Klaviernachmittag Paul Abraham – Sindelfingen – 2012
»Es ist so schön, am Abend bummeln zu geh’n«
Ein Klaviernachmittag in Sindelfingen erinnerte an Paul Abraham
Viele Melodien aus »Viktoria und ihr Husar«, »Die Blume
von Hawaii« und »Ball im Savoy« gehören zu den bekanntesten Ohrwürmern der
Operettengeschichte. Weniger bekannt ist, dass ihr Schöpfer Paul Abraham aus
dem Königreich Ungarn stammt. Er wurde am 2. November 1892 in Apatin geboren.
1930 wurde er mit der in Budapest uraufgeführten Operette »Viktoria und ihr
Husar« auf einen Schlag berühmt. Er ging nach Berlin, wo 1932 »Ball im Savoy«
herauskam. Die Basis für eine glanzvolle Karriere war gelegt. Ganz Deutschland
trällerte und pfiff die neuesten Melodien von Paul Abraham, die man von der
Bühne oder aus Filmen kannte. Hitlers Machtübernahme bildeten aber nicht die
Voraussetzung für die Karriere eines jüdischen Komponisten. Für Paul Abraham
bedeutete sie den Absturz in die Bodenlosigkeit. Das Leben in Luxus in seiner
Villa in der Berliner Fasanenstraße wich einem Leben in Rastlosigkeit und
Unsicherheit. Budapest, Wien, Paris, Havanna und New York waren die nächsten
Stationen. Allerdings konnte er in den USA als Komponist nicht Fuß fassen. Die
Zeit der Erfolge war abgebrochen. Sein geistiger Zustand verschlechterte sich
so sehr, dass er 1946 in eine Nervenheilanstalt kam. 1956 kehrte er krank nach
Deutschland zurück. Paul Abraham starb 1960 in Hamburg.
Adrian Zimmermann und Henriette Mojem gestalten einen
Paul-Abraham-Nachmittag
Aus Anlass des 120. Geburtstags veranstaltete das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen am 15. Dezember einen Klaviernachmittag mit Melodie von Paul Abraham. Der in Bukarest geborene Pianist Adrian Zimmermann, der seit 1982 an der Musikschule Sindelfingen unterrichtet, spielte einige der bekannten Schlager und auch weniger bekannte Melodien. Henriette Mojem führte charmant durch das Programm und stellte Leben und Werk des Komponisten vor. Von ihr erfuhr man viele Details aus der Jugend Paul Abrahams. Sei Vater sei Vizedirektor der Apatiner Bank, die Mutter Klavierlehrerin gewesen. Als Jugendlicher sei er nach Budapest gekommen. Dort sei er zwischen Geldwesen und Musik gependelt. Ganz bürgerlich habe er eine Banklehre begonnen und dann doch Musik studiert. Als Komponist konnte er Achtungserfolge mit ernster Musik erzielen und gründete doch eine Bank zum Geldverdienst. Der Bankrott sorgte für eine Gefängnisstrafe. Im Kerker, so Henriette Mojem, sei ihm dann die Inspiration für seine erste Operette gekommen. »Viktoria und ihr Husar« wurde nach der Uraufführung in Budapest und der deutschen Erstaufführung in Leipzig am Berliner Metropoltheater ein Erfolg. »Die Melodien wurden über Nacht zu Gassenhauern«, so Mojem. Der Erfolg habe ihn in einen Arbeitsrausch gebracht: »Sein Œuvre, das innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten entstand, ist schwindelerregend. Abraham stand unter manischem Produktionszwang. Was er in drei Jahren komponierte, haben andere in einem langen Leben nicht vermocht. Kein Wunder, dass er täglich drei Schachteln Zigaretten rauchte und dreißig Tassen Kaffee trank.« Mit sieben Nummern waren »Viktoria und ihr Husar« im Programm prominent vertreten. Darin sind natürlich auch bekannte Melodien wie »Meine Mama war aus Yokohama« bis zu Beschwörungen der ungarischen Heimat: »Ungarland! Donauland! Heimatland« und »Ja, so ein Mädel, ungarisches Mädel«. In dieser Operette geht es einmal rund um den Globus. Die »Blume von Hawaii« spannt den Bogen zwischen Hawaii und Monte Carlo. Auch daraus erklangen Melodien. Und es durfte der Foxtrott »Es ist so schön, am Abend bummeln zu geh’n« aus »Ball im Savoy« nicht fehlen.
Henriette Mojem schilderte
dramatisch die überstürzte Abreise Abrahams nach Hitlers Machtübernahme. Seinem
Chauffeur habe er den Schlüssel zu seinem Safe mit den unveröffentlichten Noten
anvertraut. Dieser habe die Noten aber nach und nach an deutsche Komponisten
verkauft, die sie dann unter ihrem Namen veröffentlichten. Dem Komponisten der
beliebten Melodien habe Deutschland einen schmählichen Abschied bereitet: »Und
zwar ohne, dass ihm auch nur ein einziger von den vielen Millionen, die sein
schmachtendes Abschiedslied so liebten, zum Abschied die Hände gereicht hatte«,
meinte Henriette Mojem in Anspielung an »Reich mir zum Abschied noch einmal die
Hände«. In Wien kamen drei weitere Operetten auf die Bühne, bis auch dort die
Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Adrian Zimmermann spielte »Die
schönste Rose« aus »Märchen im Grandhotel«. Die Flucht ging schließlich nach
New York, wo eine nicht behandelte Syphilis zum geistigen Zusammenbruch führte.
Henriette Mojem schilderte Begebenheiten, die schließlich zur Einlieferung in
eine Heilanstalt führten: so habe er in der Mitte der Madison Avenue ein
imaginäres Orchester dirigiert. Das Konzert schloss mit Melodien aus
Filmmusiken von Paul Abraham.
Klaus
J. Loderer
15. Dezember 2012
Haus der Donauschwaben Sindelfingen
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