sind auch ausgesprochen albern, wie die
Personenführung des Chors im dritten Akt. Der Saal ist mit runden Tischen als
eine Art Restaurant bestuhlt, in dem die Königin Dido gefeiert wird, die
übrigens keinen Sitzplatz zu haben scheint. Was macht man mit dem Chor, der um
die Tische sitzt? Er erhebt sich und bringt einen Toast aus. Dann setzt er sich
wieder hin, dann steht er wieder auf etc. Damit es nicht so langweilig wird,
machen das nicht alle Tische gleichzeitig sondern abwechselnd. Das geht dann
schnell auf die Nerven. Der Chor kann sich so immerhin die Gymnastik ersparen.
Am Ende des zweiten Akts gibt es keinen kollektiven Selbstmord. Kassandra wird
von den Griechen entführt, der Frauenchor sieht unbeteiligt zu. Möchte man den
Gästen die blutige Szene nicht zumuten, weil das Publikum gleich zum Abendessen
schreitet und man dem Catering nicht den Umsatz verderben möchte?
Und dann gibt es natürlich auch Musik. Die ist
in Frankfurt vor allem laut. John Nelson greift beim Frankfurter Opern- und
Museumsorchester in die Vollen. Tanja Ariane Baumgartner gestaltet Cassandre
mit Dauergekeife, dem schließt sich Claudia Mahnke als Didon an. Dazu passt
dann Bryan Register als jammernder Tenor in der Rolle des Enée. Das sind die
völlig fehlbesetzten Hauptrollen. Immerhin gibt es in den Nebenrolle schöne
Momente durch Michael Porter als Hylas, Martin Mitterrutzner als Iopas und
Gordon Bintner als Chorèbe.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 26. Februar 2017
Oper Frankfurt
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