Mozarts „La Clemenza di Tito“ – Aalto-Musiktheater Essen – 2017

Terroranschlag im Flughafen 

Mozarts Oper „La Clemenza di Tito“ am Aalto-Musiktheater in Essen 

von Klaus J. Loderer

Das Aalto-Musiktheater in Essen, 
benannt nach seinem Architekten Alvar Aalto
Foto: Klaus J. Loderer
Das Bühnenbild der Essener Produktion von Wolfgang Amadeus Mozarts „Titus“ sah vielversprechend aus: eine Flughafenhalle, in der in der Mitte eine Treppe zu einer Empore hinaufführte. Die verglaste Wand öffnete den Blick auf das Rollfeld. Als Filmprojektion bewegte sich dort sogar das Leben, kam ein Flugzeug an, fuhren Koffer durch die Gegend. Also eine wunderbare Basis für eine spannende Inszenierung, die Bühnenbildner Thorsten Macht da geschaffen hat. Die Kostüme von Regina Weilhart passten zu diesem gegenwärtigen Szenario. Und Mozarts Titus (La clemenza di Tito) ist mit seinem Macht- und Liebesgefüge so zeitlos,  daß man damit auch einen Flughafen bespielen kann. Allerdings muß man genauer sagen: könnte. Denn irgendwie hat Regisseur Frédéric Buhr das Bühnenbild nicht so ganz verstanden oder konnte einfach damit nichts anfangen. Vielleicht war er auch einfach noch nie auf einem Flughafen und es fehlte ihm deshalb die Inspiration, was man auf der Bühne hätten machen können. Er hätte auch den berühmten Filmklassiker „Airport“ anschauen können – schließlich sind Filmzitate ja ein beliebtes Mittel des Regietheaters. Jedenfalls tat sich nach einem anfänglichen Gag mit einem römischen Soldaten während der Ouverture und einem vielversprechenden Anfang mit einer hysterisch Stüle und Handtasche werfenden Vitellia nicht mehr viel. Die Sänger standen hilflos und verlassen auf der riesigen Bühne. Dabei hatte der Bühnenbildner ja sogar die Möglichkeiten räumlicher Intimität mit der Bar rechts und der Sitzgruppe links geschaffen. Der Zuschauer erkannte leicht, daß es sich dabei um die VIP-Lounge im Flughafen handeln sollte. Man hätte auch den Chor einsetzen können diesen verlassenen Flughafen etwas zu beleben, der hat ja in dieser Oper nicht viel zu tun. Wenn man den Chor aber erst zu seinen wenigen Auftritten auf die Bühne holt, dann bleibt der Flughafen ziemlich tot.

Da im Besetzungszettel der Regisseur auch extra noch betonen läßt, daß das Raumkonzept von ihm ist, versteht man noch weniger, warum er genau das Raumkonzept nicht so ganz verstanden zu haben scheint. Denn ein wichtiges Element eines Flughafens sind ja geregelte Abläufe und geregelte Besucherströme. Diese zur Grundlage einer Inszenierung zu machen, hätte schon viel geholfen. Dann hätte der Opernbesucher auch verstanden, was da eigentlich passiert. So aber kamen Leute irgendwo her und gingen irgendwo hin. Warum? Das erfuhr man nicht. Auch die eigentliche Opernhandlung blieb mehr oder minder ungespielt.

Es geht um den römischen Kaiser Titus. Daß dieser hintereinander Eheschließungen mit verschiedenen Damen ankündigt, sorgt für die Verwicklung in der Oper, da die Kaisertochter Vitellia Titus heiraten möchte um die kaiserliche Familientradition fortzuführen. Und sie bringt ihren Verehrer Sesto dazu, einen Aufstand gegen Titus anzuzetteln. Gerade hat sie Sesto sogar zum Mord an Titus überredet, da kündigt dieser an, daß er Vitellia heiraten werde. Diese versucht Sesto zu stoppen. Doch zu spät. Schon brennt das Kapitol. Und Sesto hat im Chaos einen Mann im Kaisermantel angegriffen. Im zweiten Akt zeigt sich dann, daß Titus gerettet ist, doch wird Sesto des Mordversuchs überführt, schließlich aber begnadigt.

Man ahnt durch den in arabischer Männermanier mit einem „Rosenkranz“ spielenden Publio irgendwie, daß es sich bei Titus um einen orientalischen Herrscher handeln könnte. Ein Staatsgast auf Besuch in Europa? Das bleibt ebenso blaß wie der völlig verschenkte Terroranschlag. Da macht es mal Puff. Putz rieselt von der Decke. Der Chor rennt chaotisch herum. Das war es. Würden da nicht Polizei, Armee, Sanitäter auftauchen? Laut Libretto brennt das Kapitol. Warum brennt der Flughafen nicht? Warum zu Beginn des zweiten Akts dann eine große Deckenlampe auf dem Fußboden liegt, die beim Anschlag eindeutig nicht heruntergefallen ist, und warum in der Bar die Lampen ausgetauscht wurden, das erschließt sich nicht, ebenso wenig wie die Evakurierung der Passagiere durch den Zuschauerraum.

Leider war das eintönige Dirigat von Tomás Netopil ebenso langweilig wie die Regie. An Bettina Ranch als Sesto durfte man sich immerhin erfreuen. Gut waren auch Dmitry Ivanchey als Titus und Baurzhan Anderzhanov als Publio.

Besuchte Vorstellung: 2. Juli 2017

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