Gräfin Mariza – Festspielhaus Baden-Baden – 2007

»Denn Deine Leidenschaft brennt heißer noch als Gulaschsaft« 

Schwungvolles Gastspiel des Budapester Operettentheaters mit »Gräfin Mariza« im Festspielhaus Baden-Baden

So richtig nach dem Geschmack des Publikums sind die Inszenierungen des Budapester Operettentheaters. Was kritische Regisseure in Deutschland mit spröden und oft auch faden Inszenierungen verweigern, bietet das Budapester Operettentheater, das wieder einmal zu einem Gastspiel in Deutschland weilte. Im Festspielhaus in Baden-Baden konnten Operettenfans eine einfallsreiche, kurzweilige und witzige Inszenierung erleben, deren musikalische Qualitäten auch nicht zu verachten waren. Höchstens das Bühnenbild von Ágnes Gyarmathy neigte in seiner wackeligen Papiermachénatürlichkeit doch etwas zur Lächerlichkeit. Da war das bäuerliche Schnitzwerk und ländliche Idyll vor hoher Bergkulisse vielleicht doch zuviel des Guten.

Auf den hinlänglich bekannten Inhalt der berühmten Operette Emmerich Kálmáns muss hier nicht eingegangen werden. Eine leichte Abwandlung der üblichen Handlung betraf den Baron Kolomán Zsupán, also den von Gräfin Mariza eigentlich erfundenen Bräutigam, der aber als Gutsbesitzer aus Warasdin nun doch zur Verlobung auftaucht und von den Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald zur wirkungsvollen Steigerung der Verwicklung eingesetzt wurde. Das war der Budapester Textfassung zuviel der Zufälle. So überredet hier der als Gutsverwalter Béla Török verkleidete verarmte Graf Tassilo Endrödy-Wittemburg seinen Freund István (üblicherweise in der deutschen Fassung Karl Stephan) Liebenberg dazu, sich als Zsupán auszugeben und in die Festlichkeit zu platzen. Eine einleuchtende Idee, die Sprechrolle Liebenberg und den Tenorbuffo Zsupán zu vereinigen, nur hätte man diese Variante auch dem Autor der Inhaltsangabe mitteilen sollen, der die übliche Fassung beschrieb.

Regisseur Kero (hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Intendant des Budapester Operettentheaters, Miklós Gábor Kerényi) verlangte seinen Sängern in dieser Produktion wieder einige Beweglichkeit ab. Dass die Buffopaare geradezu akrobatische Fähigkeiten haben müssen, ist man vom Budapester Operettentheater gewohnt. Und Choreograph Jenö Löcsei hat Tanzszenen erarbeitet, die das Publikum in Baden-Baden doch mehrmals den Atem anhalten ließen. In der Abendvorstellung des 18. November meisterten Miklós Máte Kerényi als Liebenberg bzw. Zsupán und Szilvi Szendy als Lisa diese tänzerischen Anforderungen mühelos (und wirbelten auch in den Zugaben nochmals sensationell über die Bühne), wenn auch beide gesanglich etwas dünn schienen. Man staunte dann aber doch, wie selbst die Titelpartie mit dem Wirbelwind Zszupán über die Bühne fegte. Und dabei durfte bei »Komm mit nach Warasdin« nun auch noch herzhaft gelacht werden, wenn der zum Operettenoffizier verkleidete Liebenberg-Zsupán den Macho vom Land spielend, die reiche Gräfin »mit der Urkraft der Triebe« derb anbaggert, die sich schließlich mit einem flotten Klaps auf den knackigen Zsupánhintern für die Klapse auf den Sopranistinnenhintern revanchiert und ihn schließlich nicht auf die Arme nimmt sondern schlichtweg in den Dreck plumpsen lässt. Mónika Sáfár, die mit Zsuzsa Kalocsai alternierte, hatte sich da bereits mit »Höre ich Zigeunergeigen« als strahlende Sopranistin mit voller Höhe und Ausdrucksfähigkeit eingeführt. Eine weitere herausragende sängerische Persönlichkeit des Abends war Zsolt Vadász in der männlichen Hauptrolle des Grafen Tassilo. Die wunderbare Höhe seines Tenors kam bei »Wenn es Abend wird« ebenso zur Geltung wie in »Auch ich war einst ein feiner Csárdáskavalier« mit dem bekannten Refrain »Komm Zigány«.

Dirigent László Makláry leitete das Orchester des Operettentheater schwungvoll und temperamentvoll. Genauso will man Operette hören. Wie meint Mariza zu Zsupán: »Denn Deine Leidenschaft brennt heißer noch als Gulaschsaft.« Kálmán-Operetten mögen Ansammlungen aller Klischees über Ungarn sein. Das Budapester Operettentheater pflegt diese Klischees aber wunderschön.

Klaus J. Loderer

Besuchte Vorstellung: 18. November 2007

Festspielhaus Baden-Baden
(Gastspiel Budapester Operettentheater)

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