La fedeltà premiata – Oper Zürich – 2009
Treue und Untreue beim Liebesguru
Joseph Haydns Oper »La fedeltà premiata« in Zürich
Dass der ungarische Dirigent Adam
Fischer ein guter Kenner der Musik Joseph Haydns ist, konnte er in »La fedeltà
premiata« am Opernhaus in Zürich wieder einmal unter Beweis stellen. Bei ihm
dümpelt Haydn nicht einfach dahin. Fischer entwickelt aus der Partitur eine
spannende Musik voller Dramatik und Leidenschaft.
Um Liebe und Leidenschaft geht es in dieser Oper
besonders. Als Schäferspiel (Dramma pastorale giocoso) übertitelt, führt es uns
in eine Gesellschaft, in der nur die freie Liebe erlaubt ist. Eifersucht und
Besitzanspruch soll es nicht geben. Treue Liebe wird gar mit dem Tod bestraft.
Über die Einhaltung dieses Gesetzes wacht der Priester Melibeo. Beim Thema der
freien Liebe ließ sich Regisseur Jens-Daniel Herzog, dessen Neuinszenierung am
1. März am Opernhaus in Zürich Premiere hatte, von neuzeitlichen Sekten
inspirieren und verlegte die Handlung in die »Liebesfarm« eines Gurus. Dass
dessen Anhänger im religiösen Wahn zum Letzten bereit sind, erfährt der
Zuschauer schon zu Beginn, als sie auf Geheiß Melidoros ein Hochzeitspaar als
Inbegriff treuer Liebe massakrieren. Keines Ungeheuers (wie in der
Uraufführung) bedarf es hier, Menschengruppen sind zu gleich bestialischen
Taten fähig, wie man spätestens seit »Der Herr der Fliegen« weiß. Guru Melibeo
nimmt für sich in Anspruch, doch eine feste Geliebte haben zu wollen: Amaranta.
Doch kommt ihm der Graf Perrucchetto ins Gehege, in den sie sich sofort
verguckt. Dann gibt es noch Nerina, die eifersüchtig ist, weil Lindoro sie hat
sitzen lassen und nun Celia liebt, die aber nichts von ihm wissen will. Außerdem
taucht dann noch Fileno auf, der über den vermeintlichen Tod von Fillide
trauert. Er ist nicht wenig erstaunt im Sektenmitglied Celia die geliebte
Fillide zu erkennen. Diese bemerkt aber sofort, dass eine Offenbarung treuer
Liebe das Todesurteil bedeutet und verleugnet Fileno. Regisseur Jens-Daniel
Herzog und Ausstatter Mathis Neidhardt gelingt tatsächlich die konsequente
Umsetzung der Handlung in die Neuzeit. Dass der psychisch angeschlagene
Rucksacktourist Fileno der Sektenwerberin Nerina nachgibt, scheint nur
konsequent. Die Szene spitzt Herzog im Finale des ersten Aktes so zu, dass
Fileno gezwungen wird, zuzuschauen wie Lindoro über Celia herfällt, was aber
letztlich an der Schusseligkeit Lindoros scheitert. Um endlich an Amarena
heranzukommen, sorgt Melibeo mit einem erfundenen Orakelspruch dafür, dass das
angebliche treue Paar Celia und Perrucchetto geopfert werden sollen. Die
Anfangsszene wiederholt sich. Die Menge tanzt sich in Trance und ist schon
dabei das Hochzeitspaar ausgestattete Paar zu massakrieren, als Fileno
einschreitet und sich als Opfer anbietet. Nicht verzichtet hat Regisseur Herzog
auf den »Deus ex Machina«: im grünen Jägerkostüm erscheint die Göttin Diana und
erschießt Melibeo. Die Menschen sind erlöst. Die Treue wurde belohnt – la
fedeltà premiata.
Dass Melibeo eine feste Liebesbeziehung eingehen
und seine Geliebte mit niemandem teilen möchte, steht in krassem Gegensatz zu
der freien Liebe, die er predigt und zu der er als angeblich göttliches Gebot
seine Anhänger zwingt. Jens-Daniel Herzog überspitzte diese Diskrepanz durch
die Ansiedlung der Handlung in einer geschlossen lebenden Sekte, deren Guru in
Person oder durch Großbildschirme omnipräsent scheint. Herzog entlarvt sowohl
den Personenkult um den Guru Melibeo wie das nur für die Sektenmitglieder
geltende Regelwerk, das ihnen als göttlich eingeredet wird. Ein kleiner
Bildschirm über der Bühne sorgt für das Werbematerial der erfundenen Sekte.
Diese Details karikieren und entlarven Gehabe und Propaganda bekannter Sekten
und ihre hohlen Heilsbotschaften. Letztlich dient die Sekte eben nur dem Wohl
des Gurus.
Ausstatter Mathis Neidhardt vermeidet das Zitat
einer konkreten Situation. Er hat für die Handlung einen klaren weißen Raum
erfunden, der durch eine fahrbare Wand mit kleiner »Bühnenöffnung« veränderbar
ist. Ein ebenfalls fahrbares Podest als Handlungsfläche lässt den Guru zu
wirkungsvollen Auftritten ins Bild fahren.
Tragik und Komik liegen in dieser Oper wie in
vielen Werken des ausgehenden 18. Jahrhunderts eng zusammen. Herzog vermeidet
in der Personenführung eine plumpe Zuordnung der Personen zu Bufforolle oder
ernsthaftem Gehabe. Die Musik veredelt einige Rollen schließlich schon genug.
Man kennt das von Mozart. Und so besitzt die Auftrittsarie der Gräfin in
Figaros Hochzeit einige Anklänge an die erste Arie der Celia. Das ernsthafte
Paar ist jenes, dessen treue Liebe letztendlich doch belohnt wird: Celia und
Fileno. Sehr zart und einfühlsam und mit klarer Höhe in den Koloraturen ist der
Sopran von Susann Kalauka (Celia) in der Auftrittsarie. Auch der mexikanische
Tenor Javier Camarena meistert die Partie des Fileno herausragend. Ihm steht
der zweite Tenor Christoph Strehl als Lindoro nicht nach. Überhaupt ist das
fast durchweg sehr junge Sängerensemble glücklich besetzt. Die Sopranistin Eva
Mei als Amaranta ist hier ebenso zu nennen wie Gabriel Bermúdez als
Perrucchetto. Zu den genannten Rollen sehr kontrastreich ist die Basspartie des
Melibeo angelegt: Der spanische Bassist Carlos Chausson hat zur tiefen Lage
genügend Beweglichkeit in der Stimme, um die Gefühlssprünge der Rolle zu
bewältigen. Die Vorstellung am 21. März kann als ein Glücksfall bezeichnet
werden. Geradezu filigran klingt das Orchester. Adam Fischer nimmt das
Orchester zugunsten der Sänger oft sehr zurück, lässt es aber auch aufbrausen
wie in der Sturmszene am Ende des zweiten Akts. Eine überaus erfreuliche
Wiederbelebung einer selten gespielten Oper ist der Züricher Oper damit
gelungen.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 21. März 2009
(Premiere 1. März 2009)
Opernhaus Zürich
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