Gräfin Mariza – Gärtnerplatztheater München – 2005
Verwickelte Liebe zwischen Sonnenblumen
Gräfin Mariza im Staatstheater am Gärtnerplatz in München
Ein von Licht durchfluteter Saal in einem ländlichen Schloss
bildet das Ambiente. Durchaus passend ist dieser Hintergrund für die Aufführung
von Kálmáns Operette »Gräfin Mariza«, die wieder im Spielplan des
Staatstheaters am Gärtnerplatz, Münchens zweiter Opernbühne, zu sehen ist. Im
Gegensatz zum elitär-ernsthaften Nationaltheater pflegt der Gärtnerplatz
Operette und Musical als festen Bestandteil des Spielplans. Für die »Mariza«
hat Regisseur Josef E. Köpplinger eine eigene Textfassung entwickelt. Dass er
die erste Szene kurzerhand vom Land in die Stadt verlegt, genauer in die
Tabarin-Bar, von der normalerweise nur in den Dialogen erzählt wird, passt
durchaus, kommt doch so einmal das mondäne Leben der von geldgierigen Verehrern
umschwärmten Gräfin Mariza (mit höhensicherem Sopran und überragenden
Spitzentönen: Ruth Ingeborg Ohlmann) besser zur Geltung. Mit Freunden vergnügt
sie sich nach einem Besuch der Operette »Der Zigeunerbaron« in der Bar und dort
kommt ihr die Idee mit der erfundenen Verlobung. Einer der Kellner hat sogleich
eine ebenso gute Idee. Die Drehbühne leitet über vom
großstädtisch-zwielichtigen Tabarin ins beschauliche Landgut. Durch große
Fenstertüren blicken wir auf weite Sonnenblumenfelder (Bühne: Rainer Sinell).
Für die Wiederaufnahme am 9. November wurde der Text nun kurzerhand nochmals
aktualisiert, hatte sich der männliche Hauptdarsteller Michael Suttner (Graf
Tassilo Endrödy-Wittemburg) in realiter mehrere Zehen gebrochen, was dazu
führte, dass er stark humpelte, dies aber passend mit einem Reitunfall erklärt
(Kichern im Publikum). Seinem strahlenden Tenor tat dies keinen Abbruch, nur in
den Tanzszenen war er etwas eingeschränkt.
Das Publikum amüsierte sich über einige witzige Regieeinfälle,
so über die Ameisenplage oder den passend zum Landleben eingesetzten
altersschwachen Traktor, der mehrmals dampfend über die Bühne röchelt. In den
Rollen war manches ungewohnt. Koloman Zsupán (wie immer ein strahlender Buffo:
Adam Sanchez) ist diesmal nicht nur (oder eigentlich überhaupt nicht) ein Baron
aus Waraschdin, sondern ein Hochstapler, nämlich der schon erwähnte Kellner aus
dem Tabarin, bei dem es sich auch noch um einen arbeitslosen Schauspieler
handelt. Schnell beichtet er seine Geschichte der Gräfin, die ihn beim
Diebstahl erwischt und ihn kurzerhand gegen Honorar als Verlobten engagiert.
Mit solchen Ideen erhalten einige Personen, die im Original eher unbestimmt
bleiben, eine fassbare Lebensgeschichte. Auch bei Tassilo hat eben nicht nur
der verstorbene Papa das Vermögen verspielt, der Erste Weltkrieg und er seine
eigene Leichtlebigkeit trugen dazu noch bei. So kommt ein etwas genaueres
zeitliches Umfeld ins Spiel, was wieder sehr passend ist, wurde die Operette
doch 1924 uraufgeführt, als manche adelige Familie durch den Zusammenbruch der
Donaumonarchie verarmt war. Entsprechend passen die Kostüme zum Anfang der
20er-Jahre.
Eine wichtige Rolle spielen in der Inszenierung drei Zigeuner,
die immer vor den Fenstern herumlungern und gelegentlich als Tänzer in die
Handlung eingreifen, wodurch sich immer wieder kleine Tanznummern entwickeln.
Ihren urkomischen Auftritt haben kurz vor Schluss Gisela Ehrensperger (Fürstin
Bozena) und Franz Wyzner (ihr Diener Penizek) – in diesem Fall kommt der »Deus
ex machina« im wörtlichen Sinne auf der schon erwähnten tuckernden Landmaschine
auf die Bühne. Die Fürstin lenkt das Liebesleben ihres Neffen Tassilo in
geregelte Bahnen, so steht einer Ehe mit Gräfin Mariza nichts mehr im Wege.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung 9. November 2005
(31. Vorstellung nach der Premiere am 22. Februar 2004)
Staatstheater am Gärtnerplatz
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