Le prophète – Aalto-Musiktheater Essen – 2017
Groteske Kostümtorte mit vielen Bischofsmützen
Giulliano Carella dirigiert spannend „Le prophète“ im Aalto-Musiktheater in Essen
Da ich die Opern von Giacomo Meyerbeer sehr
schätze, war ich froh, gestern einen kleinen Ausflug nach Essen unternehmen zu
können, wo am 9. April „Le
prophète“ (Der Prophet) Premiere hatte. Zwar hätte mich auch die Barockoper „Alcione“ von
Marin Marais gelockt, die gestern an der Opéra Comique in Paris kam, aber dazu
war ich morgens einfach zu zaghaft. So wurde es Essen. Die Reise hat sich
musikalisch auch auf jeden Fall gelohnt. Giulliano Carella leitete die Essener
Philharmoniker mit viel Elan kurzweilig durch das nicht gerade kurze Werk. Und
der Tenor John Osborn war als Jean ein besonderer Glücksfall. Auch die
Wiedertäufer waren mit Albrecht Kludszuweit, Pierre Doyen und Tijl Faveyts
außerordentlich gut besetzt, was zu eindrücklichen Auftritten führte. Lynette
Tapia hätte als Berthe vielleicht nicht ganz so kindlich über die Bühne stapfen
müssen. Aber bei Marianne Cornetti als Fidès hielt man doch den Atem an. Da mag
mancher Ton etwas schrill geraten sein, aber insgesamt – einfach beachtlich.
In der Oper geht es um Jan van Leiden, der in
Münster zum König des Täuferreichs von Münster ausgerufen wurde. Am Turm der
Lambertikirche hängen noch die eisernen Körbe, in denen 1536 die Leichen von
drei Wiedertäufern ausgestellt wurden.
In der Oper ist es die Entführung seiner
Verlobten Berthe durch den Grundherrn, die Jean dazu bringt, sich den
Wiedertäufern anzuschließen – deren düsterer lateinischer Choral sich als
Erkennungszeichen durch die Oper zieht. In Münster treffen alle Beteiligten
wieder zusammen. Berthe und Jeans Mutter Fidès suchen den Propheten, um sich an
ihm für den vermeintlichen Tod von Jean zu rächen. Bei der Krönung Jeans zum
König erkennt Fidès ihren Sohn, der selbst der Prophet ist, wird aber von ihm
verleugnet, da die Wiedertäufer gerade verbreitet haben, dass der Prophet nicht
von einer Frau geboren sei, sondern Gottes Sohn sei. In den Kellern treibt sich
auch Berthe herum, die das Schloss sprengen möchte, um sich am Propheten zu rächen.
Als Jean seine inhaftierte Mutter im Kerker besucht, trifft er auch auch
Berthe, die sich entsetzt von ihm abwendet und sich umbringt. Da sich
inzwischen die Einnahme von Münster durch kaiserliche Truppen droht, versuchen
sich die Wiedertäufer durch Auslieferung Jeans zu retten. Doch Jean kommt beim
Fest seinen Feinden zuvor und sprengt das Schloss – natürlich zu wunderbarem
Gesang.
Da es Dirigent Giulliano Carella vermochte,
über viereinhalb Stunden Spieldauer die Spannung aufrecht zu erhalten, störte
die recht belanglose Regie nicht sonderlich. Diese Bestand vor allem aus dem
Drehen der Drehbühne, die fast ununterbrochen in Bewegung war. Bühnenbildner
Vincent Lemaire hatte die für ihn typischen spitz zulaufenden Räume gebaut. Der
kleinste dieser drei Räume ergänzte sich mit den in den Bühnenrahmen gestellten
schrägen Wänden. Damit erreichte er für die monologischen Szenen immerhin eine
erstaunliche Intimität. Allerdings waren die etwas größeren Räume für die
Szenen mit Chor eindeutig zu klein denn der Chor quetschte sich dann doch auf
engstem Raum zusammen. Es ist schon eine Meisterleistung, die riesige Essener
Bühne so zu verkleinern, dass man den Chor nicht richtig unterbringt.
Vermutlich hätte sich der Chor aber auch auf größerer Bühne nicht mehr bewegt.
Er stand bestenfalls gelegentlich dekorativ herum. Wann und wo diese Oper in
Essen spielen sollte, lässt sich nicht sagen, die Wände waren ziemlich neutral.
Nett waren die Spiegelungen des Lichts auf den Wänden – über viereinhalb
Stunden etwas wenig. Gelegentlich gab es noch Projektionen, wie beim Ballett,
bei dem sich ein Wiedertäufer von den beiden Tänzerinnen jagen ließ, die Graf
Oberthal im ersten Akt im Schlepptau hatte. Auch die Kostüme ließen keine
Rückschlüsse auf eine zeitliche Einordnung. Irgendwie grotesk gegenwärtig und
auch wieder nicht, dazu der Graf in Gehrock und Zylinder (aha, wie sich
Theatermacher eben einen Adeligen vorstellen). Zur grotesken Kostümtorte wurde
die Krönungsszene mit vielen Bischofsmützen – natürlich unbewegt, zwischendurch
rollte auch mal das Bläserensemble auf der Drehbühne vorbei. Entstand dadurch
irgendeine Handlung. Nein, eher nicht. Aber bei Regisseur Vincent Boussard
erwartet man auch keine verständliche oder gar logische Inszenierung. Nur ein
danebengegangenes Detail: Fidès fordert im Kerker Jean auf, sich hinzuknien –
allerdings kniet er schon seit geraumer Zeit neben ihr.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 26. April 2017
(Premiere 9. April 2017)
Aalto-Musiktheater Essen
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